Direkt zum Inhalt

Metzler Lexikon Philosophie: Person

von lat. persona, was ursprünglich die Maske des Schauspielers bezeichnet. Von daher übertragen das Verständnis in der römischen Antike: die Rolle, die jemand in der Gesellschaft spielt, sein Ansehen und seine Würde. Juristisch ist bis heute die Rechtsfähigkeit an den P.-Status gebunden (im Unterschied zu Sachen), wovon in der Antike z.B. die Sklaven ausgenommen waren.

Der philosophische Begriff geht aus den trinitätstheologischen und christologischen Überlegungen der Patristik hervor. Die Frage, wie die Dreiheit Gottes (Vater, Sohn und Heiliger Geist) mit seiner Wesenseinheit zusammen gedacht werden kann, wurde in der trinitarischen Formel: tres personae, una substantia (drei P.en, ein Wesen) beantwortet. Als weiteres Problem stellte sich dann die Frage, wie die Einheit der P. Christi mit seinen zwei Naturen, der göttlichen und menschlichen, in Einklang zu bringen sei. Auf diesem Hintergrund hat Boethius die klassische Definition der P. geprägt: »persona est naturae rationalis individua substantia« (P. ist die individuelle Substanz einer vernünftigen Natur). Damit beschränkt er P. auf vernunftbegabte Wesen (Mensch, Gott, Engel) und auf Individuen. Thomas von Aquin greift diese Bestimmung auf und betont den Selbstand der P. (»per se existere«), die individuell von allen anderen unterschieden (»per se unum«) und frei, weil aus sich heraus handelnd (»per se agere«), ist.

Der Aspekt der Individualität wirft in der Neuzeit die Frage nach dem Grund der Identität der P. auf, durch die sie zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen psychischen Zuständen als diesselbe angesprochen werden kann (Identität, personale). Dadurch tritt das Bestimmungsmoment des Selbstbewusstseins in den Vordergrund. Für Locke besteht die Identität der P. nicht in der Einheit einer Substanz, sondern wird durch das Selbstbewusstsein konstituiert, d.h. als Einheit der auf mich selbst bezogenen Vorstellungen. Kant verwendet P. sowohl im Hinblick auf das Vermögen, sich seiner als identisches Ich in verschiedenen Zuständen bewusst zu sein (Anthropologie § 1) als auch zur Kennzeichnung der moralischen Qualität des Menschen: Vernünftige Wesen werden P.en genannt, weil sie im Unterschied zu Sachen und unvernünftigen Wesen von der Natur schon dadurch ausgezeichnet sind, dass sie Zweck an sich selbst sind. Die Autonomie (Selbstgesetzlichkeit) der P. ist Voraussetzung für die Existenz kategorischer Imperative. P. kennzeichnet den Menschen als ein zur Sittlichkeit fähiges Wesen. »Person ist dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind. Die moralische Persönlichkeit ist also nichts anders, als die Freiheit eines vernünftigen Wesens unter moralischen Gesetzen..., woraus dann folgt, dass eine Person keinen anderen Gesetzen, als denen, die sie (entweder allein, oder wenigstens zugleich mit anderen) sich selbst gibt, unterworfen ist« (Kant: Metaphysik der Sitten A 22).

In der Philosophie der Gegenwart finden sich zahlreiche unterschiedliche Bestimmungen des P.-Begriffs und verschiedene Strömungen, in denen er eine Rolle spielt. So in der Lebensphilosophie, Existenzphilosophie, Phänomenologie und Dialogphilosophie (Dialog). Dabei kann sich P. mit Begriffen wie Existenz, Selbst, Individuum decken oder dezidiert davon unterschieden werden. Seinem emphatischen Gebrauch in den mit Personalismus bezeichneten, wiederum heterogenen, Strömungen liegt wohl die – mit der Existenzphilosophie geteilte – Intention zugrunde, das besondere Wesen des Menschen gegenüber der Reduktion auf eine naturwissenschaftliche Sichtweise herauszustellen und die geschichtliche Einmaligkeit jedes einzelnen Menschen gegenüber einer auf Nivellierung drängenden, technisierten Massendaseinsordnung zur Geltung zu bringen. Dabei kann der P.-Begriff mehr individualistisch (W. Stern) oder mit sozialer (E. Mounier) und dialogischer (M. Buber) Perspektive gesehen werden. M. Scheler bestimmt P. als »die konkrete, selbst wesenhafte Seinseinheit von Akten verschiedenartigen Wesens«. Die P. erlebt sich, indem sie Akte unterschiedlicher Art (Denken, Wollen, Fühlen, Lieben) vollzieht. Scheler spricht auch von »Gesamtpersonen« (Staat, Kirche), insofern diesen interpersonale Akte zugeschrieben werden können.

In der Frage, wer P. ist, lassen sich zwei grundsätzliche Positionen unterscheiden: (a) Personsein wird entweder allen Menschen und nur diesen zugeschrieben, oder (b) an bestimmte Eigenschaften gebunden (wobei diese je nach ihrer Bestimmung dann auch andere Lebewesen haben können). Solche Kriterien für P. können sein: Bewusstsein, Vernunft, Selbstbewusstsein, Kommunikation, andere P.en als solche anerkennen zu können, Wertbezogenheit bzw. sittliches Bewusstsein. Die Festlegung bestimmter »Leistungsmerkmale« lässt wiederum einen aktualistischen oder essentialistischen Standpunkt zu. Ersterer bindet das Personsein an die Fähigkeit, solche Leistungen auch tatsächlich vollziehen zu können, während für den zweiten das potentielle Vorhandensein der Eigenschaften, qua Zugehörigkeit zur Gattung Mensch, ausschlaggebend ist. Ethisch relevant wird diese Unterscheidung vor allem in den in der angewandten Ethik diskutierten Grenzfällen, wenn die Zuschreibung bestimmter Rechte an den P.-Status gebunden wird.

Literatur:

  • Boethius: De duabus naturis et una persona Christi
  • W. Bongard: Zu den philosophisch-theologischen Grundlagen des Personbegriffs. In Salzburger Jahrbuch für Philosophie XXIII/XXIV (1978/79). S. 167–182
  • W. Hartmann: Das Wesen der Person. In: Salzburger Jahrbuch für Philosophie X/XI (1966/67). S. 151–168
  • I. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
  • J. Lenz: Die Personwürde des Menschen bei Thomas von Aquin. In: Philosophisches Jahrbuch 49 (1936). S. 138–166
  • M. Quante: Person. Berlin 2007
  • M. Scheler: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik. Bern 51966
  • M. Theunissen: Skeptische Betrachtungen über den anthropologischen Personbegriff. In: H. Rombach (Hg.): Die Frage nach dem Menschen. Freiburg/München 1966
  • Thomas von Aquin: Summe der Theologie II,I
  • A. Trendelenburg: Zur Geschichte des Wortes Person. In: Kantstudien 13 (1908). S. 1–17.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
KDZ Klaus-Dieter Zacher, Berlin
KE Klaus Eck, Würzburg
KG Kerstin Gevatter, Bochum
KH Kai-Uwe Hellmann, Berlin
KHG Karl-Heinz Gerschmann, Münster
KHL Karl-Heinz Lembeck, Würzburg
KJG Klaus-Jürgen Grün, Frankfurt a.M.
KK Klaus Kahnert, Bochum
KRL Karl-Reinhard Lohmann, Witten
KS Kathrin Schulz, Würzburg
KSH Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg
LG Lutz Geldsetzer, Düsseldorf
LR Leonhard Richter, Würzburg
MA Mauro Antonelli, Graz
MB Martin Beisler, Gerbrunn
MBI Marcus Birke, Münster
MBO Marco Bonato, Tübingen
MD Max Deeg, Cardiff
MDB Matthias Bloch, Bochum
ME Michael Esfeld, Münster
MFM Martin F. Meyer, Koblenz/Landau
MK Matthias Kunz, München
MKL Martin Kleinsorge, Aachen
MKO Mathias Koßler, Mainz
ML Mark Lekarew, Berlin
MLE Michael Leibold, Würzburg
MM Matthias Maring, Karlsruhe
MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
MQ Michael Quante, Köln
MR Mathias Richter, Berlin
MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
MS Manfred Stöckler, Bremen
MSI Mark Siebel, Hamburg
MSP Michael Spang, Ellwangen
MSU Martin Suhr, Hamburg
MW Markus Willaschek, Münster
MWÖ Matthias Wörther, München
NM Norbert Meuter, Berlin
OB Oliver Baum, Bochum
OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
RL Rudolf Lüthe, Koblenz
RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
SP Stephan Pohl, Dresden
SZ Snjezana Zoric, Würzburg
TB Thomas Bausch, Berlin
TBL Thomas Blume, Dresden
TF Thomas Friedrich, Mannheim
TG Thomas Grundmann, Köln
TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
TK Thomas Kisser, München
TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.