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Metzler Lexikon Philosophie: Konstruktivismus

im engeren und ursprünglichen Sinne eine Reihe von Ansätzen, die die Anfang des 20. Jh. ausgelöste mathematische Grundlagenkrise durch eine Neubegründung der Logik, Informatik und Mathematik zu überwinden versuchten. Heutzutage wird der Terminus jedoch wesentlich breiter verwendet; er meint allgemein diejenigen erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Richtungen, die die konstituierenden Leistungen des Beobachters im Erkenntnisprozess betonen bzw. die einen darauf bezogenen konstruktiven Begründungsbegriff zugrundelegen. Die z.T. sehr unterschiedlichen konstruktivistischen Strömungen sind sich einig in der Kritik realistischer, ontologischer sowie korrespondenztheoretischer Auffassungen von Wahrheit und Wissen. Die traditionelle epistemologische Frage nach dem Was der Erkenntnis ersetzt der K. durch die Frage nach dem Wie des Erkenntnisvorgangs; jede Form der Kognition, Wahrnehmung und Erkenntnis wird somit als eigenständige aktive Konstruktion eines Beobachters und nicht als passive Abbildung aufgefasst. Gegenwärtig spricht man von K. vor allem in Bezug auf die Erlanger Schule sowie dem Radikalen Konstruktivismus. Mit Erlanger Schule ist ein Neuansatz methodischen und dialogischen Philosophierens gemeint, der in den sechziger Jahren von W. Kamlah und P. Lorenzen entwickelt und später dann vor allem von F. Kambartel, K. Lorenz und J. Mittelstraß fortgeführt worden ist. Das Hauptinteresse der Vertreter der Erlanger Schule, die sich in ihren Arbeiten neben Themen der Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte mit Fragen der Logik, Sprachphilosophie und Ethik auseinandergesetzt haben, gilt der Formulierung einer Theorie der konstruktiven Begründung. Ausgehend von elementaren, unstrittigen Verhältnissen der alltäglichen Lebenswelt sollen in methodisch kontrollierter Weise komplexere Formen menschlichen Handelns und Sprechens, insbesondere die wissenschaftliche, technische und politische Praxis, schrittweise mit Hilfe konstruktiver Sprachkritik, Zweck-Mittel-Diskussion usw. rekonstruiert werden. Die konstruktivistische Konzeption verlangt eine lückenlose und zirkelfreie Begründung; bei jedem Rechtfertigungsschritt darf somit nur auf solche Hilfsmittel zurückgegriffen werden, die entweder bereits zuvor konstruiert wurden oder die aus der lebensweltlichen Praxis zur Verfügung stehen. Dieses methodische Prinzip wird ergänzt durch ein dialogisches Prinzip, demzufolge alle Anfangskonventionen und Argumentationsschritte von einem möglichen Opponenten bezweifelt werden können. Eine Letztbegründung – wie etwa von Seiten des Kritischen Rationalismus unterstellt worden ist – wird jedoch nicht angestrebt; Philosophie beginnt nach dem Selbstverständnis der Erlanger Schule weder voraussetzungslos noch willkürlich.

Literatur:

  • P. Lorenzen/O. Schwemmer: Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie. Mannheim 1977.

GK

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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