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Metzler Philosophen-Lexikon: Engels, Friedrich_1

Geb. 28. 11. 1820 in Barmen;

gest. 5. 8. 1895 in London

Beide Elternteile von M. stammten aus jüdischen Rabbinerfamilien. Der Vater, ein Rechtsanwalt, trat jedoch, um seinen Beruf weiter ausüben zu können, mit seiner Familie zum Protestantismus über. Die Traditionen des Humanismus und der Aufklärung wurden im Elternhaus sorgsam gepflegt. Als M. in Trier das Gymnasium absolviert hatte, immatrikulierte er sich auf Wunsch des Vaters an der juristischen Fakultät (1835 in Bonn und ein Jahr später in Berlin). Viel stärker als für die Rechtswissenschaft interessierte er sich aber für Philosophie und Geschichte, hörte Vorlesungen bei Bruno Bauer, Friedrich Carl von Savigny und Friedrich Schlegel und war fasziniert von der Philosophie Hegels. 1841 schloß er sein Studium mit der Promotion in Jena ab (»in absentia«). Da er sich damit bereits im Sinne eines linken Hegelianismus exponiert hatte, mußte er seine Hoffnungen auf eine akademische Laufbahn aufgeben – Bruno Bauer hatte soeben seine Lehrbefugnis für Theologie in Bonn verloren. So ging M. 1842 zur Rheinischen Zeitung. 1843 heiratete er seine Jugendfreundin Jenny von Westphalen. Nachdem die Rheinische Zeitung durch die preußische Regierung verboten worden war, siedelte das Ehepaar nach Paris über.

E. entstammte einer Industriellenfamilie, besuchte das Gymnasium in Elberfeld, wurde jedoch von seinem Vater vorzeitig von der Schule genommen; eine Ausbildung in einem Bremer Handelshaus sollte ihn sachgerecht auf seine Unternehmerrolle vorbereiten. In Bremen erhielt er Kontakt mit dem Jungen Deutschland und während seines Militärdienstes in Berlin mit den Junghegelianern. 1842 ging er nach Manchester, um in der dortigen väterlichen Firma kaufmännische Erfahrungen zu sammeln. Im Spätsommer 1844 trafen M. und E. in Paris zusammen. Das Werk beider war fortan so eng verbunden, daß die Entwicklung des einen immer nur im Zusammenhang mit der des anderen, als Moment eines gemeinsamen Weges, verstanden werden kann. Einen beträchtlichen Teil ihrer Werke verfaßten sie ohnehin gemeinsam.

Die Problemlage, mit der sich die Generation von M. und E. konfrontiert sahen und die das Denken beider bestimmte, war vor allem durch drei Momente gekennzeichnet. Sozialökonomisch war der Kapitalismus in den fortgeschrittenen Ländern Europas im Begriff, zur bestimmenden Gesellschaftsordnung zu werden und die feudalabsolutistischen Widerstände zu überwinden. Die industrielle Revolution schuf einerseits eine gewaltige Produktivität und einen rasch ansteigenden gesellschaftlichen Reichtum, andererseits aber eine enorme Verelendung jener Klasse von Lohnabhängigen, die nun aus deklassierten Handwerkern und Bauern entstand und in den Städten sich zusammenballte. Politisch hatte die Französische Revolution die Geister in Europa polarisiert, hatte den bürgerlichen und liberalen Kräften allenthalben Auftrieb gegeben und auch in der Periode der Restauration nach 1815 weitergewirkt. Der Kampf um Verfassungen und bürgerliche Freiheiten bestimmte in allen Ländern Europas die politische Auseinandersetzung. Allerdings wurde die Konfrontation zwischen bürgerlichen und restaurativen Kräften in wachsendem Maße überlagert durch die Forderungen der eigentumslosen Massen, die sich mit François Noël Babeuf schon in der Französischen Revolution, seit den 30er Jahren aber verstärkt innerhalb der in der Entstehung begriffenen Arbeiterbewegung artikulierten. Diese sozialen Kräfte hatten in England die Chartistenbewegung hervorgebracht, in der französischen Seidenindustrie zu einem ersten organisierten Aufstand geführt und in Deutschland mit dem Aufstand der schlesischen Weber 1844 eine soziale Eruption erzeugt. Philosophisch warf vor allem der rasante Aufschwung der Naturwissenschaften neue Fragen über die Beschaffenheit der materiellen Welt und das Verhältnis von Geist und Materie auf. Seit den 50er Jahren stellten die Untersuchungen von Charles Darwin über die Entwicklung der Arten und dann die ethnologischen Studien von Lewis Morgan und Johann Jacob Bachofen radikal neu die Frage nach dem Wesen des Menschen und nach der Beziehung zwischen Naturgeschichte und Menschheitsgeschichte.

Das Gedankenmaterial, das zur Verfügung stand, um diese äußerst komplexe Problemlage zu bewältigen, lag zum einen in Gestalt der klassischen deutschen Philosophie vor, die mit Hegel ihren Höhepunkt erreicht hatte. Sie beanspruchte, die Totalität der Wirklichkeit zu erfassen und – mit der Dialektik – auch in ihren Entwicklungsgesetzen zu erklären. Zum zweiten in Gestalt des Materialismus, der, durch die Naturwissenschaften gestützt, Mensch und Gesellschaft analog zur Natur oder analog zu einer Maschine interpretierte und mit Ludwig Feuerbach dazu übergegangen war, auch ideologische Gebilde wie die Religion materialistisch bzw. anthropologisch zu erklären. Zum dritten in Gestalt der klassischen bürgerlichen Ökonomie, die sich besonders in England, dem wirtschaftlich am weitesten fortgeschrittenen Land, herausgebildet und wesentliche Gesetzmäßigkeiten kapitalistischer Entwicklung bereits offengelegt hatte. Und viertens schließlich in Gestalt des frühen Sozialismus, der besonders in Frankreich und England entstanden war und Anstrengungen unternommen hatte, den Kapitalismus als eine spezifische Entwicklungsetappe der Menschheitsgeschichte einzuordnen, das Elend, das der Kapitalismus erzeugt hatte, anzuklagen und Alternativen theoretisch herauszuarbeiten (Charles Fourier, Claude Henri de Saint-Simon) und praktisch zu erproben (Robert Owen).

Leben und Werk von M. und E. können verstanden werden als ein Prozeß, in dessen Verlauf beide sich schrittweise der geschichtlichen Problemlage bewußt wurden, das zur Verfügung stehende Gedankenmaterial kritisch aneigneten, unter dem Einfluß neuer praktischer Erfahrungen und theoretischer Bemühungen umgestalteten und schließlich zu einem System entwickelten, das als eine wissenschaftlich-philosophische Revolution gekennzeichnet werden kann. Beide hatten die Hegelsche Philosophie studiert und sich den Junghegelianern, dem linken Flügel der geistigen Erben Hegels, zugewandt, die die dialektische Denkweise betonten und von Hegels Systemdenken, seiner Abgeschlossenheit und Starrheit distanzierten. Mit ihren Wortführern – Bruno Bauer und Arnold Ruge – wurde M. in Berlin persönlich bekannt. In seiner 1840/41 geschriebenen Dissertation über die Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie kam M. zu dem Ergebnis, daß eine Versöhnung von Religion und Vernunft unmöglich sei, ohne aber die Religion selbst schon erklären zu können. 1841 erhielten die Diskussionen dieser jungen Intelligenz einen enormen Impuls durch Ludwig Feuerbachs Buch Wesen des Christentums. Feuerbach hatte dem philosophischen Idealismus eine grundsätzliche Absage erteilt und erklärt, nicht Gott habe den Menschen, sondern der Mensch habe Gott und die Götter nach seinem Bilde geschaffen. Damit war, wie E. feststellte, der Materialismus auf den Thron erhoben.

1842/43 war M. als Mitarbeiter, dann als Chefredakteur bei der liberalen Rheinischen Zeitung mit der politischen und sozialen Wirklichkeit direkt konfrontiert und zu der Frage genötigt, welche Bedeutung für die Politik und für den Staat die materiellen ökonomischen Interessen haben. Die Auffassung Hegels, nach der der Staat das regulierende Prinzip der gesellschaftlichen Entwicklung darstellte, war damit schon erschüttert. Rückblikkend schrieb er: »Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, daß Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind noch aus der sogenannten Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit Hegel unter dem Namen bürgerliche Gesellschaftˆ zusammenfaßt, daß aber die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie zu suchen sei.« In dem Beitrag Zur Judenfrage (1843) in den Deutsch-Französischen Jahrbüchern, die M. gemeinsam mit Ruge in Paris herausgab, sieht er bürgerliche Demokratie und Menschenrechtsdeklarationen bereits im Zusammenhang mit dem Schutz des Privateigentums. Die »Freiheit« der Verfügung über das Privateigentum sei »die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft«. Zur Emanzipation könne sie nicht führen: »Erst wenn der Mensch seine forces propresˆ als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organisiert hat, ist die menschliche Emanzipation vollbracht«. Der Aufsatz Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung (1843) greift Feuerbachs These auf, daß es »der Mensch« sei, der die Religion mache, begnügt sich aber nicht mehr mit diesem anthropologischem Materialismus, sondern will das Wesen des Menschen konkret, d.h. gesellschaftlich bestimmen. Damit war M. in der Ideologiefrage auch über die Aufklärungsphilosophie hinaus, die die Religion als ein von den Herrschenden bewußt eingesetztes Instrument zur Verdummung des Volkes aufgefaßt hatte, als eine Form der Manipulation also (»Priestertrugstheorie«). M. sah, daß die realen sozialen Verhältnisse das Bedürfnis nach Religion, nach Tröstung erzeugten. In diesem Kontext formulierte er den berühmten, meist aber falsch zitierten Satz von der Religion als dem »Opium des Volkes« – und nicht, im Sinne der Manipulationstheorie: Opium für das Volk!. Zugleich wird damit die abstrakte Religionskritik zur konkreten Gesellschaftskritik, zur Forderung nach sozialer Revolution: »Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks«.

Auch für E. ergaben sich neue Impulse durch Erfahrungen, die ihn mit der gesellschaftlichen Realität direkt konfrontierten. In Manchester, dem Zentrum der Textilindustrie, sah er das Elend der Arbeiterklasse, erhielt aber auch Verbindung mit der Chartistenbewegung und mit Robert Owen. Das Studium der französischen Utopisten und Wilhelm Weitlings führte ihn nun bereits zu kommunistischen Folgerungen.

Im Unterschied zu M. aber wurde E. durch diese Erfahrungen nicht so sehr zur Philosophie als vielmehr zur Ökonomie gedrängt. Im gleichen Heft der Deutsch-Französischen Jahrbücher publizierte er seine Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie. In dieser »genialen Skizze«, wie M. später schrieb, führte er aus: »Weil das Privateigentum jeden auf seine eigene rohe Einzelheit isoliert und weil jeder dennoch dasselbe Interesse hat wie sein Nachbar, so steht ein Grundbesitzer dem andern, ein Kapitalist dem andern, ein Arbeiter dem andern feindselig gegenüber. In dieser Verfeindung

ist die Unsittlichkeit des bisherigen Zustandes der Menschheit vollendet; und diese Vollendung ist die Konkurrenz.« Diese Konkurrenz bringe notwendig das Monopol hervor; ökonomische Krisen und die Verschärfung der Klassengegensätze seien die Triebfedern für die soziale Revolution. »Produziert mit Bewußtsein, als Menschen, nicht als zersplitterte Atome ohne Gattungsbewußtsein, und ihr seid über alle diese künstlichen und unhaltbaren Gegensätze hinaus.«

Unter dem Einfluß von E. wandte sich nun auch M. stärker dem Studium der politischen Ökonomie zu. Zudem las er französische Revolutionäre und Theoretiker (Louis-Antoine-Léon de Saint-Just, Maximilien de Robespierre, Babeuf, Fourier, Pierre Joseph Proudhon). Bei bürgerlichen Historikern (Augustin Thierry, François Guizot) fand er den Gedanken, daß die neuere Geschichte als Interessenkampf zwischen sozialen Klassen verstanden werden könne. Er lernte in Paris Heinrich Heine und Georg Herwegh kennen und nahm Kontakte zu französischen Sozialisten auf. Der Aufstand der schlesischen Weber im Sommer 1844 verstärkte seinen Impuls, in die praktischen Auseinandersetzungen einzugreifen.

In den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten, die 1844 aus diesen Studien und Erfahrungen hervorgingen, suchte M. nach einer Vermittlung zwischen den neuen ökonomischen Erkenntnissen und seinen philosophischen Überzeugungen – diese Manuskripte wurden erst 1932 publiziert. Im Zentrum steht der Begriff der Entfremdung, den er in vier Dimensionen entfaltete: Erstens im Verhältnis des Arbeiters zu seinem Produkt: Diese Entfremdung bedeute »nicht nur, daß seine Arbeit zu einem Gegenstand, zu einer äußeren Existenz wird, sondern daß sie außer ihm, unabhängig, fremd von ihm existiert und eine selbständige Macht ihm gegenüber wird, daß das Leben, was er dem Gegenstand verliehen hat, ihm feindlich und fremd gegenübertritt«. Zweitens im Akt der Produktion selbst: die Arbeit ist dem Arbeiter »äußerlich«, gehört »nicht zu seinem Wesen«. »Der Arbeiter fühlt sich daher erst außer der Arbeit bei sich und in der Arbeit außer sich Seine Arbeit ist daher nicht freiwillig, sondern gezwungen, Zwangsarbeit. Sie ist nicht die Befriedigung eines Bedürfnisses, sondern sie ist nur Mittel, um Bedürfnisse außer ihr zu befriedigen.« Drittens drücke die Entfremdung sich aus im Charakter der Arbeit als bloßem »Mittel zur individuellen Existenz«, womit der Arbeiter seinem Wesen als Gattungswesen entfremdet sei. Und viertens schließlich in der Konkurrenz, die »die Entfremdung des Menschen vom Menschen« erzeuge. »Mit der Verwertung der Sachenwelt nimmt die Entwertung der Menschenwelt in direktem Verhältnis zu«. Die »positive Aufhebung aller Entfremdung« bestehte also in der »positiven Aufhebung des Privateigentums«.

Angeregt durch die Schrift von Wilhelm Schulz über Die Bewegung der Produktion (1843) gelangte M. zu einer materialistischen Konzeption, mit der er den anthropologischen Materialismus Feuerbachs überwinden und den Begriff der Arbeit so bestimmen konnte, daß er die Bewahrung der Natur als allgemeine Lebensgrundlage einschließt: Auch in der scheinbar ganz individuellen wissenschaftlichen Tätigkeit »bin ich gesellschaftlich, weil als Mensch tätig«. Das Material der Tätigkeit sei ebenso gesellschaftlich gegeben wie die Sprache, in der der Denker tätig ist. Die Arbeit aber bilde die Grundlage alles gesellschaftlichen Lebens, gewährleiste den Stoffwechsel mit der Natur: »Die Natur ist der unorganische Leib des Menschen Der Mensch lebt von der Natur: die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozeß bleiben muß, um nicht zu sterben.« Jahrzehnte später, im Kapital und in seiner Kritik des Gothaer Programms, konkretisierte M. die ökonomische Funktion der Natur: es sei falsch, die Arbeit als »die Quelle allen Reichtums« zu bezeichnen, denn die Erde sei für die Herstellung von Gebrauchsgütern ebenso notwendig. Diese sei aber im Privatbesitz und werde entsprechend behandelt.

In dem Fragment Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt bezieht M. seine philosophischen Erkenntnisse aber nun bereits direkt auf die Praxis: »Wie die Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so findet das Proletariat in der Philosophie seine geistigen Waffen, und sobald der Blitz des Gedankens gründlich in diesen naiven Volksboden eingeschlagen ist, wird sich die Emanzipation der Deutschen zu Menschen vollziehn.«

So weit hatten M. und E. ihr Denken entwickelt, als sie im Spätsommer 1844 in Paris zusammentrafen. E. schrieb dazu rückblickend: »Als ich Marx im Sommer 1844 in Paris besuchte, stellte sich unsere vollständige Übereinstimmung auf allen theoretischen Gebieten heraus, und von da datiert unsere gemeinsame Arbeit.«

Als erstes Resultat der gemeinsamen Arbeit entstand 1844 die Heilige Familie oder die Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten. Diese Schrift bildet die definitive Überwindung der idealistischen Philosophie – auch in ihrer junghegelianischen Form. Das kritische Werk Hegels, so führen M. und E. aus, münde deshalb in eine konservative Philosophie, weil es die gegenständliche Welt schon überwunden zu haben glaube, wenn es sie »in ein Gedankending« verwandle. Hegel »stellt die Welt auf den Kopf und kann daher auch im Kopf alle Schranken auflösen, wodurch sie natürlich für die schlechte Sinnlichkeit, für den wirklichen Menschen bestehen bleiben«. Die revolutionäre Seite der Hegelschen Philosophie, die Dialektik, das Denken in Prozessen und in Widersprüchen, blieb in dieser »Aufhebung« Hegels erhalten. Unter »aufheben« wird dabei – ganz im Sinne Hegels – ein Dreifaches verstanden: bewahren, auf eine höhere Ebene heben und eben dadurch überwinden.

Äußerst knapp formulierte M. die vorläufige Bilanz seines Denkens in den Elf Thesen über Feuerbach (1845). Diese Thesen, so urteilte E. rückblickend, seien »unschätzbar als das erste Dokument, worin der geniale Keim der neuen Weltanschauung niedergelegt ist«. In der ersten These hob er seinen Materialismus von dem Feuerbachs ab: »Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlich menschliche Tätigkeit, Praxis, nicht subjektiv.« Die dritte These arbeitet den Widerspruch heraus, daß der Mensch zugleich Produkt und Produzent der gesellschaftlichen Verhältnisse ist, skizziert also die Dialektik von Verhalten und Verhältnissen: »Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und der Erziehung vergißt, daß die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muß. Sie muß daher die Gesellschaft in zwei Teile – von denen der eine über ihr erhaben ist – sondieren.« Die sechste These identifiziert das menschliche Wesen nicht im Individuum, sondern in den gesellschaftlichen Verhältnissen: »Feuerbach löst das religiöse Wesen in das menschliche Wesen auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.« Und die elfte These schließlich zieht aus den philosophischen Erwägungen über Mensch und Gesellschaft die praktische Schlußfolgerung: »Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt drauf an, sie zu verändern.« – M., inzwischen (im Februar 1845) nach einer Intervention der preußischen Regierung aus Frankreich ausgewiesen, hatte nun, wie E. später berichtete, »seine materialistische Geschichtstheorie in den Hauptzügen herausentwickelt«.

Als beide in Brüssel wieder zusammentrafen, gingen sie daran, sowohl die theoretischen Konsequenzen ihrer bisherigen Arbeit genauer zu fassen wie die praktischen Aufgaben anzupacken: »Das europäische und zunächst das deutsche Proletariat für unsere Überzeugung zu gewinnen«. Die theoretischen Probleme wurden im gleichen Jahr in Angriff genommen mit der Schrift Die deutsche Ideologie, in der eine Gesamtkritik der »neuesten deutschen Philosophie in ihren Repräsentanten Feuerbach, B. Bauer und Stirner, und des deutschen Sozialismus in seinen verschiedenen Propheten« und zugleich die erste zusammenhängende Darstellung ihrer eigenen Konzeption formuliert wurde. Das Werk blieb unvollendet und wurde erst 1932 aus dem Nachlaß publiziert. Hier wird nun der Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher und ideologischer Herrschaft genauer herausgearbeitet und damit eine wichtige Komponente für die Lehre von (ökonomischer) Basis und (ideologischem) Überbau entwickelt: »Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d.h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht. Die Klasse, die die Mittel zur materiellen Produktion zu ihrer Verfügung hat, disponiert damit zugleich über die Mittel zur geistigen Produktion, so daß ihr damit zugleich im Durchschnitt die Gedanken derer, denen die Mittel zur geistigen Produktion abgehen, unterworfen sind. Die herrschenden Gedanken sind weiter nichts als der ideelle Ausdruck der herrschenden materiellen Verhältnisse, die als Gedanken gefaßten herrschenden materiellen Verhältnisse; also der Verhältnisse, die eben die eine Klasse zur herrschenden machen, also die Gedanken ihrer Herrschaft.«

Den Materialismus auf den Geschichtsprozeß anzuwenden, bedeutete, den Prozeß als einen gesetzmäßigen aufzufassen. Dabei standen M. und E. aber vor dem – bislang theoretisch ungelösten – Widerspruch, daß Geschichte zugleich bewußte Tätigkeit von Subjekten, daß sie nichts anderes als die Gesamtheit menschlicher Handlungen ist. Die Richtung, in der sie die Lösung suchten, ist hier bereits angedeutet: Geht man von den wirklichen Menschen aus, d.h. von den Menschen, wie sie wirken in ihrem tatsächlichen Lebensprozeß, so sind einerseits die Beziehungen zu betrachten, die sie zur Natur eingehen, und andererseits die, welche sie untereinander eingehen, um ihr Leben zu reproduzieren. Diese Beziehungen nannten M. und E. später »Produktivkräfte« und »Produktionsverhältnisse« (hier noch »Verkehrsform« genannt). Beide Arten von Beziehung aber sind den Menschen als objektive gesellschaftliche Verhältnisse vorgegeben, nämlich als Resultat des Handelns vorangegangener Generationen. Die Menschen machen also durchaus ihre Geschichte selbst, aber nicht unter Bedingungen, die sie selbst gewählt haben. Und – wie E. später ergänzte – auch vielfach nicht mit den angestrebten Resultaten, da sich die Handlungen und Zwecksetzungen oft überkreuzen und gegenseitig aufheben, die gesellschaftliche Entwicklung sich also nicht unter der Kontrolle der handelnden Subjekte befindet.

M. und E. kamen nun zu dem Ergebnis, daß die starren, da mit sozialer Herrschaft verbundenen Produktionsverhältnisse in Widerspruch zu den vorwärtsdrängenden, da durch neue Erfahrungen der geschichtlich handelnden Subjekte ständig erweiterten Produktivkräfte geraten können, daß dieser Widerspruch die treibende Kraft der Geschichte darstelle und daß daraus soziale Revolutionen entstehen. In späteren Schriften, insbesondere im Kapital, wurde dann detailliert nachgewiesen, wie die neuen kapitalistischen Produktivkräfte im Schoße der Feudalgesellschaft entstanden waren, wie sie durch die bürgerliche Revolution von den juristischen und politischen Fesseln dieser Gesellschaft befreit worden waren, wie aber im weiteren Fortgang auch die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse wieder zu Fesseln der Produktivkräfte wurden: Diese nahmen nämlich – durch Großproduktion und arbeitsteilige Kooperation – immer stärker gesellschaftlichen Charakter an, während die Eigentums- und Aneignungsverhältnisse privat blieben. Dieser Widerspruch finde seinen Ausdruck im Klassengegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat und seine Auflösung in der sozialistischen Revolution.

Die wesentlichen Elemente des neuen Denkgebäudes waren 1846 also herausgebildet, wenn auch vielfach nur skizzenhaft. Von nun an kann von der Existenz und der Fortentwicklung eines eigenständigen marxistischen Denkens gesprochen werden. Die neuen Gedanken fanden ihren Ausdruck im wachsenden Maße nun auch in einer neuen gesellschaftswissenschaftlichen und philosophischen Terminologie. Die widersprüchliche Einheit von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen hieß später »Produktionsweise«, die Gesamtheit der Beziehungen eines gesellschaftlichen Systems auf einer bestimmten geschichtlichen Stufe hieß »ökonomische Gesellschaftsformation«.

Nicht nur die Gedanken drängten nach Verwirklichung, sondern auch die Wirklichkeit selber drängte zur Tat: Eine neue Revolution stand in Europa unmittelbar bevor. Und zugleich löste sich aus der auf Freiheitsrechte und Parlamentarismus gerichteten, vom liberalen Bürgertum dominierten Bewegung die Arbeiterbewegung immer deutlicher als eine eigenständige heraus. Auf der Ebene der Theoriediskussion setzte nun eine intensivere Auseinandersetzung ein über das Wesen des Kapitalismus und die Ziele des Sozialismus. M. nahm diese Aufgabe 1847 in Angriff mit seiner Polemik gegen die besonders in Frankreich einflußreiche und später den Anarchismus mitprägende Lehre von Proudhon: Das Elend der Philosophie. Antwort auf Proudhons Philosophie des Elendsˆ. Proudhon teile die »Illusionen der spekulativen Philosophie«, indem er die ökonomischen Kategorien für »präexistierende, ewige Ideen« halte statt für »theoretische Ausdrücke historischer Produktionsverhältnisse«. Auf der Ebene der politischen Praxis wirkten M. und E. nun mit, um den »Bund der Kommunisten« als erste internationale Organisation der Arbeiterklasse zu bilden. Im Winter 1847/48 formulierte M. das Programm dieses Bundes, das Manifest der Kommunistischen Partei, um dem »Gespenst des Kommunismus« die wirkliche »Anschauungsweise«, die »Zwecke« und die »Tendenzen« der Kommunisten »vor der ganzen Welt« offen darzulegen. E. hatte dazu mit seiner Schrift Die Grundsätze des Kommunismus die Vorarbeit geleistet. In diesem Manifest wurde die »höchst revolutionäre Rolle« der Bourgeoisie bei der »raschen Verbesserung aller Produktionsinstrumente«, der »unendlich erleichterten Kommunikation«, der Herstellung des Weltmarktes, der politischen Zentralisierung, kurz: der »fortwährenden Revolutionierung aller gesellschaftlichen Verhältnisse« dargestellt. So habe die Bourgeoisie »in ihrer kaum hundertjährigen Klassenherrschaft massenhaftere und kolossalere Produktivkräfte geschaffen als alle vorangegangenen Generationen zusammen«. Zugleich aber habe sie »die Klassengegensätze vereinfacht«, auch »den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt«, also »an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutungen die offene, unverschämte, direkte und dürre Ausbeutung gesetzt«. Die »moderne Staatsgewalt« sei »nur ein Ausschuß, der die gemeinsamen Geschäfte der Bourgeoisklasse verwaltet«. Geschichtstheoretisch behauptet das Manifest: »Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.« Über die geschichtlichen Perioden, die der Errichtung der Klassengesellschaft vorausgingen, war zu diesem Zeitpunkt – wie E. in seinen Anmerkungen zur englischen Ausgabe von 1880 feststellte – noch sehr wenig bekannt. Die immer wiederkehrenden Krisen definierte das Manifest als »Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse«, und das Proletariat als jene Klasse, die, vom Kapitalismus erzeugt, diesen Widerspruch auflösen und die Produktion vergesellschaften werde: »An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.« Das Manifest endete mit dem Aufruf: »Proletarier aller Länder, vereinigt euch«, erhob also den Internationalismus zur zentralen politischen Aufgabe.

Als 1848 die Revolution ausbrach, kehrte M. nach Deutschland zurück und übernahm die Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung, die vom 1. 6. 1848 bis zum 19. 5. 1849 erschien und dazu beitragen wollte, die Revolution voranzutreiben. An den Kämpfen zwischen den Einheiten der Revolution und dem preußischen Militär, das die Revolution schließlich niederschlug, nahm E. – als Adjutant eines Freicorps – in der Pfalz und in Baden selbst teil, ging – nach der Flucht – schließlich nach England und arbeitete dort im »hündischen Commerz« weiter, um auch für seinen Freund M. die materielle Basis zu sichern. Auch M. emigrierte mit seiner Frau zunächst nach Paris und dann nach London. Unter sehr entbehrungsreichen Bedingungen, angewiesen auf die finanzielle Unterstützung seines Freundes E., intensivierte er hier seine Studien und verfaßte seine großen Arbeiten zur politischen Ökonomie, zur Geschichte und zur Auseinandersetzung mit den rivalisierenden Strömungen der Arbeiterbewegung (Bakunismus, Blanquismus, Lassalleanismus); von hier aus wirkte er nach 1864 für die »Internationale Arbeiterorganisation« (die sog. I. Internationale), und hier starb er im Alter von 65 Jahren.

Zu Beginn der 50er Jahre war klargeworden, daß – entgegen den eigenen Erwartungen – ein rascher Sieg der Revolution nicht in Aussicht stand. So wandten sich M. und E. der Analyse der Revolution zu, die 1848/49 ganz Europa ergriffen und in Paris im Juni 1848 bereits zu einer ersten proletarischen Massenerhebung geführt hatte, dann aber überall niedergeworfen worden war und in Frankreich 1852 sogar in der Etablierung einer Diktatur neuen Typs, des Bonapartismus, geendet hatte. Diesem Prozeß, seinen sozialen Grundlagen und seinem politischen Verlauf, widmete M. seine Untersuchungen Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848..1850 und Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte; E. schrieb eine Reihe von Aufsätzen über Revolution und Konterrevolution in Deutschland.

Eine der Schlußfolgerungen lautete, daß die Arbeiterklasse in der sozialistischen Revolution nicht einfach die Regierung übernehmen könne, sondern daß sie den alten Staatsapparat zerbrechen und einen neuen aufbauen müsse. Über dessen Beschaffenheit hatten M. und E. noch keine konkrete Vorstellung. Auch hier war es die Praxis, die zu neuen theoretischen Folgerungen führte: die Pariser Commune von 1871. Das Konzept der proletarischen Diktatur, das an Ideen von Babeuf und Blanqui anschloß, bedeutete in Hinsicht auf die Form die Aufhebung der Gewaltenteilung, die Konzentration aller Macht bei der Volksvertretung, deren Mitglieder gegenüber ihren Wählern rechenschaftspflichtig und von ihnen jederzeit abberufbar sind. Dem sozialen Inhalt nach weist dieses Konzept drei Merkmale auf: »1. Sie (die proletarische Diktatur) ist, zum ersten Mal in der Geschichte, Herrschaft der Mehrheit der Gesellschaft über die Minderheit. 2. Sie ist zum ersten Male Herrschaft der arbeitenden Klasse über die bisher aneignende Klasse 3. Die proletarische Diktatur hat eine ganz bestimmte und geschichtlich begrenzte Aufgabe; sie entfällt daher, wenn die Aufgabe gelöst ist. Die Funktion der Diktatur des Proletariats darf man der Lehre zufolge als eine dreifache bezeichnen: a) Niederhaltung der gestürzten Klasse; Schutz der neuen Ordnung vor jeglicher Restauration des Alten; b) Sicherung des neuen Gemeinwesens nach außen; c) Selbsterziehung des Proletariats für seine neuen Aufgaben« (Werner Hofmann).

In den 50er und 60er Jahren arbeitete M. die Grundlagen der politischen Ökonomie des Kapitalismus weiter aus. Damit sollten nicht nur die inneren Gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen Gesellschaftssystems offengelegt, sondern es sollte zugleich ein Instrumentarium zur Analyse von gesellschaftlichen Prozessen überhaupt entwickelt werden, also eine materialistische Lehre von der Dialektik in der Geschichte. 1857/58 entstanden die Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (die erst 1939 bis 1941 in Moskau publiziert wurden); 1859 erschien die Schrift Zur Kritik der Politischen Ökonomie, deren »Vorwort« berühmt wurde, weil es eine Kurzfassung seiner materialistischen Geschichtsauffassung enthält. Die »Produktion des Lebens« ist für M. zugleich Produktion und Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse, innerhalb derer gearbeitet und das Erzeugte verteilt wird. Und »Produktivkräfte« sind vor allem die arbeitenden Menschen mit ihren Erfahrungen, Kenntnissen und Fähigkeiten – und nicht nur die Werkzeuge und technischen Bedingungen: Diese sind erst das vergegenständlichte Resultat der lebendigen Produktivkräfte.

Diese Lehre versteht sich durchaus als eine empirische Wissenschaft, die von den Tatsachen ausgeht und sich der empirischen Prüfung aussetzt. Auch die bestimmende Rolle der Basis gegenüber dem Überbau sei, wie M. und E. immer wieder betont haben, nicht einfach zu behaupten, sondern in jedem Fall konkret nachzuweisen. Und wer aus dieser dialektischen Beziehung eine direkte Determination der politisch-ideologischen Verhältnisse durch die Ökonomie mache, verwandle diese These in eine »nichtssagende, abstrakte, absurde Phrase«. Diese Lehre begnügt sich allerdings nicht mit den Tatsachen der äußeren Erscheinungswelt: »Alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen.« Das »Wesen« ist also nicht einfach die sich wiederholende, verallgemeinerte Form der Erscheinung, nicht nur deren »Typus« oder »Modell«, sondern das Wesen erklärt die Erscheinung, ist seine tiefere Ursache, ist der gesetzmäßige Zusammenhang der Erscheinungen.

Mit diesem begrifflichen Instrumentarium – Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, von Basis und Überbau und von der ökonomischen Gesellschaftsformation – war eine Möglichkeit geschaffen, die Gesamtheit der ökonomischen, politischen und ideologischen Verhältnisse einer Epoche in ihrer jeweiligen spezifischen Ausprägung und Wechselbeziehung als eine Einheit zu fassen, von der vorangehenden und der folgenden abzugrenzen und zugleich die Menschheitsgeschichte als einen zusammenhängenden Prozeß zu begreifen.

1867 erschien von M. der erste Band des Hauptwerks, Das Kapital. Die beiden folgenden Bände wurden nach seinem Tode von E. herausgegeben. Hier wurden nun die neuen Kategorien angewandt auf die Analyse der kapitalistischen Gesellschaft – und eben durch diese Analyse zugleich auch weiterentwickelt. Als Angelpunkt seiner ökonomischen Lehre betrachtete M. seine Werttheorie. Ihre Bedeutung liegt darin, »daß sie als Theorie der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung von den vordergründigen Vorgängen der Marktwelt auf die Produktion als die Grundlage der physischen und sozialen Erhaltung der Wirtschaftsgesellschaft zurückgewiesen hat« (Werner Hofmann). Danach bemißt sich der Wert einer Ware nach dem Quantum der zu ihrer Herstellung notwendigen Arbeitszeit. Mit der freien Lohnarbeit sei die Arbeitskraft selbst zu einer Ware geworden, deren Wert – wie der jeder anderen Ware – sich bemesse nach den Kosten, die zu ihrer (Re-) Produktion erforderlich sind. (Die Kosten für Aufzucht, Ernährung und Ausbildung der jeweils folgenden Generation von Arbeitskräften sind dabei eingeschlossen.) Die Arbeiter erhalten also den Lohn, der ihnen nach den Prinzipien kapitalistischer Ökonomie zusteht. Für einen »gerechten« Lohn gibt es, wie M. in seiner Kritik des Gothaer Programms ausführt, keine ökonomischen Kriterien. Eine solche Forderung bleibt eine bloß moralische. Diese Ware Arbeitskraft aber hat die besondere Eigenschaft, mehr Wert zu erzeugen, als zu ihrer eigenen Reproduktion notwendig ist. »Mehrwert« wird damit zu einer berechenbaren Größe, »Ausbeutung« von einer moralischen zu einer ökonomischen Kategorie. Und »Kapital« ist danach kein Ding, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen Menschen: Erst der Lohnarbeiter ermöglicht es dem Kapitalisten, sein Geld als Kapital, d.h. als »Mehrwert heckender Wert« fungieren zu lassen. Produktionsmittel stellen nichts anderes als vergegenständlichte Arbeit dar. Erweiterte Reproduktion vollzieht sich im Kapitalismus also durch Akkumulation von Kapital, durch die erneut fremde, unbezahlte Arbeit angeeignet werden kann. Der Form nach handelt es sich also um beständigen Kauf und Verkauf von Arbeitskraft; dem Inhalt nach aber darum, daß sich der Kapitalist mittels vergegenständlichter Arbeit ständig lebendige fremde Arbeit aneignet.

Mit einem neuen Problemfeld befaßte sich E. 1871 in seinem Buch Dialektik der Natur: Auf der Basis der bisherigen Geschichte der Naturwissenschaften und des zeitgenössischen Forschungsstandes unternahm er hier den Versuch, die Beziehung zwischen Philosophie und Naturwissenschaft zu bestimmen. Obgleich das Werk unvollendet blieb (und erst 1925 in der Sowjetunion publiziert wurde), ist es für die Herausbildung der marxistischen Philosophie bedeutsam – obgleich es natürlich in vielen Einzelaussagen durch die seitherige naturwissenschaftliche Forschung überholt ist. E. entwickelte in dieser Schrift eine Klassifizierung der Bewegungsformen der Materie (von der toten Materie über die organische bis zur menschlichen Gesellschaft und zum menschlichen Denken) und leitete daraus eine Klassifizierung der Wissenschaften ab, die für die marxistische Philosophie noch heute richtungweisend ist.

Mittlerweile hatte sich in den entwickelten Ländern Europas die Arbeiterbewegung weitgehend konsolidiert. In Paris hatte sie 1871 in Gestalt der Commune eine Revolution vollzogen, die zwar schon nach zwei Monaten grausam niedergeworfen, von M. aber doch als Modell für den sozialistischen Staat der Übergangszeit angesehen wurde. Im Bürgerkrieg in Frankreich analysierte er sowohl die Geschichte wie auch die paradigmatische Struktur der Commune. In Deutschland war 1875 in Gotha die Sozialistische Arbeiterpartei gegründet worden, in die sowohl lassalleanische wie marxistische Tendenzen eingegangen waren. In seiner Kritik des Gothaer Programms arbeitete M. die Inkonsequenzen und Mißverständnisse der programmatischen Vorstellungen dieser Partei heraus.

1877/78 verfaßte E., beraten von M., sein Hauptwerk: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, bekanntgeworden als Anti-Dühring. Dühring, Privatdozent an der Universität Berlin, hatte mit seinen Ansichten über politische Ökonomie und Sozialismus, die auch antisemitische Momente enthielten, in der Sozialdemokratie der 60er und 70er Jahre einen beträchtlichen Einfluß erlangt, so daß E. sich zu einer grundlegenden Kritik entschloß. Während der Arbeit aber wandte sich diese Kritik ins Positive; »die Polemik schlug um in eine zusammenhängende Darstellung der von Marx und mir vertretenen dialektischen Methode und kommunistischen Weltanschauung«. 1880 entstand aus drei Kapiteln dieser Schrift Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, die eine starke Wirkung in der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung erzeugte und zur meistübersetzten Schrift des Marxismus wurde. In der 1892 verfaßten Einleitung zur englischen Ausgabe prägte E. den Begriff des »historischen Materialismus«. Hier wurde nun die Beziehung zur vierten wesentlichen Quelle des eigenen Denkens genauer bestimmt: zum »utopischen« Sozialismus. Dessen Verhältnis zum »wissenschaftlichen« Sozialismus, über das sich E. und M. auch in anderen Schriften geäußert haben, läßt sich in drei Punkten zusammenfassen: Die Kritik einzelner Erscheinungen des Kapitalismus wird zur umfassenden, die Grundlagen der Gesellschaft betreffenden Kritik. Der moralische Protest gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse wird durch wissenschaftliche Analyse ihrer Ursachen und ihrer immanenten Entwicklungstendenzen ersetzt. Die zukünftige Gesellschaft wird nicht mehr aus dem Kopf konstruiert, spekulativ entwickelt, sondern aus den realen Tendenzen und Widersprüchen der gegebenen Gesellschaft abgeleitet. Der Übergang zur künftigen Gesellschaft wird nicht durch den Appell an die Vernunft oder das Mitleid der Besitzenden und Gebildeten oder durch das gute Vorbild oder durch die Erziehung der Menschen zum Guten bewerkstelligt, sondern durch den Klassenkampf der abhängig Arbeitenden. Die Arbeiterklasse erscheint also nicht mehr als leidende, von anderen zu erlösende, sondern als handelnde, sich selbst befreiende Klasse. Die »Auflösung der Widersprüche« faßt E. so zusammen: »Das Proletariat ergreift die öffentliche Gewalt und verwandelt kraft dieser Gewalt die den Händen der Bourgeoisie entgleitenden gesellschaftlichen Produktionsmittel in öffentliches Eigentum. Durch diesen Akt befreit es die Produktionsmittel von ihrer bisherigen Kapitalherrschaft und gibt ihrem gesellschaftlichen Charakter volle Freiheit, sich durchzusetzen. Eine gesellschaftliche Produktion nach vorherbestimmtem Plan wird so ermöglicht

Die Menschen, endlich Herren ihrer eignen Art der Vergesellschaftung, werden damit zugleich Herren der Natur, Herren ihrer selbst – frei.«

Doch auch die klassenlose Gesellschaft der Zukunft, deren Grundelemente schon in einigen früheren Schriften skizziert worden waren, stellt – wie jede Gesellschaft – einen (stufenförmigen) Entwicklungsprozeß dar. In der ersten Stufe, in der die Gesellschaft »in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig noch behaftet (ist) mit den Muttermalen der alten Gesellschaft«, sollte noch das Prinzip gelten »jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung«. Da die allgemeinen Bedingungen der Klassenunterschiede entfallen, kann auch – wie schon das Manifest festgestellt hatte – die Trennung zwischen geistiger und körperlicher Arbeit allmählich überwunden werden. Auch die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau können aufgehoben werden, die freie Entfaltung der individuellen Liebe könne die Beziehung zwischen den Geschlechtern bestimmen. Und »mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nation fällt die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander«. Der Staat als Herrschaftsinstrument werde überflüssig und daher absterben. »An die Stelle der Regierung über Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen.« Wie schon die Philosophie der Aufklärung, so gehen auch M. und E. davon aus, daß es die Umstände sind, die Menschen zu Verbrechern machen, daß das Strafrecht also, wie bereits Saint-Simon gefordert hatte, in einer gesellschaftlichen Schiedsgerichtsbarkeit aufgehen werde. »Unter menschlichen Verhältnissen wird die Strafe wirklich nichts anderes sein als das Urteil des Fehlenden über sich selbst.«

Mit dem 1884 publizierten Werk Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates nahm E. jenen geschichtlichen Komplex in Angriff, über den es bislang empirisches Material nicht gegeben hatte. Dies war der erste Versuch, nicht nur die vorkapitalistischen Gesellschaftsformationen materialistisch zu erklären, sondern auch die Entstehung der Klassengesellschaft und des Staates aus der (klassenlosen) Urgesellschaft. Besondere Aufmerksamkeit wandte E. dabei der Stellung der Frau zu. Die Entstehung der Unterdrückung der Frau, die Herausbildung des Privateigentums und der Familie und die Errichtung der Klassenherrschaft und des Staates sah er als Momente ein- und desselben geschichtlichen Prozesses. Das ethnologische Material entnahm er den seit den 50er Jahren erschienenen Studien von Morgan und Bachofen.

1888 veröffentlichte E. seine Schrift L. Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie. Sie ist sowohl eine Würdigung der philosophischen Quellen, insbesondere der Werke von Hegel und Feuerbach, wie auch eine systematische Darstellung der eigenen philosophischen Lehre. Zusammen mit der Dialektik der Natur stellt sie gewissermaßen ein Kompendium der marxistischen Philosophie dar. Als die Grundfrage der Philosophie bestimmt E. die Frage nach dem Verhältnis »von Materie und Geist«. Hier »spalteten sich die Philosophen in zwei große Lager. Diejenigen, die die Ursprünglichkeit des Geistes gegenüber der Natur behaupteten, in letzter Instanz eine Weltschöpfung irgendeiner Art annahmen, bildeten das Lager des Idealismus. Die andern, die die Natur als das Ursprüngliche ansahen, gehören zu den verschiednen Schulen des Materialismus.« Der Materialismus ist danach notwendig atheistisch. Vom bloß anschauenden Materialismus aber hebt E. die eigene Lehre deutlich ab: »Naturwissenschaft wie Philosophie haben den Einfluß der Tätigkeit des Menschen auf sein Denken bisher ganz vernachlässigt, sie kennen nur Natur einerseits, Gedanken andrerseits. Aber gerade die Veränderung der Natur durch den Menschen, nicht die Natur als solche allein ist die wesentlichste und nächste Grundlage des menschlichen Denkens, und im Verhältnis, wie der Mensch die Natur verändern lernte, in dem Verhältnis wuchs seine Intelligenz.« In der Erkenntnistheorie verteidigte er die These von der Erkennbarkeit der Welt gegen jegliche Art von Agnostizismus, dessen »schlagendste Widerlegung die Praxis, nämlich das Experiment und die Industrie« seien. Aus der »Materialität« der Welt, die ihre wirkliche Einheit ausmache, bestimmte er Raum und Zeit als Existenzformen der Materie. Die Daseinsweise der Materie aber sei nicht das Sein, sondern das Werden, die Bewegung: Die Welt sei nicht zu begreifen als ein »Komplex von fertigen Dingen«, sondern als ein Komplex von Prozessen, worin die scheinbar stabilen Dinge nicht minder wie ihre Gedankenabbilder in unserem Kopf, die Begriffe, eine ununterbrochene Veränderung des Werdens und Vergehens durchmachen, in der bei aller scheinbaren Zufälligkeit und trotz aller momentanen Rückläufigkeit schließlich eine fortschreitende Entwicklung sich durchsetzt. Die dialektische Denkweise sei also nicht etwas, was man annehmen könne oder auch nicht, sondern stelle die Widerspiegelung der realen Bewegungsgesetze der Materie dar. Diese Gesetze finden in den verschiedenen Bewegungsformen der Materie allerdings auf sehr unterschiedliche Weise Ausdruck: »In der Natur sind es – soweit wir die Rückwirkung der Menschen auf die Natur außer acht lassen – lauter bewußtlose blinde Agenzien, die aufeinander einwirken und in deren Wechselspiel das allgemeine Gesetz zur Geltung kommt Dagegen in der Geschichte der Gesellschaft sind die Handelnden lauter mit Bewußtsein begabte, mit Überlegung oder Leidenschaft handelnde, auf bestimmte Zwecke hinarbeitende Menschen.«

Daß die Geschichte eine fortschreitende Bewegung darstelle, war schon von der Aufklärungsphilosophie formuliert worden; Herder und Hegel hatten diese Bewegung bereits als Prozeß unterschiedlicher Stufen gefaßt. Für M. und E. findet dieser Prozeß (entgegen einem weitverbreiteten Vorurteil) auch in der kommunistischen Gesellschaft kein Ende. Genau genommen ist erst dann die Herausarbeitung aus dem Tierreich abgeschlossen: »Die Gesetze ihres eignen gesellschaftlichen Tuns, die ihnen bisher als fremde, sie beherrschende Naturgesetze gegenüberstanden, werden dann von den Menschen mit voller Sachkenntnis angewandt und damit beherrscht Erst von da an werden die Menschen ihre Geschichte mit vollem Bewußtsein selbst machen, erst von da an werden die von ihnen in Bewegung gesetzten gesellschaftlichen Ursachen vorwiegend und in stets steigendem Maße auch die von ihnen gewollten Wirkungen haben. Es ist der Sprung der Menschheit aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit.« Auch die geschichtliche Bewegung ist dabei zu fassen als eine dialektische, als Einheit und Auseinandersetzung der Gegensätze, in der es Bestimmendes und Bestimmtes gibt und doch das bedingte auf das bedingende Moment (z.B. das Bewußtsein auf das Sein) aktiv zurückwirkt, so daß insgesamt die Bewegung als umfassende Wechselwirkung erscheint.

Diese Lehre ist also nicht monokausal. Sie ist aber andererseits auch keine bloße Faktorentheorie, in der ökonomische, politische und ideologische Momente, Sein und Bewußtsein, »irgendwie« zusammenwirken. Was das Bedingende und was das Bedingte ist, kann nicht beliebig entschieden werden, sondern ist von der Wirklichkeit selbst vorgegeben. Die dialektische Fassung der Beziehung zwischen Sein und Bewußtsein eröffnete auch die Möglichkeit, Bewußtsein als mehr oder minder adäquat gegenüber dem Sein, auch als (partiell) falsch, als gegenüber dem Sein im Irrtum befindlich zu fassen und zugleich die Gründe für den Irrtum im Sein selbst, in den realen Lebensverhältnissen aufzufinden. Von hier aus konnte dann eine marxistische Ideologietheorie entwickelt werden.

Nicht weniger bedeutsam als die »großen« Werke ist schließlich die Korrespondenz, die E. insbesondere mit Repräsentanten der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung – u. a. mit August Bebel, Franz Mehring, Friedrich Albert Sorge, Karl Kautsky, Joseph Bloch – führte. Allein diese »Altersbriefe« haben einen Umfang von vier Bänden. Nahezu alle Fragen der marxistischen Theorie wurden hier aufgegriffen und – meist sehr anschaulich – erläutert. E. machte hier Front sowohl gegen Vulgarisierungen linksradikaler wie auch mechanistischer und deterministischer Art, aber auch gegen den in der Sozialdemokratie aufkommenden Revisionismus.

Das von M. und E. entwickelte Denken stellte eine geistige Revolution dar sowohl in der Gesellschafts- und Geschichtstheorie wie auch in der Philosophie. Da dieses Denken die Einheit von Theorie und Praxis lehrte, auf Eingreifen in die Praxis abzielte und konkret verbunden war mit jener sozialen Bewegung, die der industrielle Kapitalismus selbst hervorgebracht hatte, mit der Arbeiterbewegung, wuchs seine Wirkung in dem Maße, in dem die Arbeiterklasse anwuchs und zum Bewußtsein ihrer eigenen Lage gelangte, von der »Klasse an sich« zur »Klasse für sich« wurde. Und da mit der Ausbreitung des Kapitalismus über die ganze Welt auch diese soziale Konfliktlinie zu einer globalen wurde, breitete sich auch marxistisches Denken in allen Regionen des Erdballs aus. »Diese proletarische Weltanschauung macht jetzt die Reise um die Welt«, stellte E. schon im Jahr 1886 fest. Manche der Resultate von M. und E. sind in der Folge von den bürgerlichen Sozialwissenschaften aufgenommen worden; so z.B. daß Denkweisen aus gesellschaftlichen Bedingungen zu erklären sind, daß die soziale Struktur und die Arbeitsteilung der Gesellschaft eine bestimmte Interessenstruktur und bestimmte politische Mentalitäten erzeugen, daß Maschinenwelt und industrielle Arbeitsweise Entfremdung bedeuten oder daß Wissenschaft eine politische Orientierungsfunktion haben kann. Auch die Erkenntnis, daß Gesellschaft ein Gesamtzusammenhang von ökonomischen, politischen, kulturellen und ideologischen Momenten darstellt, konnte akzeptiert werden. Was jedoch keinesfalls hingenommen werden konnte, war erstens die materialistische Auffassung von Gesellschaft, die Lehre von Basis und Überbau, und zweitens die Geschichtstheorie, die Lehre von historischen Entwicklungsgesetzen und von der Aufeinanderfolge verschiedener Gesellschaftsformationen, die auch die geschichtliche Begrenztheit des Kapitalismus implizierte.

Aber auch diejenigen, die, auf der Seite der Arbeiterbewegung stehend, sich als Marxisten verstanden, hatten ihre Schwierigkeiten. Ihre Versuchung bestand vor allem darin, dieses Denken als ein fertiges Rezept aufzufassen, das auf alle auftretenden Probleme schon vorab die richtige Antwort enthielt, als einen Katalog von ein für allemal richtigen Aussagen, kurzum: als ein dogmatisches System, das nur noch der Auslegung bedurfte. Dort, wo der Marxismus zur Staatsideologie wurde und sich mit Machtinteressen verband, verkam er in manchen Fällen zur bloßen Zitatologie. M. und E. haben dagegen sehr eindringlich durch ihre eigenen Arbeiten immer wieder betont und gezeigt, daß es ein ein für allemal fertiges Schema nicht geben kann. Da die Wirklichkeit selbst in ständiger Bewegung begriffen ist und da die Einzelwissenschaften immer neue Erkenntnisse hervorbringen, kann auch marxistische Wissenschaft nur als Prozeß begriffen werden, der voranschreitet zu tieferer und umfassenderer Erkenntnis der Wirklichkeit. Selbstverständlich sind viele Aussagen über ethnologische und geschichtliche, über biologische und physikalische Sachverhalte überholt durch neuere Forschungen. Und auf eine ganze Reihe von Problemen findet sich bei M. und E. überhaupt keine oder allenfalls nur eine grob skizzierte Antwort – weil diese Probleme zu ihrer Zeit noch nicht existierten oder weil sie keine Zeit fanden, diesen Problemen nachzugehen. So bleiben die Theorien über den Staat, über Probleme des gesellschaftlichen und individuellen Bewußtseins, über die Beziehung der Geschlechter und über die Herausbildung der Klassengesellschaft höchst fragmentarisch.

Kritisch angeeignet und schöpferisch angewandt, hat sich allerdings marxistische Wissenschaft als außerordentlich fruchtbar erwiesen. Was sie bei der Analayse geschichtlicher Prozesse (wie der beiden Weltkriege), sozialökonomischer Entwicklungen (wie der Wirtschaftskrisen und der Verelendung in der Dritten Welt), aber auch bei der philosophischen Interpretation naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse seit M. und E. erbracht hat, demonstriert die Leistungsfähigkeit dieses Instrumentariums. Daß die Verbreitung gerade dieser Erkenntnisse immer aufs neue behindert wird, hat seinen Grund übrigens in eben jenen sozialen Strukturen und Interessen, die M. und E. zum ersten Mal wissenschaftlich durchleuchtet haben.

Wheen, Francis: Karl Marx. München 2001. – Braun, Eberhard: Aufhebung der Philosophie. Marx und die Folgen. Stuttgart 1992. – Hofmann, Werner, unter Mitwirkung von Abendroth, Wolfgang/Fetscher, Iring: Ideengeschichte der sozialen Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Berlin/New York 61979. – Schleifstein, Josef: Einführung in das Studium von Marx, Engels und Lenin. München 1972. – Fetscher, Iring: Karl Marx und der Marxismus. München 1969.

Reinhard Kühnl

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