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Metzler Philosophen-Lexikon: Babeuf, François Noël

Geb. 23. 11. 1760 in Saint-Quentin;

gest. 28. 5. 1797 in Vendôme

B. war Zeitgenosse der Französischen Revolution, seine Auffassungen aber weisen über diese hinaus. Indem er den ersten Versuch unternahm, eine kommunistische Utopie nicht nur zu entwerfen, sondern sie auch politisch durchzusetzen, unterscheidet er sich von den frühen Utopisten. Als Theoretiker und Praktiker steht er zwischen ihnen und der später entstehenden Arbeiterbewegung.

B.s Auffassungen sind nur verständlich als Ergebnis sowohl des Einflusses der Aufklärungsphilosophie als auch der Erfahrungen der Französischen Revolution. Der 1760 in verarmten kleinbürgerlichen Verhältnissen geborene B. erhielt zunächst kaum eine Schulbildung. Erst seine Tätigkeit als Lehrling auf Schloß Daméry erlaubte ihm die Aneignung des sozialen und ökonomischen Gedankenguts seiner Zeit, insbesondere der Schriften von Rousseau, Mably und Morelly. Gleichzeitig erfuhr B. durch seinen seit 1777 in der Picardie erlernten Beruf eines Feudalrechtsexperten und Grundbuchkommissars, der die Ansprüche des Feudalherrn gegenüber den Bauern durchzusetzen hatte, wie fragwürdig das feudale Privilegiensystem war. Nach seiner Rückkehr aus dem revolutionären Paris wurde B. ein Wortführer der Bauern in der Picardie. Diese forderten, daß nach der Aufhebung der Feudallasten durch die Nationalversammlung im August 1789 die Belastungen auch tatsächlich entfallen sollten. Als nunmehr politischer Agitator und Journalist kritisierte B. in dieser Zeit besonders, wie wenig die neuen politischen Rechte an der sozialen Lage des Volkes änderten. Um sein Ideal der sozialen Gleichheit zu verwirklichen, forderte er vorübergehend das »Agrargesetz«, das die Aufteilung der Großpachten vorsah. Das Leben unter den wesentlich aus Handwerks- und Krämerschichten kommenden Sansculotten von Paris, und die Arbeit in der Verwaltung der Jakobinerdiktatur vermittelten B. einen lebendigen Eindruck von den Problemen des Volkes in der Stadt. Aber erst nachdem er den Sturz der Jakobinerdiktatur und die Niederschlagung der letzten Sansculottenaufstände im Frühjahr 1795 erlebt hatte, entwickelte er seine politische und theoretische Konzeption vollständig. B. plante jetzt eine »Verschwörung für die Gleichheit« mit dem Ziel einer Verwirklichung der vollkommenen Gleichheit und des allgemeinen Glücks. Anders als die Jakobiner und Sansculotten forderte er nicht das Kleineigentum für alle, sondern die Aufhebung des Privateigentums als Ursache der Ungleichheit. Auf der Basis von Gemeineigentum sollte die Existenz gesichert werden. Ausgehend von den Bedingungen der agrarischen und manufakturellen Produktion des 18. Jahrhunderts erwartete man einen ökonomischen Stillstand. – In der Französischen Revolution selbst blieb die Wirkung der babouvistischen Konzeption begrenzt, der Verrat der Verschwörung und die Hinrichtung

B.s im Jahr 1797 sind hierfür nur ein Grund. Eine große Resonanz in der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts aber fanden seine Ideen, vermittelt durch Filippo Buonarrotis Geschichte der Conspiration pour l egalité dite de Babeuf von 1828, besonders wegen neuer Elemente der politischen Konzeption: der geplanten Leitung des Aufstands durch eine in einer Geheimgesellschaft organisierte revolutionäre Minderheit und der Vorstellung einer Übergangsdiktatur zur Durchsetzung einer Zukunftsgesellschaft, in der es dann keinen Herrschaftsapparat mehr geben sollte.

Bambach, Ralf: Der französische Frühsozialismus. Opladen 1984. – Blos, Anna/Blos, Wilhelm (Hg.): Philipp Buonarroti: Babeuf und die Verschwörung für die Gleichheit. Kötzting 21975. – Droz, Jacques (Hg.): Geschichte des Sozialismus. Von den Anfängen bis 1875, Bd. 1: Das utopische Denken bis zur industriellen Revolution. Frankfurt am Main 1974.

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