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Metzler Lexikon Philosophie: Meinung

wird in der neuzeitlichen Philosophie zusammen mit dem Glauben und dem Wissen als ein Akt der Wahrheitsfindung bestimmt (zum antiken Begriff Doxa). Der M. oder dem Meinen werden die Eigenschaften des rein Subjektiven, Unbestimmten und Veränderlichen, sowie das Verhaftetsein an die sinnliche Wahrnehmung zugeschrieben. Damit ist die M. gegenüber dem Wissen ein defizienter Modus der Erkenntnistätigkeit. Descartes betont, dass das bloße Meinen immer gebunden sei an ein vorstellungsgebundenes Denken und deshalb keine Erkenntnis über Gott oder die Seele ermögliche (Discours de la méthode). In Kants Stufenmodell des Fürwahrhaltens steht das Meinen an unterster Stelle, da es sowohl subjektiv als auch objektiv unzureichend sei. Darin unterscheidet es sich vom Glauben, dessen Geltungsanspruch rein subjektiv bleibt und dem Wissen, das ein subjektiv wie objektiv zureichendes Führwahrhalten ist (KrV). Die M. kann auch den Status der Vernunfthypothese haben, wenn sie aus subjektiven Gründen für ein Fürwahrhalten zureichend ist. M.en kann es nur in Urteilen über empirische Gegenstände geben, nicht im Bereich des Intelligiblen. Vernunfturteile sind daher keine M.en, da die Vernunft entweder a priori oder gar nicht erkennt. Dies gilt ebenso für alle ethischen Grundsätze. Fichte verortet die M. in der Welt des Veränderlichen, die gegenüber dem Sein ein bloßer Schein oder das reine Nichts sei (Darstellung der Wissenschaftslehre 1801). Das Meinen wird dem durch die Selbständigkeit des Geistes charakterisierten Denken gegenübergestellt (Anweisung zum seeligen Leben). Während für das Denken das Sein eins und mit sich identisch ist, also auch nur eine Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit besitzt, geht das Meinen von mehreren Möglichkeiten aus und wählt – motiviert durch die subjektive Neigung – eine dieser Möglichkeiten aus. Damit ist jede M. einseitig und parteiisch und ihre Dauer ist der persönlichen Neigung unterworfen. Konkret bestimmt Fichte sein gegenwärtiges Zeitalter als historische Manifestation einer Beflissenheit um wissenschaftliche M.en und deren publizistische Verbreitung. Fichte belegt diese Entwicklung mit dem Terminus der Gelehrten-Republik (Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters). Hegel dagegen schließt von vornherein den Begriff der M. aus der Philosophiegeschichte aus, da die Philosophie objektive Wissenschaft der Wahrheit sei durch ein begreifendes Erkennen, nicht durch ein Meinen. Die M. ist auch hier bloß eine subjektive Vorstellung, die sich durch Beliebigkeit auszeichnet und deren Inhalt keine Allgemeinheit besitzt. Die M. ist kein an und für sich seiender Gedanke (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie). Nach Hegel kann die M. den notwendigen Zusammenhang zwischen der Wirklichkeit des Geistes und dessen sinnlichem Dasein nicht erfassen, da sie das sinnliche Dasein als bloße Zufälligkeit betrachtet (Phänomenologie). Im Gegensatz zum Wissen richtet sich die M. unmittelbar auf das sinnliche Dasein als ein einzelnes und individuelles. Diese Unmittelbarkeit des Meinens wird der sinnlichen Gewissheit gegenübergestellt, deren Wahrheit das Allgemeine ist. Anschaulich wird das Meinen in der Physiognomik oder der Handschriftenkunde, deren Fokus sich unmittelbar auf das sinnliche Dasein, die Handschrift oder die Form des Kopfes, richtet und auf dieser Grundlage eine M. über die Persönlichkeit eines Menschen fasst (Phänomenologie).

KG

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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