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Metzler Lexikon Philosophie: Achtung

ein Begriff der Ethik, der in verschiedener Hinsicht verwendet wird: (1) I. S. einer allgemeinen moralischen A. beinhaltet er das Postulat, die moralisch relevanten Tatsachen zu berücksichtigen: andere nicht zu verletzen, nicht zu täuschen oder zu benachteiligen; (2) i.S. von Respektierung anderer im Hinblick auf eine objektive Werteigenschaft, die allen Personen zukommt. Die A. gründet z.B. darin, dass man jede Person für wertvoll hält, weil sie ein zur Selbstbestimmung fähiges Wesen ist (Dilthey); (3) i.S. von Wertschätzung: Eine Person genießt A., da sie bestimmte positive Eigenschaften auf exemplarische Weise verkörpert. Die moralische Wertschätzung richtet sich auf eine bestimmte Qualität als Person, die wir an allen Personen auf die gleiche Weise schätzen; (4) i.S. der Wertschätzung eines absoluten Werts, der apriori erkannt wird: Die moralische A. des anderen um seiner selbst willen, als Selbstzweck, die es verbietet, ihn als Mittel für einen Zweck zu benutzen. – In der Ethik bzw. Moralphilosophie wird die A. noch nach zwei Gesichtspunkten thematisiert: (1) nach dem motivationalen Aspekt moralischen Handelns und (2) hinsichtlich des Aspekts der Wertgenese. (1) Sowohl bei Kant wie in empirisch-psychologisch begründeten Theorien des Personenbegriffs, dem Konzept Selbstbejahung und Selbstachtung und der Konzeption des sinnvollen Lebens, wird die Frage des motivationalen Aspekts aufgeworfen: Für Kant stellt die A. eine sinnliche Triebfeder des Handelns dar, die sich von den sonstigen Neigungen dadurch unterscheidet, dass sie nicht von dem Lust-Unlust-Prinzip geleitet ist. Als A. für das Gesetz repräsentiert sie einerseits das Bewusstsein einer freien Unterwerfung des Willens unter das allgemeine Sittengesetz und stellt andererseits ein Gefühl dar, das durch Vernunft bewirkt ist. Sie fungiert als Triebfeder dafür, das Sittengesetz in sich zur Handlungsmaxime zu machen. Das Konzept eines empirisch-psychologischen Personenbegriffs bindet die Einstellung der moralischen A. an die Möglichkeit der Entwicklung zu einer sinnvollen persönlichen Identität zurück: Moralität stellt eine notwendige Bedingung dafür dar, dass man sein Leben als sinnvoll erfahren kann (praktische Identität). Dies ist nur dann erreichbar, wenn die Person sich in Tätigkeiten verwirklichen kann und zur Aufnahme erfüllter persönlicher Beziehungen in der Lage ist. Deshalb stellt die im Kindesalter gemachte Erfahrung einer affektivemotional positiven Beziehung die notwendige Bedingung für personale Identität und Selbstachtung dar. Aus der Selbstachtung folgt die Fähigkeit zur moralischen Einstellung der Rücksichtnahme gegenüber anderen. Die Konzeption des sinnvollen Lebens gibt die affektiven Beziehungserlebnisse der Liebe und der Freundschaft als Basis für das Ideal des gemeinsamen guten Lebens an, das sich in reziproken Achtungsbeziehungen zwischen sich selbst verwirklichenden Individuen realisiert. Diese stellen die Ausgangsbedingungen für die Frage, wie ich mir insgesamt meine Beziehungen zu anderen vorstelle, dar. – (2) Bei Scheler setzt jede Sollensgrundlage, die A. fordert, das Fühlen eines Wertes und dessen verpflichtenden Charakters voraus. Dilthey entwickelt die A. vor dem Selbstwert anderer aus dem Mitleidsgefühl bzw. dem Gefühl der Solidarität: Die Erfahrung der Homogenität mit anderen Menschen-Naturen hinsichtlich der Interessen und ähnlichen Gefühlsregungen führt zur Entdeckung einer selbstbewussten Willensstruktur im anderen. Wo ein Selbstbewusstsein auftritt, existiert ein Selbstzweck, dem man nicht die A. verweigern kann.

Literatur:

  • W. Dilthey: System der Ethik (Gesammelte Schriften Bd. X). Göttingen 21965. §§ 16, 17
  • I. Kant: Kritik der praktischen Vernunft
  • M. Scheler: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Werteethik (Gesammelte Werke Bd. 2). Bern 1954
  • E. Tugendhat: Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung. Frankfurt 1979
  • Ders.: Retraktationen. In: Probleme der Ethik. Stuttgart 1984. S. 132–176
  • Ders.: Vorlesungen über Ethik. Frankfurt 1993
  • A. Wildt: Autonomie und Anerkennung. Stuttgart 1982
  • U. Wolf: Das Problem des moralischen Sollens. Berlin/New York 1984.

PP

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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