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Metzler Lexikon Philosophie: Phänomen

Der Terminus wird in der Philosophie nicht in einheitlicher Bedeutung verwendet. Bei Platon wird mit Ph. das sinnlich Gegebene bezeichnet, das sich allerdings aufgrund seines Scheincharakters vom wahren Sein, wie es die Vernunft erkennt, unterscheidet. In der Neuzeit herrscht die Bedeutung des in sinnlicher Anschauung unmittelbar Gegebenen vor. Im erkenntnistheoretischen Kontext spricht die empiristische Tradition von Ph.en i.S. von Empfindungen, Ideen, Sinnesdaten, die dem Bewusstsein durch äußere oder innere Erfahrung gegeben sind. Als Ph. werden atomare psychische Einheiten des Bewusstseins bezeichnet. Diese Annahme von atomaren Bausteinen einer begriffsfreien Basis der Erkenntnis ist von einem transzendentalen Verständnis her als metaphysische Konstruktion abzulehnen. Kant macht die Unterscheidung in Phaenomenon und Noumenon als transzendentale Gesichtspunkte ein und desselben Objekts geltend: Als »Ding an sich«, sofern es dem Subjekt durch die sinnliche Affektion gegeben ist, stellt es die Bedingung der menschlichen Erkenntnis dar. Diese Bedingung kann aber nicht als ursächliche Beziehung gedacht werden, da sie der menschlichen Erkennbarkeit entzogen ist; als Ph. oder Erscheinung ist das Objekt dem Bewusstsein in der Erkenntnis nie anders als unter den subjektiven Bedingungen der Sinnlichkeit und des Verstandes gegeben. Fichte erweitert diese Auffassung dahingehend, dass nicht nur die Form, sondern auch die Materie der Dinge durch aktive Selbstbestimmung im absolut gesetzten Ich ihren Ursprung hat. Damit ist die passive Affektion in Dingen an sich aufgehoben und das Ich als die dem Subjekt-Objekt-Gegensatz vorgängige Einheit postuliert. Brentano unterteilt den gesamten phänomenalen Bereich in physische bzw. äußere und psychische bzw. innere Ph.e. Den psychischen Ph.en schreibt er einen höheren Realitätscharakter zu, da sie dem Bewusstsein in unmittelbarer Evidenz zugänglich sind, den physischen gesteht er nur den Status von Zeichen von etwas Wirklichem zu. Husserl verfährt i. S. der Kantischen Kritik des empiristischen Phänomenbegriffs, indem er aufzeigen versucht, dass und wie das Ph. durch das transzendentale Subjekt konstituiert ist. Der transzendentalen Fassung des Ph.s steht Schelers Auffassung entgegen, wonach Ph.e nicht Erscheinungen, sondern apriori gegebene reine Tatsachen darstellen. Sie werden durch die phänomenologische Einstellung erschlossen als »reine Wesenheiten«, die eine Synthese von anschaulichem Gehalt und rationalem Bedeutungsgehalt darstellen.

Literatur:

  • G. Berkeley: Eine Abhandlung über die Prinzipien des menschlichen Geistes. Hamburg 1979
  • F. Brentano: Psychologie vom empirischen Standpunkt. Bd. I. Hamburg 1973
  • W. Halbfass: Phänomen. In: HWPh
  • E. Husserl: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Hua III/1 – I. Kant: Kritik der reinen Vernunft. B XXVII, B 306, A 19/B 33
  • J. Locke: Versuch über den menschlichen Verstand. Hamburg 41981. 2. Buch.

PP

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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