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Metzler Lexikon Philosophie: Erkenntnis

Die Bedeutung des Begriffs kann man über die Analyse des Begriffs »erkennen« ermitteln. »Erkennen« wird in der Regel als Erwerb von Wissen aufgefasst. Immer wenn wir über ein Wissen verfügen, haben wir auch eine E. gleichen Inhalts. Deshalb wird der Erkenntnisbegriff durch eine Analyse des Wissensbegriffs verdeutlicht. Damit man davon sprechen kann, dass eine Person A etwas weiß, müssen die folgenden Bedingungen erfüllt sein: (1) Wenn A sagt, sie wisse, dass ihr Name Müller sei, dann kann es nicht der Fall sein, dass sie dies wirklich weiß und dass sie Meier heißt. Wenn eine Überzeugung ein Wissen ist, muss die Überzeugung wahr sein, sonst wäre sie kein Wissen, sondern ein Irrtum. (2) Wenn A eine Meinung p äußert, die zwar wahr ist, von der A selbst aber nicht glaubt, dass sie wahr ist, kann man nicht von Wissen sprechen. A äußert zwar einen wahren Satz, aber dass A selbst p weiß, wird man A absprechen. A muss meinen, dass p, d.h. Wissen ist nach (1) und (2) eine wahre Meinung. (3) A könnte allerdings nur zufällig geraten haben, dass p wahr ist. In diesem Falle würde man A wiederum kein Wissen von p zuschreiben. Es muss zusätzlich auch noch Gründe geben, um zu meinen, dass p. Wissen ist demnach eine wahre begründete Meinung (so auch Platon im Theaitetos). (4) Dass es derartige Gründe gibt, reicht aber immer noch nicht hin, um von Wissen zu sprechen. Es könnte sein, dass p begründet ist, aber A die relevanten Gründe gar nicht kennt. In diesem Fall wird man A immer noch kein Wissen von p zusprechen. A muss die Gründe für p selbst haben, also kennen (Dieser Punkt wird z.B. vom »epistemischen Externalismus« bestritten). (5) E. Gettier hat darauf hingewiesen, dass zudem angenommen werden muss, dass A nicht nur irgendwelche, sondern die richtigen Gründe für p haben muss, um p zu wissen. Richtige Gründe sind dabei die, aus denen p sich objektiv logisch ableiten lässt. Weitere semantische Spezifizierungen sind möglich, jedoch ist festzuhalten, dass wir erkennen, dass p, wenn uns ein Wissen von p aufgrund von Bestimmungen der aufgeführten Art zugeschrieben werden kann. Die angeführte Semantik von E. beinhaltet mindestens zwei Probleme: (a) Selbst im philosophischen Sprachgebrauch gibt es die Redewendung von falscher E. usw., die zur »Contradictio in adjecto« wird, wenn wir den skizzierten Erkenntnisbegriff (zu streng) benutzen; (b) Die Bedingungen (1) – (5) können in einen Regress führen. Gründe für Meinungen sind selbst nur begründet, wenn sie aus anderen Gründen abgeleitet werden können usw. Falls eine Meinung nur dann eine E. sein soll, wenn die fundierenden Gründe selbst fundiert sind, endet man in einem Regress. Das zeigt, dass obige Überlegungen nur einen problematisierenden Einstieg in die semantische Debatte geben.

Traditionell wird E. oft als eine adäquate »Widerspiegelung« der Objektwelt im Subjekt verstanden. Das weist darauf hin, dass Erkennen auf Erkenntnisgegenstände ausgerichtet ist, d.h. es hat intentionalen Charakter. Durch die Gegenstände (die nicht notwendig realistisch interpretiert werden müssen) erhält das Subjekt bestimmte Daten. Das Erkennen lässt sich häufig als das Erstellen einer richtigen Ordnung dieser Daten bzw. Informationen beschreiben. Diese richtige Ordnung wird durch zwei elementare Erkenntnisfähigkeiten ermöglicht. Erstens besteht die Möglichkeit, sinnliche Daten voneinander zu unterscheiden, es kann eine sensorische Diskriminierung stattfinden. Diese erlaubt es Z.B., Gestalten zu identifizieren. Im (manchmal unbewussten) Diskriminierungsvorgang wird ein Datum aus dem Kontinuum von Daten, in dem es in Erscheinung tritt, separiert und in neue Zusammenhänge (z.B. erlernte Schemata von Gestalten) eingeordnet. Zweitens können die auf diese Weise geordneten sinnlichen Daten klassifiziert, d.h. unter allgemeine Begriffe gebracht werden. Einzelne Daten werden dabei in eine Klasse integriert und als unter eine die Klasse konstituierende Eigenschaft fallend erkannt. Das einzelne Datum wird in ein (im Idealfall) kohärentes Ganzes eingeordnet, wobei dieser Vorgang dadurch ermöglicht wird, dass man die bereits bekannte begriffskonstitutive Eigenschaft im singulären Datum wiedererkennt. Insofern ist Erkennen auf dieser Ebene immer schon ein Wiedererkennen. Erkennen ist als ein Separieren und ein darauf folgendes Synthetisieren, als ein Zerstören einer natürlichen und als gleichzeitiges Errichten einer z.B. semantischen Ordnung zu charakterisieren. Sonderfälle sind: (1) Wenn man z.B. E. über das Bankwesen gewinnt, entfällt die sinnliche Komponente, und das Erkennen wird allein zum Erstellen einer logisch-semantischen Ordnung. (2) Viele Tiere hingegen verfügen nicht über Begriffe, d.h. sie erstellen lediglich eine Ordnung von Wahrnehmungen. Ob hier noch von E. gesprochen werden darf, ist umstritten. (3) Es gibt auch eine E. subjektinterner Zustände. – Die benannten zwei Erkenntnisfähigkeiten weisen auf zwei mögliche Quellen der E. hin. Geht man davon aus, dass alle E. aus Sinneserfahrung ableitbar ist, vertritt man einen Empirismus bzw. Sensualismus. Nimmt man hingegen an, alle E. stamme aus dem Verstand, d.h. aus Begriffen und aus den aus ihnen gebildeten Urteilen, so vertritt man einen Rationalismus. Kant versuchte, beide Ansätze zu vereinen; in ihrer »Reinform« werden sie kaum noch vertreten. Die Philosophie lässt sich als ein Prozess des stetigen Erkenntniszuwachses beschreiben. Ihre Aufgabe ist es, E.se von Irrtümern zu unterscheiden. Diese Aufgabe wird in erster Linie durch die Erkenntnistheorie ermöglicht. Diese Disziplin ist darum bemüht, durch eine Problematisierung der Begründungen von Aussagen, Mittel bereitzustellen, um wahre von falschen Aussagen zu trennen. Allerdings besteht ihre Aufgabe auch darin, den Ursprung von E. zu verdeutlichen. Nur so können wir unsere E.se und ihre Geltung auch verstehen und müssen sie nicht als Zufall betrachten.

Literatur:

  • P. Bieri (Hg.): Analytische Philosophie der Erkenntnis. Frankfurt 1987
  • F. v. Kutschera: Grundfragen der Erkenntnistheorie. Berlin/New York 1981.
  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
KDZ Klaus-Dieter Zacher, Berlin
KE Klaus Eck, Würzburg
KG Kerstin Gevatter, Bochum
KH Kai-Uwe Hellmann, Berlin
KHG Karl-Heinz Gerschmann, Münster
KHL Karl-Heinz Lembeck, Würzburg
KJG Klaus-Jürgen Grün, Frankfurt a.M.
KK Klaus Kahnert, Bochum
KRL Karl-Reinhard Lohmann, Witten
KS Kathrin Schulz, Würzburg
KSH Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg
LG Lutz Geldsetzer, Düsseldorf
LR Leonhard Richter, Würzburg
MA Mauro Antonelli, Graz
MB Martin Beisler, Gerbrunn
MBI Marcus Birke, Münster
MBO Marco Bonato, Tübingen
MD Max Deeg, Cardiff
MDB Matthias Bloch, Bochum
ME Michael Esfeld, Münster
MFM Martin F. Meyer, Koblenz/Landau
MK Matthias Kunz, München
MKL Martin Kleinsorge, Aachen
MKO Mathias Koßler, Mainz
ML Mark Lekarew, Berlin
MLE Michael Leibold, Würzburg
MM Matthias Maring, Karlsruhe
MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
MQ Michael Quante, Köln
MR Mathias Richter, Berlin
MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
MS Manfred Stöckler, Bremen
MSI Mark Siebel, Hamburg
MSP Michael Spang, Ellwangen
MSU Martin Suhr, Hamburg
MW Markus Willaschek, Münster
MWÖ Matthias Wörther, München
NM Norbert Meuter, Berlin
OB Oliver Baum, Bochum
OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
RL Rudolf Lüthe, Koblenz
RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
SP Stephan Pohl, Dresden
SZ Snjezana Zoric, Würzburg
TB Thomas Bausch, Berlin
TBL Thomas Blume, Dresden
TF Thomas Friedrich, Mannheim
TG Thomas Grundmann, Köln
TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
TK Thomas Kisser, München
TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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