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Metzler Lexikon Philosophie: Kunst

Kulturbereich, in dem das Schaffen und Erleben von Kunstwerken stattfindet. Gelegentlich verwendet man das Wort K. auch abkürzend für Kunstwerke. Philosophisch relevant ist K. als spezifischer Ausdruck menschlicher Kulturtätigkeit. Diese ist entweder schöpferisch oder rezeptiv, d.h. sie besteht entweder im Vollzug künstlerischen Schaffens (etwa im Schreiben eines Gedichts) oder in der spezifischen erlebnismäßigen Reaktion auf ein wahrgenommenes Kunstobjekt (z.B. in der Betrachtung eines Gemäldes). Sowohl die schöpferische als auch die rezeptive kunstbezogene Tätigkeit als auch schließlich die Welt der Kunstobjekte sind vielgestaltig. Das Schaffen von K. ist unterschieden nach verschiedenen Medien und nach voneinander abweichenden Graden von Dauerhaftigkeit der in diesem Schaffen entstehenden Werke. Medien des Kunstschaffens sind z.B. Sprache, Geräusche, formbare Materialien. Nach dem unterschiedlichen Grad der Dauerhaftigkeit dagegen wären etwa zu unterscheiden: relativ flüchtige und relativ dauerhafte Objekte, z.B. ein aufgeführter Gesang bzw. eine Kathedrale. Zu unterscheiden sind ferner verschiedene Formen von Abhängigkeiten zwischen zusammenhängenden künstlerischen Tätigkeiten, z.B. zwischen der Komposition einer Symphonie und deren verschiedenen Realisierungen in orchestraler Interpretation oder dem Verfassen eines Dramas und dessen verschiedenen Realisationen in unterschiedlichen dramatischen Aufführungen oder in Verfilmungen. Allen Formen von künstlerischem Schaffen und »Nachschaffen« eignet eine je spezifische Form von Kreativität. Die Rezeption eines Kunstwerks erfordert ihrerseits die Aktivierung unterschiedlicher Kompetenzen beim Hörer, Leser oder Betrachter. In gewissem Sinne sind die meisten Kunstwerke nicht fertig (»geschlossen«), sondern bedürfen einer aktiven Mitarbeit beim Wiederentstehen im Bewusstsein des Rezipienten. In diesem Sinne sind sie dann »offen« zu nennen. Zu den dominanten Entwicklungstendenzen der modernen und der postmodernen K. gehört die Zunahme der »Offenheit« (in diesem Sinne) von Kunstwerken (U. Eco). Sowohl Kunstproduktion als auch Kunstrezeption erfordern besondere Geisteshaltungen. Diese gründen im Wesentlichen in einer Unabhängigkeit vom Druck pragmatischer Lebensbewältigung oder vom Zwang zur Wirklichkeitsreproduktion (Herrschaft des Realitätsprinzips: Adorno). Zum Kulturbereich K. gehört insofern wesentlich eine spezifische Art von künstlerischer Freiheit oder Autonomie. Diese Freiheit zeigt sich auch als Anspruch der K., ihre Normen und Konventionen aus ihrer eigenen Entwicklung heraus und ohne bestimmenden Einfluss aus den anderen Kulturbereichen (z.B. Recht, Religion, Politik) zu entwickeln und zu verändern. Sie zeigt sich aber auch im spezifisch künstlerischen Umgang mit der außerkünstlerischen Wirklichkeit. Weit davon entfernt, diese einfach zu reproduzieren, geht der Ehrgeiz der K. vielmehr dahin, alternative Welten und besondere Erlebniszusammenhänge zu schaffen. Im Heraustreten aus der Alltagswelt und dem »Eintauchen« in die alternativen Welten der K. entsteht für den Kunstschaffenden ebenso wie für den Kunstrezipienten die Gefahr des »Realitätsverlusts«. In der sich dann vollziehenden Weltflucht wird K. zum Kitsch und verliert die Kraft, den Blick auf die Wirklichkeit zu schärfen und deren Verständnis zu vertiefen. K. dient jedoch ihrem genuinen kulturellen Sinn gemäß nicht der Weltflucht, sondern dem Weltverständnis und der Erweiterung des Bereichs möglicher Erfahrung. Insofern kann sogar von spezifisch künstlerischen Erkenntnisformen gesprochen werden, die sich auf je spezifische Weise von den Erkenntnisformen der Alltagspraxis ebenso unterscheiden wie von denen der Wissenschaft.

Literatur:

  • Th. W. Adorno: Ästhetische Theorie. Frankfurt 1970
  • A.C. Danto: The Transfiguration of the Commonplace. A Philosophy of Art. Cambridge/Mass. 1981 (dt. Die Verklärung des Gewöhnlichen. Frankfurt 1991)
  • U. Eco: Das offene Kunstwerk. Frankfurt 51990
  • A. Esser: Kunst als Symbol: Die Struktur ästhetischer Reflexion in Kants Theorie des Schönen. München 1997
  • H. Kuhn: Die Kulturfunktion der Kunst. 2 Bde. Berlin 1931
  • J. Meier-Graefe: Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst. München 21914.

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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