Direkt zum Inhalt

Metzler Lexikon Philosophie: Atomismus

(1) Bezeichnung für naturphilosophische Positionen in der Antike, die von den Grundannahmen ausgehen, (a) dass die Materie aus Atomen zusammengesetzt sei, (b) dass das Naturgeschehen aus den Eigenschaften der Atome erklärbar sei. Ausgehend von Leukipps Lehre, dass sich unendlich viele unveränderliche Atome im leeren Raum bewegen, entwickelte dessen Schüler Demokrit die These, dass die Verschiedenheit und Veränderlichkeit der Dinge in den verschiedenen Konfigurationen und Bewegungsmöglichkeiten der Atome, die unterschiedliche Gestalt und Größe besitzen, begründet sind.

(2) Als logischen A. hat Russell seine Art philosophischer Analyse bezeichnet. Dabei geht er von der Überzeugung aus, dass es viele einzelne Dinge gibt und dass die augenscheinliche Mannigfaltigkeit in der Welt nicht nur aus scheinbaren Bestandteilen einer einzigen unteilbaren Realität besteht. Diese Überzeugung bezeichnet er als atomistische Logik und die zugehörige Theorie logischen A., weil die Atome, zu denen er als den letzten unzerlegbaren Bestandteilen bei der Analyse kommt, nicht physikalische, sondern logische Atome sind. Diese Atome oder letzten Elemente sind zum einen die Dinge, die er Individuen nennt, und zum anderen die Prädikate und Relationen (verschiedener Ordnung). Als letzte Elemente, aus denen die Welt besteht, behauptet Russell noch eine andere Art von Objekten, die uns in der Welt begegnen, nämlich die Tatsachen. Die Tatsachen sind die Dinge, die mit Hilfe von Aussagen behauptet oder verneint werden. Die Außenwelt, nach deren Erkenntnis wir streben, kann also nicht durch die Aufzählung von Individuen vollständig beschrieben werden, vielmehr muss man auch die Tatsachen in Betracht ziehen. Wenn wir von einem bestimmten Ding sagen, dass es eine bestimmte Eigenschaft hat oder in einer bestimmten Relation zu einem anderen steht, drücken wir eine Tatsache aus. Unter einer Tatsache versteht Russell diejenigen Dinge, die eine Aussage entweder wahr oder falsch machen. z.B. ist die Aussage »es regnet« bei einem bestimmten Zustand des Wetters wahr und bei einem anderen Zustand falsch. Der Zustand des Wetters, der die Aussage wahr oder falsch macht, ist das, was er als Tatsache bezeichnet. Er unterscheidet folgende Arten von Tatsachen: (a) singuläre (z.B. »dies ist weiß«) von generellen (z.B. »alle Menschen sind sterblich«), (b) positive (»Sokrates lebte«) von negativen (»S. lebte nicht«), (c) Tatsachen, die einzelne Dinge oder Qualitäten betreffen, von vollkommen generellen, wie sie uns in der Logik begegnen, (d) Tatsachen über Eigenschaften von Einzeldingen und solche von Relationen zwischen zwei oder mehreren Dingen. Die singuläre Aussage »dies ist weiß« stellt die einfachste Art einer Tatsache dar, die Relation zwischen zwei Individuen die nächsteinfache. Aufgrund dieser Einfachheit bezeichnet sie Russell als atomare Tatsachen. Jede Tatsache wird durch einen Satz bzw. eine Aussage ausgedrückt. Den atomaren Tatsachen entspricht die atomare Aussage. Diese enthält die Eigennamen, die für Individuen stehen, und ein Prädikat, wenn eine einstellige Relation oder Qualität bezeichnet wird, oder ein Verb, wenn eine Relation höherer Ordnung bezeichnet wird. Ein Eigenname im logischen Sinn, dessen Bedeutung ein Individuum ist, kann nur auf ein Individuum angewendet werden, mit dem der Sprecher bekannt ist. Die molekularen Aussagen, die Russell noch anführt, stellen Verknüpfungen von atomaren Aussagen dar, die mit Hilfe der Satzoperatoren »und«, »oder«, »wenn« vollzogen werden. Jeder sinnvolle Satz lässt sich mittels vollständiger logischer Analyse in eine Wahrheitsfunktion von nicht weiter analysierbaren Elementarsätzen umwandeln. In der weiteren Analyse verweist Russell noch auf die notwendige Differenzierung zwischen einer Aussage und Aussagefunktion und die Differenzierung zwischen Individuen und Klassen. Eine Aussage kann entweder wahr oder falsch sein, dagegen können die Modalitäten »notwendig«, »möglich« und »unmöglich« nicht auf Aussagen, sondern nur auf Aussagefunktionen angewendet werden. Eine Aussagefunktion ist ein Ausdruck, der einen oder mehrere indeterminierte Bestandteile enthält (z.B. »wenn x ein Mensch ist, ist x sterblich«) und zu einer Aussage wird, sobald diese indeterminierten Bestandteile determiniert sind. Die Differenzierung zwischen Individuen und Klassen ist notwendig, um logische Antinomien zu vermeiden. Eine Klasse kann nicht denselben Status wie ein Ding haben, vielmehr sind Klassen logische Fiktionen, die hierarchisch anzuordnen sind, beginnend mit den Klassen (des ersten Typs), deren Elemente Individuen sind, dann den Klassen (zweiten Typs), deren Elemente die Klassen ersten Typs sind usw. Es ist unmöglich, dass eine Klasse eines Typs mit einer Klasse eines anderen Typs identisch sein kann. Typentheorie.

Literatur:

  • B. Russell: Die Philosophie des Logischen Atomismus. München 1976. S. 178 ff.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
KDZ Klaus-Dieter Zacher, Berlin
KE Klaus Eck, Würzburg
KG Kerstin Gevatter, Bochum
KH Kai-Uwe Hellmann, Berlin
KHG Karl-Heinz Gerschmann, Münster
KHL Karl-Heinz Lembeck, Würzburg
KJG Klaus-Jürgen Grün, Frankfurt a.M.
KK Klaus Kahnert, Bochum
KRL Karl-Reinhard Lohmann, Witten
KS Kathrin Schulz, Würzburg
KSH Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg
LG Lutz Geldsetzer, Düsseldorf
LR Leonhard Richter, Würzburg
MA Mauro Antonelli, Graz
MB Martin Beisler, Gerbrunn
MBI Marcus Birke, Münster
MBO Marco Bonato, Tübingen
MD Max Deeg, Cardiff
MDB Matthias Bloch, Bochum
ME Michael Esfeld, Münster
MFM Martin F. Meyer, Koblenz/Landau
MK Matthias Kunz, München
MKL Martin Kleinsorge, Aachen
MKO Mathias Koßler, Mainz
ML Mark Lekarew, Berlin
MLE Michael Leibold, Würzburg
MM Matthias Maring, Karlsruhe
MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
MQ Michael Quante, Köln
MR Mathias Richter, Berlin
MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
MS Manfred Stöckler, Bremen
MSI Mark Siebel, Hamburg
MSP Michael Spang, Ellwangen
MSU Martin Suhr, Hamburg
MW Markus Willaschek, Münster
MWÖ Matthias Wörther, München
NM Norbert Meuter, Berlin
OB Oliver Baum, Bochum
OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
RL Rudolf Lüthe, Koblenz
RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
SP Stephan Pohl, Dresden
SZ Snjezana Zoric, Würzburg
TB Thomas Bausch, Berlin
TBL Thomas Blume, Dresden
TF Thomas Friedrich, Mannheim
TG Thomas Grundmann, Köln
TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
TK Thomas Kisser, München
TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.