Lexikon der Optik: Perspektive
Perspektive, beim einäugigen Sehen vorhandener räumlicher Eindruck von räumlichen Objekten, der aus der Abhängigkeit der Sehwinkel gleich großer Objekte von deren Entfernung vom Auge resultiert. Dadurch werden durch die von den einzelnen Objektpunkten ausgehenden Hauptstrahlen (Sehstrahlen), die sich im als Perspektivitätszentrum wirkenden Mittelpunkt der Augenpupille schneiden, unterschiedlich entfernte Objekte mit unterschiedlichem Abbildungsmaßstab und wegen des kleinen Durchmessers der Augenpupille nicht störender projektiver Unschärfe auf die Netzhaut projiziert. Beim bewegten Auge ist der Augendrehpunkt das Perspektivitätszentrum. Durch die Projektion räumlicher Objekte auf die für kleine Sehwinkel als eben angenommene Netzhaut, werden alle untereinander parallelen Geraden, die nicht in zu dieser Netzhautebene parallelen Ebenen liegen, so abgebildet, daß sich ihre Verlängerungen in jeweils einem Fluchtpunkt (Zentralperspektive) schneiden. Die Verbindungsgerade aller Fluchtpunkte horizontaler Objektgeraden ist der Horizont, der bei der Vogelperspektive (Abb. 1a) bzw. bei der Froschperspektive (Abb. 1b) zu weit unter bzw. über der Augenachse liegt. Alle parallelen Geraden in zur Netzhautebene parallelen Ebenen bleiben auch in dieser parallel. Alle nicht in zur Netzhautebene parallelen Ebenen liegenden Kurven und Figuren werden verzerrt. Mit wachsender Entfernung vom Auge erscheinen die Objekte perspektivisch verkürzt.
Bei visuellen optischen Instrumenten wird das Perspektivitätszentrum in die Eintrittspupille (Blende) abgebildet, die auch bei objektiven optischen Instrumenten das Perspektivitätszentrum ist, dessen Lage gegenüber dem abzubildenden Objekt die P. bestimmt (Abb. 2). Bei der entozentrischen P. (Abb. 2a) liegt wie beim normalen Sehen das Perspektivitätszentrum hinter dem Objekt, so daß eine perspektivische Verkürzung entfernter Objektlängen auftritt. Telezentrische P. (Parallelperspektive) mit im Unendlichen liegendem Perspektivitätszentrum liegt bei objekt- bzw. beiderseitig telezentrischem Hauptstrahlengang vor (Abb. 2b und c). Bei dieser beim Mikroskop und bei optischen Meßinstrumenten verwendeten P. werden alle Strecken unverkürzt, maßstabsgerecht abgebildet. Verlagert das optische System, wie z.B. bei der Betrachtung durch eine Lupe (Abb. 2d) das Perspektivitätszentrum vor das Objekt, erhält man hyperzentrische P., bei der sich nur die rückwärtigen Verlängerungen der Hauptstrahlen im Perspektivitätszentrum schneiden. Bei dieser unnatürlichen P. erscheinen entferntere Objekte größer als nähere. Ebenfalls unnatürlich infolge Vertauschung von Vorder- und Hintergrund ist die pseudoskopische P. des mit der konjugierten Welle rekonstruierten reellen Bildes bei der Fresnel-Holographie (Abb. 3).
Beim Betrachten von perspektivischen Darstellungen räumlicher Objekte auf einer Auffangebene (z.B. Zeichnung oder Photographie) entsteht durch subjektive Rückprojektion des flächenhaften Bildes in den Raum ein perspektivischer Eindruck. Ein natürlicher perspektivischer Eindruck liegt vor, wenn der Sehwinkel σ', unter dem die perspektivische Darstellung betrachtet wird, dem Sehwinkel σ der direkten Objektbetrachtung entspricht (Abb. 4a).
Für σ'>σ bzw. für σ'<σ entstehen Tiefenverkürzungen (Abb. 4b) bzw. -verlängerungen (Abb. 4c). Ist das Perspektivitätszentrum bei Betrachtung der perspektivischen Darstellung gegenüber dem der direkten Objektbetrachtung höhen- oder seitenverschoben, entsteht durch Verzerrung der Größenverhältnisse der Sehwinkel ein verzerrter perspektivischer Eindruck. Der vom Betrachtungsabstand abhängige perspektivische Eindruck ist bei der Nachvergrößerung photographischer Aufnahmen zu beachten.
Bei der Gaußschen Abbildung ist das räumliche Bild entozentrisch perspektivisch verkürzt, wobei der Bildbrennpunkt das Perspektivitätszentrum ist.
Perspektive 1: Vogel- (a) und Froschperspektive (b). F Fluchtpunkte.
Perspektive 2: Pupillenlage (EP Eintrittspupille, AP Austrittspupille) bei entozentrischer (a), telezentrischer (b und c) und hyperzentrischer (d) Perspektive und perspektivischer Eindruck.
Perspektive 3: Pseudoskopische Perspektive des mit den konjugierten, am Hologramm gebeugten Wellen unter Vertauschung von Vorder- und Hintergrund rekonstruierten Bildes bei der Fresnel-Holographie.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.