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Metzler Philosophen-Lexikon: Leukipp

Geb. zwischen 480 und 470 v. Chr. in Milet;

gest. in Abdera

Von L.s Leben wissen wir so gut wie nichts. Diese Unsicherheit und die nahezu gänzliche Verdrängung seiner Lehren durch die seines Schülers Demokrit führten dazu, daß schon Epikur an L.s Existenz Zweifel äußerte. Doch ist uns L. als historische Gestalt durch Aristoteles und seine Nachfolger glaubhaft bezeugt. Für sie ist L. der Begründer der Atomtheorie und Demokrit sein Schüler.

Geboren wurde L. vermutlich in Milet. Später wanderte er in das unteritalische Elea aus, wo er als Schüler des Zenon die Seinslehre des Parmenides kennenlernte. Der strikte Monismus des Parmenides vermochte das Entstehen des Vielen nicht zu erklären. Deshalb ging L. von einer unbegrenzten Zahl kleinerer Atome aus, die jedoch in dem Sinne eins waren, daß sie substantiell homogen waren. Auf sie übertrug er die Prädikate, die Parmenides seinem Seienden zugesprochen hat: raumfüllend und dicht, absolut unteilbar (d.h. »átoma«), in sich ohne Bewegung, unveränderlich und damit ewig. Dem Postulat der eleatischen Schule, das Nichtseiende existiere nicht, wird die kühne Behauptung gegenübergestellt, das Nichtseiende – das Leere – sei, auch wenn es ein wahres Nichts sei. Denn wenn die Atome getrennt existierten und sich bewegten, müsse es etwas geben, was sie trenne und worin sie sich bewegten: das (unendliche) Leere. Die Bewegung der Atome ist ohne Anfang und Ende. Sie ist eine Ureigenschaft des Stoffes selbst. Hier spürt man noch den Einfluß der milesischen Hylozoisten, die den Stoff als von sich aus bewegt angesehen haben. Durch ihr ständiges Bewegtsein kommen die Atome in Kontakt: Sie kollidieren, prallen ab oder verhaken sich. Ihre ephemere (physikalische) Verbindung bedeutet das Entstehen eines mit sinnlich wahrnehmbaren Qualitäten ausgestatteten Körpers, ihre Trennung seine Zerstörung. Das entstandene Ding ist aber nur scheinbar Eines; denn es ist kein Kontinuum, sondern Materie aus zahllosen Atomen, die durch Hohlräume getrennt sind und so ihre Bewegung beibehalten. Die Mannigfaltigkeit der sichtbaren Gegenstände beruht darauf, daß sich die Atome durch Form, Anordnung und Lage voneinander unterscheiden. Wie alle frühen griechischen Naturphilosophen hat L. sein Weltbild in Form einer Kosmogonie dargestellt. Weltenbildung wird, wenn sich zahlreiche vielgestaltige Atome aus der großen Atommasse absondern, in das »große Leere« (d.h. in den Raum) fallen und zusammengeballt einen Wirbel erzeugen. Dabei weichen die feineren Atome nach außen, die übrigen strömen im Zentrum zusammen und formen das, was wir Erde nennen. Nach außen hin schließt das Ganze durch eine Membran aus verflochtenen Atomen ab, aus denen sich die feurige Substanz der Gestirne bildet. Seine Lehre trug L. im thrakischen Abdera vor, wohin er im gereiften Alter übergesiedelt war. Gegenüber einem System, das die Welt des Vergehens und Werdens und die Fülle der Phänomene als bloßen Schein abtat, entwickelte L. eine Philosophie, die eben das erklärt und die Realität rettet. Das Naturgeschehen wird konsequent mechanisch erklärt. »Nichts geschieht aufs Geratewohl, sondern alles aus einem Grund und durch Notwendigkeit.«

Gadamer, Hans-Georg: Antike Atomtheorie. In: ders.: Gesammelte Werke, Bd. 5. Tübingen 1985. – Bailey, Cyril: The Greek Atomists and Epicurus. Oxford 1928, Nachdruck 1964.

Klaus-Dieter Zacher

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