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Metzler Lexikon Philosophie: Moralurteil

(1) In verschiedenen ethischen bzw. metaethischen Positionen besteht keine Einigkeit darüber, ob M.e rational diskutierbar und ob sie begründbar sind. Die Einschätzung bezüglich der Rationalität und Begründbarkeit hängt wiederum davon ab, ob M.e als subjektiv oder als objektiv eingestuft werden. Im Zuge der metaethischen Diskussion zeigte sich, dass auch diese subjektiv-objektiv-Unterscheidung in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird: (a) Geht man davon aus, dass M.e Feststellungen sind, dann ist mit Objektivität der M.e gemeint, dass sie bestimmte Feststellungen über die beurteilten Objekte sind, während Subjektivität bedeutet, dass sie Feststellungen eines moralisch urteilenden Subjekts sind, d.h. dass die Werteigenschaften von den Einstellungen des Subjekts gegenüber den Werteigenschaften abhängig sind. (b) Im Hinblick auf die Frage, ob M.e Feststellungen sind, gelten diejenigen, die einen objektiven oder subjektiven Feststellungscharakter annehmen, als Objektivisten, während die Subjektivisten (z.B. die Emotivisten) bestreiten würden, dass M.e als Feststellungen aufzufassen sind. (c) Im Hinblick auf den Anspruch der rationalen Begründbarkeit von M.en unterscheiden sich die Subjektivisten, die diesen Anspruch in Zweifel ziehen, von den Objektivisten, in deren Auffassung eine rationale Argumentation der Begründung möglich ist. (2) Die Untersuchungen Kohlbergs haben zu folgenden Entwicklungsniveaus und -stufen des moralischen Urteilens geführt: Auf dem Niveau 1 werden moralische Wertungen durch Bezug auf vermeintlich physische Geschehnisse oder vermeintlich physische Bedürfnisse vollzogen. Für jedes Niveau gilt es zudem zu unterscheiden, was die Grundlage des Urteils abgibt: die Orientierung an Bestrafung und Gehorsam oder der Respekt vor überlegener Macht und Prestigestellung der Autoritätspersonen (entspricht der Stufe 1), der naiv egoistischen Einstellung (Stufe 2) gilt das Handeln als richtig, das die Bedürfnisse des Ich und gelegentlich auch die der anderen instrumentell befriedigt. Die eigenen Bedürfnisse werden mit der Perspektive aller Beteiligten in Verbindung gebracht. Neben der Orientierung an Austausch und Reziprozität zeigt sich ein naiver Egalitarismus. Auf dem Niveau 2 beruhen moralische Wertungen auf der Übernahme guter und richtiger Rollen, der Einhaltung der konventionellen Ordnung und den Erwartungen anderer. Dies zeigt sich auf der Stufe 3 als Orientierung am Ideal des »guten Jungen/Mädchens« und in der Konformität mit dem Mehrheitsverhalten. Bei der Beurteilung von Handlungen werden die Handlungsabsichten berücksichtigt. Auf der Stufe 4 zeigt sich eine Akzentverschiebung zugunsten einer Orientierung an der Aufrechterhaltung von Autorität und sozialer Ordnung. Die Rücksicht auf die Erwartung anderer ist begleitet von dem Bestreben, die soziale Ordnung um ihrer selbst willen einzuhalten und Respekt vor der Autorität zu zeigen. Das Niveau 3 zeichnet sich als die entwickeltste Form dadurch aus, dass die moralische Wertung auf der Grundlage der Konformität des Ich mit (potentiell) gemeinsamen Normen, Rechten und Pflichten vollzogen wird. Auf der Stufe 5 zeigt sich das noch als legalistische Vertrags-Orientierung. Die Regeln werden als vertragsähnliche gemeinsame Abmachung angesehen. Der zugehörige Pflichtbegriff wird definiert als Vertrag, die Absichten und Rechte anderer nicht zu verletzen sowie den Willen und das Wohl der Mehrheit zu respektieren. Die höchste Stufe 6 zeichnet sich durch Orientierung am Gewissen bzw. an Prinzipien aus, die an logische Universalität und Konsistenz rückgebunden sind. Die Grundlage bildet die Orientierung am Prinzip und am gegenseitigen Respekt.

Literatur:

  • G. Grewendorf/G. Meggle (Hg.): Seminar: Sprache und Ethik. Frankfurt 1974. S. 7 ff
  • L. Kohlberg: Stufen und Sequenz: Sozialisation unter dem Aspekt der kognitiven Entwicklung. In: Zur kognitiven Entwicklung des Kindes. Frankfurt 1974. S. 60 ff
  • A. Pieper: Sprachanalytische Ethik und praktische Freiheit. Stuttgart 1973. S. 69 ff.

PP

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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