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Metzler Lexikon Philosophie: Pädagogik

als Begriff der Wissenschaft von der Erziehung im 18. Jh. geprägt. Im Anschluss an Kant wurde die Aufgabe der P. darin gesehen, mit Hilfe von Ethik und Psychologie eine erfahrungsgebundene Analyse der Möglichkeiten und Grenzen erzieherischen Handelns vorzunehmen, die dabei vorausgesetzten Bedingungen begrifflich zu bestimmen und in einen systematischen Begründungszusammenhang zu stellen. Diese Ansätze zu einer P. als angewandter Transzendentalphilosophie, die vor allem von Trapp, Niethammer und Greiling, aber auch von Ritter entwickelt wurden, werden von Herbart systematisch ausgearbeitet. Sein Ziel ist es, die P. als eine eigenständige philosophische Wissenschaft auszuweisen, die auf empirischen Vorgehensweisen aufbaut, wobei dies nicht mit einer objektivierten naturwissenschaftlichen Methodik gleichzusetzen ist. Vielmehr begründet er die Notwendigkeit einer spezifisch pädagogischen Sichtweise, welche auf die Subjektivität von Erzieher und Zögling bezogen ist und die prinzipielle Offenheit der pädagogischen Situation erfassbar macht. Allerdings geht er über die bloße Deskription der Erziehungssituation hinaus und betont die Notwendigkeit, die Ziele pädagogischen Handelns werttheoretisch zu bestimmen und in den Zusammenhang der kulturellen Progression einzuordnen. Dies setzt eine Bezugnahme auf die Ethik voraus, die Herbart explizit vornimmt, ohne jedoch die Eigenständigkeit der P. in Frage zu stellen. Auch Schleiermacher sieht in der Ethik die entscheidende philosophische Grundlegungsdisziplin der P. Aber im Gegensatz zu Herbart, der von einem prinzipientheoretischen Ethikverständnis ausgeht und daraus allgemeingültige Aussagen über den Vollzug des Erziehungshandelns gewinnt, stellt Schleiermacher die geschichtliche Bedingtheit der pädagogischen Theoriebildung heraus und negiert die Möglichkeit allgemeingültiger Aussagen über die Erziehungswirklichkeit. Die P. erscheint damit durch eine hermeneutische Fragestellung bestimmt, die die Erziehungsrealität in den Kontext geistesgeschichtlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen einordnet. In der Folgezeit des 19. Jh. wird der pädagogische Grundlegungsansatz Schleiermachers vor allem von Dilthey weitergeführt, wobei philosophisch-anthropologische und weltanschauungstheoretische Fragestellungen im Vordergrund stehen. Darauf stützend werden zu Beginn des 20. Jh. von Frischeisen-Köhler, Spranger, Nohl, Litt, Flitner und Weniger Ansätze zu einer philosophisch fundierten, hermeneutisch ausgerichteten Erziehungswissenschaft erarbeitet. Alternativ dazu entwickeln Natorp, Cohn und Hönigswald wert- und prinzipientheoretische Ansätze, die sich darauf konzentrieren, eine transzendentalphilosophische Grundlegung der P. vorzunehmen. Diese Grundlegungsmodelle bestimmen die gegenwärtige Diskussion zu einer normativtranszendentalkritischen Pädagogik einerseits und einer phänomenologischen Erziehungs- und Bildungstheorie andererseits, ohne dass eine Synthese der beiden Theorieansätze erreicht werden konnte. Darin dürfte ein wichtiger Grund zu sehen sein, dass bei der Klärung des Systemzusammenhanges der Erziehungswissenschaft auf eine philosophische Grundlegung weitgehend verzichtet wurde und primär empirisch zugängliche Problemstellungen verfolgt werden.

Literatur:

  • D. Benner: Die Pädagogik Herbarts. Weinheim/München 1986
  • Ders.: Pädagogik als Wissenschaft, Handlungstheorie und Reformpraxis. Bd. 1–3. Weinheim/München 1995
  • F. Nicolin: Pädagogik als Wissenschaft. Darmstadt 1969
  • W. Ritzel: Philosophie und Pädagogik im 20. Jahrhundert. Darmstadt 1980
  • J. Schurr: Schleiermachers Theorie der Erziehung. Düsseldorf 1975.

WSU

In kritischer Haltung zum bisherigen Hauptstrom geisteswissenschaftlicher P. entstehen ab der Mitte des 20. Jh. neue Theorieansätze. An der empirischen Sozialforschung und dem Kritischen Rationalismus orientiert, entwickelt sich eine empirisch-analytische Erziehungswissenschaft. Die durch Rezeption der Kritischen Theorie herausgebildete kritisch-emanzipatorische Erziehungswissenschaft macht geltend, dass es notwendig ist, die Erziehungswirklichkeit nicht nur hermeneutisch zu erfassen, sondern gesellschaftskritisch zu hinterfragen und damit verändernd auf sie einzuwirken. Weitere wissenschaftliche Paradigmen, an denen verschiedene pädagogische Theoriebildungen ansetzen konnten, boten der Historische Materialismus, Systemtheorie, Phänomenologie und Strukturalismus. Die unterschiedlichen Ansätze können sich dabei vorwiegend analytisch-deskriptiv oder normativ verstehen, jedoch muss das Problem der Vermittlung beider zu den grundlegenden Aufgaben der P. als einer auf die Praxis gerichteten Wissenschaft gehören.

Literatur:

  • D. Benner: Die Pädagogik Herbarts. Weinheim/München 1986
  • Ders.: Pädagogik als Wissenschaft, Handlungstheorie und Reformpraxis. Bd. 1–3. Weinheim/München 1995
  • F. Nicolin: Pädagogik als Wissenschaft. Darmstadt 1969
  • W. Ritzel: Philosophie und Pädagogik im 20. Jahrhundert. Darmstadt 1980
  • J. Schurr: Schleiermachers Theorie der Erziehung. Düsseldorf 1975.

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WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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