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Metzler Lexikon Philosophie: Archäologie

Mit Levinas kann man sagen, dass jegliche Vernunftphilosophie auf eine A. hinausläuft, insofern sie sich auf einen absoluten Ursprung, auf erste, unhintergehbare Gründe und Prinzipien des Seins bzw. des Denkens beruft, wie es die Metaphysik traditionell verlangt (Aristoteles: Met. A 982 b 7 ff.; E. Levinas: Humanismus des Anderen Menschen. Hamburg 1989. S. 69 ff.). Abgesehen davon hat sich ein eher metaphorischer Gebrauch des Begriffs in vielfach nur vager Anlehnung an die A. als Wissenschaft durchgesetzt. Vor allem Freud hat mehrfach methodische Parallelen zwischen der Arbeit der Psychoanalyse und der A. gezogen. Dagegen wird der Begriff terminologisch v.a. (1) im Rahmen einer phänomenologisch-hermeneutischen A. und (2) der Foucault’schen A. des Wissens gebraucht. (1) Anspielend auf die Aufgaben einer naturgeschichtlichen A., deren Aufgaben bereits Kant umrissen hat (KU, § 82), skizziert Husserl (1932) das Programm einer phänomenologischen A., die von der vorliegenden »Erfahrungswelt« in transzendentaler Perspektive auf die ihr zugrundeliegenden »archai« als die Erfahrung konstituierenden »Sinnesleistungen« zurückgeht, aus denen umgekehrt die konstituierte Erfahrungswelt »sinngenetisch« verständlich werden soll (A. Diemer: E. Husserl. Meisenheim 21965. S. 11). Die phänomenologisch-archäologische Rückfrage nach Präsuppositionen, die der konstituierten Erfahrung inhärent sind, wird auf diese Weise ergänzt durch eine invers gedachte Teleologie des Aufbaus präsumierten Sinns. Während die archäologische Rückfrage bereits konstituierten Sinn zerlegt und auf seine sinngenetischen Voraussetzungen hin befragt, beansprucht die teleologische Rekonstruktion der Erfahrung, ihren originären Aufbau in produktiven Sinnesleistungen verständlich zu machen. Analog konzipiert Ricœur in Anlehnung an die psychoanalytische A. eine lebensgeschichtliche A. des Wunsches, der das leibhaftige Sein des Subjekts inspiriert, als Gegenstück zu einem teleologischen Streben des Subjekts nach bewusster »Wiederaneignung« seiner Existenz. Dieses Zusammenspiel von A. und Teleologie wird sowohl als der Lebensgeschichte immanent beschrieben, als auch zur methodischen Grundlage der Philosophie geschichtlicher Existenz, die – auf den Spuren Hegels – behauptet, dass sich die A. der leibhaftigen Existenz nachträglich in bewussten Gestalten der Erfahrung enthüllt, die jene in sich aufhebt. (2) Sowohl von dieser hegelschen Denkfigur als auch vom psychoanalytisch-phänomenologischen Ansatz abweichend konzipiert Foucault eine wissensgeschichtliche A., die sich auf die historischen Bedingungen der Ermöglichung neuartiger Wissensformationen bezieht. Sie rekurriert dabei explizit nicht auf Ursprünge, sondern auf kontingente Anfänge, ohne ein Subjekt zu unterstellen, das die aus ihnen hervorgehenden Ordnungen in einer Teleologie der Vernunft aufzuheben vermöchte. Gegenstand der A. des Wissens sind dessen variable diskursive Formationen, die sich in »Aussagen« niederschlagen. Im konsequenten Verzicht auf den Rückgang auf erste Prinzipien und Ursachen entpuppt sich diese A. paradoxerweise sowohl als an-archisch als auch als a-teleologisch.

Literatur:

  • K. Ebeling/S. Altekamp (Hg.): Die Aktualität des Archäologischen. Frankfurt 2004
  • M. Foucault: Die Ordnung der Dinge. Frankfurt 1974. S. 22–26
  • Ders.: Archäologie des Wissens. Frankfurt 1973. S. 193 ff
  • B. Liebsch: Archeological Questioning. In: P. Burke/J. V d. Veken (eds.): Merleau-Ponty in Contemporary Perspective. Boston/Dordrecht 1993. S. 13–24
  • P. Ricœur, Die Interpretation. Frankfurt 1974
  • A. Vergote: La psychanalyse. In: Savoir, faire, espérer. T. 2. Bruxelles 1976. S. 479–504.

BL

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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