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Metzler Lexikon Philosophie: Philosophie, japanische

Die j. Ph. lässt sich prinzipiell in zwei Abschnitte unterteilen: (1) Die traditionelle, für die der Shintoismus die lebensweltliche Grundlage bildete, in die der Konfuzianismus (6. Jh.) und später der Neokonfuzianismus (13. Jh.) inkulturiert werden konnten. Zudem bildet der aus Indien stammende Buddhismus, der durch die Übersetzung in die chinesische Kultur tiefgreifende Veränderungen erfuhr und von dort aus seinen Weg nach Japan fand, ein wesentliches Moment im traditionellen japanischen Denken. (2) Die moderne j. Ph., die durch die Rezeption der europäisch-westlichen Philosophie seit 1868 entsteht.

(1) Aus dem Shintoismus und Konfuzianismus stammen in Japan keine wesentlichen philosophischen Entwürfe. Ihre Lehren bildeten vielmehr einen allgemeinen lebensweltlichen Hintergrund für die japanische Kultur. Aus dem Buddhismus sind vor allem Kukai für seine sprachphilosophischen Erörterungen und Dôgen für seine zen-buddhistischen Überlegungen zum Zeit-Problem von philosophischem Interesse. Der Neokonfuzianismus blühte in Japan vor allem in der Edo-Zeit (1600–1868) und hat dem traditionellen Denken in Japan verschiedene Impulse verliehen. – (2) Bei der Rezeption der westlichen Philosophie wurde in Japan zunächst der angelsächsischen Philosophie besonderes Interesse entgegengebracht. Dann allerdings wurde gegen Ende des 19. Jh. die deutsche Philosophie (Kant, Hegel u. a.) dominant. 1911 erschien der erste eigenständige Entwurf einer Philosophie von Nishida in seinem Buch »Studie über das Gute«. Seit dieser Zeit entwickelte sich die Philosophie in Japan in verschiedene Richtungen weiter. Zum einen finden wir eine breite Erforschung aller westlichen Philosophen (Platon-, Kant-, Hegel-Forschung usw.), zum anderen entstehen immer wieder eigenständige Versuche zur Philosophie u. a. auch in Rückbezug auf die eigenen asiatischen Traditionen. Für die letztere Strömung ist insbesondere die Kyoto-Schule ein herausragendes Beispiel, deren Themen gegenwärtig u.a. von Ôhashi Ryôsuke (geb. 1944) in verschiedenen Richtungen weiterentwickelt werden. – Neben der Kyôto-Schule hat die moderne japanische Philosophie verschiedene Ansätze hervorgebracht, die philosophisch sehr unterschiedlich motiviert sind. Seit den 20er Jahren (Miki Kiyoshi, 1897–1945) und nach dem zweiten Weltkrieg (Hiromatsu Wataru, 1933–1994) spielte die marxistische Philosophie eine besondere Rolle im Hinblick auf die Kritik der eigenen Kultur. Kuki Shûzô (1888–1941), der bei Heidegger und Bergson studierte, legte 1930 einen philosophischen Versuch vor, bei dem er ausgehend von einem ästhetischen Phänomen (dem sogenannten »iki«) die lebensweltlichen Grundlagen der japanischen Kultur durch die phänomenologischhermeneutische Methode aufzuhellen suchte. Watsuji Tetsurô (1889–1960) entwarf einerseits eine Philosophie des Klimas, die gegen die Heidegger’sche Betonung der Zeit die grundlegende Dimension des Raumes in den Vordergrund rückte. Andererseits entwickelte er im Bereich der Ethik einen Ansatz, der dem ostasiatischen Menschenbild entsprechen sollte. Dieses zeichnet sich nach Watsuji vor allem dadurch aus, dass es nicht von der einzelnen Person ausgeht, sondern der einzelne Mensch sich durch ein Zwischenverhältnis (aidagara) bestimmt, wodurch sich grundlegende Konsequenzen für die Ethik ergeben. Aufgrund der besonderen kulturellen Situation entstand in Japan schon sehr früh eine vergleichende Philosophie, deren Repräsentant Nakamura Hajime (geb. 1912) ist. Auffällig ist eine besondere Betonung der Leibphilosophie seit den 60er Jahren. Insbesondere die eine Vernunft wird im Namen der Sinnlichkeit und Verleiblichung kritisiert (Mori Arimase 1911–1976, Sakabe Megumi geb. 1936, Nakamura Yûjirô, geb. 1925). – Die moderne j. Ph. zeichnet sich generell durch eine große Vielfalt aus, die u. a. eine Frucht der ausgedehnten Rezeption westlicher Philosophie ist. Es ist aber wohl vor allem dann sinnvoll, von moderner »j.« Ph. zu sprechen, wenn neue Wege des Denkens durch die Auseinandersetzung verschiedener Kulturtraditionen (hier vor allem asiatischer und westlicher) gewonnen wurden.

Literatur:

  • L. Brüll: Die japanische Philosophie. Eine Einführung. Darmstadt 1989
  • Junko Hamada: Japanische Philosophie nach 1868. Leiden 1994
  • G. Paul: Philosophie in Japan. Von den Anfängen bis zur Heian-Zeit. München 1993
  • G. K. Piovensana: Recent Japanese Philosophical Thought. 1868–1994. 31996
  • P. Pörtner/J. Heise: Die Philosophie Japans. Stuttgart 1995.

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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