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Metzler Philosophen-Lexikon: Baudrillard, Jean

Geb. 1929 in Paris;

gest. 6. 3. 2007 in Paris

Eine Theorie der Moderne, so B., ist nur auf dem Weg der Radikalisierung aller Hypothesen möglich. Wenn auf Strukturen kein Verlaß mehr ist und die Ereignisse allen Beschreibungen davonlaufen, dann muß die Theorie schneller werden als die Ereignisse – oder so langsam, daß sich in ihren Verzögerungen die Lichteffekte der Ereignisse brechen. Kritik und Ursachenforschung, die Schritt zu halten versuchen, halten nur auf oder fixieren gar, was sich nur in freiem Lauf zu erkennen gibt. Die einzig angemessene theoretische Strategie, vorauseilend und innehaltend zugleich, ist die Wette. B. hält die Wette, daß spätestens im 20. Jahrhundert die Dinge jene Stelle eingenommen haben, die in den beiden vorherigen Jahrhunderten das Subjekt zu besetzen trachtete. In sprachlichen, theoretischen, historischen, technischen Unfällen aller Art registriert das Subjekt, daß die Dinge ihr eigenes Spiel spielen. Sie rächen sich an den Zumutungen des Subjekts, ihnen einen Sinn, einen Wert, eine Geschichte zu diktieren und winken mit fatalen Strategien der Verführung, die den Zufall gegen den Sinn, den Tod gegen den Wert und die Überraschung gegen die Geschichte ausspielen. Diese Wette macht die Hypothese des Begehrens überflüssig, mit der das Subjekt den Zusammenhang der Dinge und ineins damit seine Stellung zu den Dingen zu sichern suchte, und setzt die ironische Willkür der Ereignisse an deren Stelle.

Mit einer ebenso spielerischen wie boshaften Leichtfüßigkeit bürstet B. alle gängigen Theorien der Moderne gegen den Strich und entwirft eine Theorie der Fatalität und der Verführung, eine Pataphysik des bösen Genies der Dinge, eine Science-Fiction des Verlusts allen Sinns in der Simulation des Sozialen, die ihresgleichen suchen. Während fast alle modernen Wissenschaften in Distinktionen und Differenzsetzungen die Welt konstituiert sehen, diagnostiziert B. die Indifferenz als das Gesetz einer gesetzlosen Übereinkunft aller Dinge. Dies allerdings, den Einsatz der Paradoxie anstelle aller obsoleten Letztbegründungen und Prinzipienvergewisserungen von Theorieunternehmen, verbindet das Denken B.s mit den wichtigsten Avantgardetheorien, für welche die Paradoxie nicht nur ein Mittel zur Erzeugung glanzvoller Formulierungen und eine Technik der Überrumpelung des Lesers ist, sondern eben auch das Eingeständnis enthält, daß anders Theorie nicht zu fundieren ist.

Der Pariser Mai 1968 setzt auch für B. eine entscheidende Zäsur. Die Universität Nanterre, in der die Studentenbewegung für Frankreich gezündet wurde, gewinnt ihn, der sich bisher mit Übersetzungen von Bertolt Brecht und Peter Weiss einen Namen gemacht hatte, als Soziologen. In den folgenden Jahren erscheinen drei Bücher, die B.s Ansehen als Soziologen der modernen Konsumgesellschaft begründen: Le Système des objets (1968; Das Ding und das Ich), La Société de consommation: ses mythes, ses structures (1970) und Pour une critique de l économie politique du signe (1972). Beeindruckt durch Henri Lefebvres Kritik des Alltagslebens, durch das einzigartige Amalgam von Kunst, Theorie und Kritik der »Internationale situationniste« und durch die Semiologie und Mythologie Roland Barthes’ setzt B. sich das Ziel, eine Bestandsaufnahme der Objekte der urbanen Zivilisation zu erarbeiten. Mißtrauisch gegenüber der funktionalen Definition der Dinge, in der sich ihre Bedeutung wohl kaum erschöpfe, entdeckt er ihr Geheimnis, ihre eigentliche Botschaft in der Werbung, in der Zeichenwelt des Konsums. In der Sprache der Werbung, so die kopernikanische Wende des Soziologen, entscheiden sich die Dinge zwischen den verschiedenen Kunden, suchen sich die Waren ihre Käufer aus. Der Konsument wird durch die Dinge identifiziert, in Differenz zu anderen Konsumenten gesetzt und braucht so nicht mehr selbst herauszufinden, was er will und von wem er sich zu unterscheiden hat – um den Preis allerdings, die Werbung als Droge zu akzeptieren, die ihn sich als permanent defizitär empfinden läßt und ihn den Dingen in die Arme treibt. Jenseits des Tauschwerts der Ökonomen und des Gebrauchswerts der Marxisten ist es erst der Zeichentauschwert des Semiologen, dessen Analyse die differentielle Praxis der Dinge innerhalb ihrer Logik des Sozialen enthüllt. Doch nicht eine mögliche Kulturkritik, die selbst nichts anderes als eben diese differentielle Praxis exekutiert, interessiert B. an der soziologischen Entdeckung. Ihm geht es darum, die fundamentale Ambivalenz aufzudecken, die das Spiel der Differenzen konstituiert. Worin gründet die tautologische Selbstbestimmung der Objekte wie zum Beispiel jenes Regenschirms, der sich selbst mit der Aufschrift »Mistwetter« annonciert, oder jener Bank, die mit dem Slogan: »Wir arbeiten mit Ihrem Geld!« wirbt?

Auf dem Weg zur Bestimmung der Ambivalenz gilt es noch eine Hypothek abzutragen, die Hypothek des Marxismus. In Le Miroir de la production ou l illusion critique du matérialisme historique (1973) verallgemeinert B. seinen Verdacht gegen den Tauschwert zum Verdacht gegen den Wert schlechthin, dem dann auch der Marxsche Gebrauchswert mit allem, was aus ihm abgeleitet werden kann, auszusetzen ist. Sei es im Zeichen des Kapitals, sei es im Zeichen der Arbeit, geht es hier wie dort darum, die Realität der bürgerlichen Gesellschaft allererst zu produzieren, die Produktivität zum Leitmotiv des Kapitalismus zu erheben und noch und gerade das Bedürfnis, den Konsum und das Verlangen zu Produktivkräften des Systems zu schmieden. Weit davon entfernt, das System zu sprengen, verwirklicht die Dialektik es nach Art des Möbiusbandes: »Your inside is out and your outside is in« (Beatles 1968). Die Klassentheorie etwa im Verständnis von Georg Lukács ist mit ihren Ideen zur Organisation der Gesellschaft nichts als eine Geschichtsphilosophie nach dem Geschmack der Bürokratie.

B. ist jetzt in seinem Element. Er denkt die schwärzesten Gedanken des Marxismus. Er wird zu einem der raffiniertesten Polemiker der Pariser Szene, deckt schonungslos die gutwilligen, sozialverträglichen Illusionen der Linken auf (s. die Sammlung einiger Beiträge in La gauche divine, 1985; Die göttliche Linke). Es ist die hohe Zeit des Poststrukturalismus; Paris wird zu einem Hexenkessel wirbelnder Ideen, mit denen Väter erschlagen und Wahrheiten vernichtet werden und in denen sich leise ein fruchtbares neues Motiv andeutet: die Dezentrierung des Subjekts und die Wende der Differenz gegen die Identität. Mitten hinein in diesen Aufruhr plaziert B. die Summe seines bisherigen Werks, L Échange symbolique et la mort (1976; Der symbolische Tausch und der Tod), die die fundamentale Ambivalenz, nach der er suchte, aufdeckt und zur Herausforderung aller systemtragenden Diskurse stilisiert. Nach der »Opferkrise« (René Girard), in der sich die Ordnung der archaischen Gesellschaft auflöste, ist die Sozialgeschichte (sic!) der Menschheit die Geschichte der Verdrängung des Todes. Im Ausschluß der Toten aus allem Sozialen gründet und kulminiert jener der Wilden, Verrückten, Kinder, Alten, Armen, Unterentwickelten, Ungebildeten, Perversen, Transsexuellen, Intellektuellen und Frauen, und über diesen Ausschluß definiert sich der Mensch in seiner auftrumpfenden und banalen Singularität und in seinem Willen zum Überleben, jener Kümmerform des Lebens, das diesen Namen nur verdiente, wenn es den Tod »erträgt und in ihm sich erhält« (Hegel). Nur der symbolische Tausch, die den Mangel nicht kennende »Ökonomie« der Verausgabung (Georges Bataille), der Herausforderung und der Verführung, wird jener Ambivalenz von Leben und Tod gerecht, die wir zur Differenz verharmlosen, um unsere Identität behaupten zu können. Nur unsere Psyche, von den Abgründen des Unbewußten bis zur Melancholie des Alltags, und unser gebannter Blick auf Katastrophen zeugen davon, daß mit der Abwesenheit des Todes auf der Ebene einer artikulierten Konstitution des Sozialen noch nicht alles gewonnen ist. Die Macht, die das Leben schenkt, und die Ökonomie, die den Sklaven in den Arbeiter verwandelt, installieren sich über den Aufschub des Todes. Ihrer Errichtung des Wertes eilen drei Diskurse zwecks Bannung der Ambivalenz zu Hilfe: der ökonomische Diskurs behauptet die Produktion gegen den »Gabentausch« (Marcel Mauss), der psychoanalytische Diskurs das Verlangen gegen den »Todestrieb« (Sigmund Freud) und der linguistische Diskurs den Sinn gegen das »Anagramm« (Ferdinand de Saussure). B. unterscheidet drei Stadien der Sozialgeschichte der Todesverdrängung: die Fälschung des Sozialen mit ihrer Metaphysik von Sein und Schein, die Produktion des Sozialen mit ihrer Dialektik von Energie und Naturgesetzen und die Simulation des Sozialen mit ihrer Kybernetik der Unbestimmtheit und des Kodes. Eine Möglichkeit der Subversion in jenem dritten Stadium, in dem wir uns befinden, sieht B. nur noch in einer Aleatorik tödlicher Gewalt, die jene des Systems zu überbieten vermöchte.

Diesen dramatischen Entwurf einer Existentialanthropologie, die in der Pariser Szene als »Requiem unserer Zeit« begrüßt wurde, wertet B. im Rückblick als einen Versuch, die Logik des Systems bis auf jene Spitze zu treiben, wo sie bricht und ihr Prinzip offenbart. Vielleicht gilt auch für B., was er in Oublier Foucault (1977; dt. 1983) über diesen schreibt: sein Diskurs sei der Spiegel der Mächte, die er beschreibe, und beschreiben könne er sie nur, weil sie längst überwunden sind. Bei seiner Spurensuche nach jenen Objekten, die sich jedem Zugriff des Subjekts entziehen, stößt B. auf die schweigende Mehrheit, die Masse, die er in A l ombre des majorités silencieuses ou La fin du social (1978; dt. im Freibeuter 1 und 2/1979) als Ort der Implosion allen Sinns und der Subversion aller Offerten von Politik, Ökonomie und Intelligenz in die Dimension des schlicht Spektakulären beschreibt. Der Blick der Masse für das Faszinierende ist zu schnell, ihr Schweigen ist zu langsam für alles, was sich in den geordneten Bahnen der Kommunikation vollziehen könnte. Die Massen haben etwas begriffen, was keine Theorie bisher einzugestehen wagte: Wir leben im Zeitalter der Ereignisse ohne Konsequenzen. Darum, weil sie Kausalität und Finalität längst verabschiedet haben, sind die Ereignisse schneller als jede Theorie. In Les stratégies fatales (1983; Die fatalen Strategien) und Amérique (1986; Amerika) entwirft B. ein reichhaltiges Panorama der verschwindenden Ereignisse der Moderne, immer auf der Suche nach einer Theorie, die – vielleicht als Wette: vorgreifend und innehaltend zugleich – der verführerischen Ironie dieser Moderne am Ende ihrer Geschichte gewachsen ist.

B. hält seine Wette – auch angesichts der Ereignisse des Falls der Berliner Mauer im November 1989 und des Golfkriegs im Winter 1990/91. Das Tauwetter im Osten ändert am Ende der Geschichte nichts, sondern läßt im Gegenteil den Sozialismus an diesem Ende teilhaben; die 1990er Jahre sollte man besser streichen, um uns die Langeweile zu ersparen, die ihr Rückblick auf das 20. Jahrhundert mit sich bringt, und statt dessen direkt mit dem 21. Jahrhundert weitermachen und mit dem, was jetzt auf der Tagesordnung steht (Das Jahr 2000 findet nicht statt, 1990). Und La guerre du Golf n a pas eu lieu, so übertitelt er eine kleine Schrift, die 1991 erscheint: der Golfkrieg war nur ein Medienereignis, er hat gar nicht stattgefunden. Er hat genausowenig stattgefunden wie, so müssen wir immer mehr fürchten, Auschwitz und Hiroshima stattgefunden haben. In dem Moment, in dem der Bericht über oder die Erinnerung an diese Ereignisse im Medium des Fernsehens stattfindet, verfallen unsere Kriterien der Intelligibilität, der Kritik und ihrer Wahrheit, des Belegs und ihres Beweises. Diese Kriterien setzten Unterscheidungen, Asymmetrien zwischen Subjekt und Objekt, Satz und Ding, Wahr und Falsch voraus, die wir in unseren Reaktionen auf diese und andere Ereignisse aufgelöst und in symmetrische Reversibilitäten von Henkern und Opfern, Schuld und Verantwortung überführt haben. Wir haben unsere Begriffe nachgerüstet, verarbeiten Komplexitäten, die wir immer noch nicht erfassen, und können jetzt an die Möglichkeit von Ereignissen nicht mehr glauben, an die wir von Anfang an nicht glauben konnten.

Wie so oft bei B. griffe man zu kurz, würde man solche und andere Thesen und Anregungen als kunstfertige Selbstinszenierungen eines Medienphilosophen im doppelten Sinne (Philosoph über die Medien und in den Medien) abtun. Er weiß nicht nur, wie er alle gerade herrschenden Diskurse gegen den Strich bürsten kann. Er weiß auch, um welcher Motive willen es ihm damit ernster ist, als der nach wie vor apodiktische und aphoristische Stil seiner Einwürfe vermuten läßt. Diese Apodiktik und Aphoristik bringt er in seinem tagebuchartigen Skizzen Cool Memories (1987, dt. 1989) zu einem neuen Höhepunkt. Aber wenig später veöffentlicht er das Buch La transparence du mal: Essai sur les phénomènes extrêmes (1990; Die Transparenz des Bösen), in dem er nicht nur seine Beobachtungen zum Zusammenbruch des Sozialismus zusammenfaßt – den der Westen als Spektakel eines Freiheitsgewinns genießt, dessen utopische Momente im Westen aber schon längst über ihrer Realisierung verschwunden sind, – sondern auch seine generelle Diagnose des Problems der modernen Gesellschaft stellt. Die Diagnose lautet, daß diese Gesellschaft über ihrem verallgemeinerten Interesse an Differenz und Differenzen nichts anderes mehr als die ewig gleiche Euphorie operationeller Selbstreferenz realisiert und jeden Zugang zu einer wirklichen Alterität verloren hat. Unter dem Titel der Differenz wird nur noch gedacht, was längst ähnlich ist, ohne bereits dasselbe zu sein. Das Inkompatible, Verführerische, Zerstörerische, Antagonistische, Unreduzierbare wird nicht mehr gedacht und kann nicht mehr gedacht werden.

Gegen die universelle Euphorie der Verknüpfung, die »Epidemie des Wertes«, behauptet sich nur noch das Prinzip des Bösen als ein Prinzip, das Bindungen löst, Beziehungen unmöglich macht, Kopplungen kappt. Khomeinis Todesurteil gegen Salman Rushdie wäre ein Fall eines solchen Bösen: ein Urteil, ein Satz, der nicht zugleich ist, was alle Sätze und Urteile des Westens längst sind: Kommunikationen. Bei B. bekommt dieses Prinzip des Bösen mit einem Begriff aus der Mathematik chaotischer (nichtlinearer) Systeme den Status eines »seltsamen Attraktors«: Es vereinigt auf sich alle Faszination, es ist Moment der Naturkatastrophe, die die moderne Gesellschaft ereilt hat, und es ist zugleich eine der wenigen Instanzen, die dieser Katastrophe Paroli bieten kann. Worum handelt es sich bei der Naturkatastrophe? B. sieht die moderne Gesellschaft in eine fatal katastrophale Entwicklung verwickelt, die sich anschickt, den 2. Hauptsatz der Thermodynamik zu widerlegen und eine ständig nachwachsende Energie des Energieverbrauchs aus diesem Energieverbrauch selbst zu gewinnen. Das Modell dafür ist New York, das seine ganze Energie aus der Verausgabung von Energie gewinnt und sich nur noch von seinem eigenen Lärm ernährt. Die moderne Gesellschaft, so B., das ist eine Gesellschaft, deren wichtigste Energiequelle der Energieverbrauch ist.

Nur diejenige Theorie, die sich selbst zu einem seltsamen Attraktor, zu einer Art perfektem Verbrechen (Leiche, Tatwerkzeug und Täter verschwinden) machen kann, hat eine Chance, diesen Phänomenen, die alle Unterscheidung zwischen Gut und Böse hinter sich gelassen haben, gerecht zu werden. Das wichtigste Motiv dieser Theorie liegt in einer Subtilität, der es nicht mehr um das alte Ziel der Philosophie, sich selbst zu kennen, gehen kann, denn dieses Ziel sei heute von jedermann realisierbar, sondern nur noch darum, den seltsamen Attraktionen, der Ironie, Wendigkeit und den Täuschungen des Objekts nachgehen zu können. Nicht zu träumen, sondern das zu träumen, was andere träumen, nicht an sich zu glauben, sondern an das zu glauben, woran andere glauben, das sei heute die Verführung, der nachzugeben noch ermögliche, sich selbst und der Wiederholung Desselben zu entgehen. Der Andere, so schließt B.s Buch über die Transparenz des Bösen, ist, »wer es mir erlaubt, mich nicht bis in alle Ewigkeit zu wiederholen«.

Nach wie vor liegt der Reiz der Philosophie B.s darin, einer abweichenden Perspektive auf das, was den intellektuellen Diskurs je aktuell beschäftigt, zu begegnen. B. ist in der Lage, die jeweils neuesten Themen in ein Licht zu rücken, in dem sie bei keinem anderen Philosophen auftauchen. Kaum haben wichtige Theorien der modernen Gesellschaft das Theorem der Selbstreferenz entdeckt und begonnen, es bis in alle Winkel der Gesellschaft zu verfolgen, verwirft B. dieses Theorem in Bausch und Bogen als Repetition desselben und läßt es verschwinden im schwarzen Loch einer Fraktalität, die keine Fälschung, keine Produktion, keine Simulation des Wertes kennt, sondern nur noch Epidemien des Wertes (das vierte, fraktale, Stadium des Wertes). Was steckt hinter dieser fraktal-fatalen Entwicklung der Moderne? Nichts anderes als ein Exzeß der Positivität, ein unaufhörlicher Verfall des Kurswertes der Negation und Negativität, bis nichts mehr einen Einwand, eine Ablenkung, einen Abbruch darstellt, sondern alles nur noch einen Moment der Reproduktion. Ist das Science-Fiction? Kaum, antwortet B.

In einer kleinen Schrift von nicht einmal achtzig Seiten, Paßwörter (2002), seiner Vorlage zu einem Film über ihn, ist es B. gelungen, seine Philosophie auf den Nenner von insgesamt 15 Paßwörtern zu bringen. Dort beschreibt er ein weiteres Mal den symbolischen Tausch, als dessen perfekte Reinszenierung er in einem anderen Buch, Der Geist des Terrorismus (2002), den Anschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York begreift: Wie, so lautet seine Frage, wird es je gelingen, die Zirkularität, den Kreislauf, die Reversibilität dort wieder zu realisieren, wo wir uns in der modernen Gesellschaft ein irreversibles, lineares System geschaffen haben, das den Tod nicht anders begreifen kann denn als ein wirkliches Ende. Es ist ein nach wie vor scharfer soziologischer Blick, der im Terror auch jene andere Seite zu erkennen vermag, die sich in der unendlichen, der maßlosen, der unberechenbaren Trauer verwirklicht, die nicht nachläßt in ihrer Fähigkeit, auf ein Ereignis zurückzukommen.

Dirk Baecker

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