Metzler Lexikon Philosophie: Erfahrung, ästhetische
weitgehend synonym mit »ästhetischer Einstellung«, »ästhetischem Erleben« oder »ästhetischer Anschauung«. Es wird diskutiert, ob ä.E. sich durch eine spezielle (1) Einstellung zu ihren Gegenständen, (2) Fähigkeit oder (3) Funktion von anderen Erfahrungstypen unterscheidet. (1) Oft wird die Einstellung in der ä.E. als nicht-zweckorientiertes »interessenloses Wohlgefallen« bzw. als »psychische Distanz« gegenüber ihrem Gegenstand beschrieben. Nach H. R. Jauß kann ä.E. den Menschen »in ein Gegenüber zur Rolle bringen, das ihn vom Zwang und der Routine alltäglicher Rollen spielerisch freisetzt. Dieser innere Abstand entspringt der ästhetischen Einstellung des Spiels, freiwillig tun zu können, was man sonst im Ernst tun muß.« (2) Für F. Hutcheson (und Shaftesbury) gibt es einen speziellen (inneren) Schönheitssinn für ä.E. Für den Rationalismus ist ä.E. (bzw. »sinnliche Erkenntnis«) die spezielle Leistung des unteren Erkenntnisvermögens. Für E. Burke findet ä.E. als Zusammenspiel der gewöhnlichen sinnlichen Vermögen statt. Nach B. Croce besteht ä.E. in einer aktiven Bedeutungsschöpfung, an der alle menschlichen Fähigkeiten beteiligt sind. (3) Nach F. v. Kutschera ist ä.E. »eine Form äußeren Erlebens, in die die Aufmerksamkeit sich auf die sinnliche Erscheinungsweise des Gegenstandes richtet«. Für Schelling hat das Kunstwerk über seine sinnliche Dimension hinausweisende Erkenntnisfunktion, weil es »instinktmäßig … eine Unendlichkeit [darstellt] … welche ganz zu entwickeln kein Verstand fähig ist«. Somit ist das Kunstwerk »das einzig wahre und ewige Organon … der Philosophie« und die »ästhetische Anschauung nur die objektiv gewordene transzendentale«. Für J. Dewey (vgl. auch Schiller, Aristoteles, die Marxistische Ästhetik) hat ä.E. eine pädagogisch-soziale Funktion als »a manifestation, a record and celebration of the life of a civilization, a means of promoting its development, and … the ultimate judgement upon the quality of a civilization.«
Literatur:
- Zu (1): H. R. Jauß: Ästhetische Erfahrung und literarische Hermeneutik. Frankfurt21984
- I. Kant: Kritik der Urteilskraft
- J. Stolnitz: Aesthetics and Philosophy of Art Criticism. Boston 1960
- Zu (2): A. G. Baumgarten: Aesthetica. Frankfurt 1750–1758. In: Ders.: Theoretische Ästhetik. Die grundlegenden Abschnitte der Aesthetica. Hg. v. H. R. Schweizer. Hamburg 1988
- E. Burke: Philosophische Untersuchungen über den Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen. Hamburg 1980
- B. Croce: Estetica com scienza dell’ espressione e linguistica generale. Mailand/Palermo/Neapel 21903 (dt. Ästhetik als Wissenschaft des Ausdrucks und Allgemeine Linguistik. Theorie und Geschichte. Übers. von K. Federn. Leipzig 1905)
- F. Hutcheson: Inquiry into the Origin of Our Ideas of Beauty and Virtue. 51735. In: Collected Works of F.Hutcheson. Bd. 1. Hg. v. B. Fabian. Hildesheim 1971
- Zu (3): J. Dewey: Art as Experience. New York 1934. In: Ders.: The Later Works. Bd. 10. Hg. v. J. A. Boydston. Carbondale/Edwardsville 1987. S. 329
- F. v. Kutschera: Ästhetik. Berlin/New York 1989. S. 74
- F. W. J. Schelling: System des transzendentalen Idealismus. 1800. In: Ders.: Ausgewählte Schriften. Bd. 1. Hg. v. M. Frank. Frankfurt 1985. S. 687 f., 695.
MRM
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