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Metzler Lexikon Philosophie:

(Materie, Urstoff). Im altchinesischen Buch der Wandlung ist die Rede von Jing Qi, wörtlich »feinste Luft«. Es dürfte dem stoischen feinsten Atomstoff, dem Pneuma entsprechen und wurde daher wie dieses oft als »geistige Materie« übersetzt. Darüber heißt es: »Das Jing Qi wird zu den Dingen, seine Verwandlung bringt die Veränderungen hervor« (Yi Jing, Ji Ci). In der chinesischen Naturphilosophie, die immer an das Buch der Wandlungen mit seiner Lehre vom Yin und Yang angeknüpft hat, wurde daher der Materiewandel (Qi Hua) und die Entstehung der Dinge daraus zu einem Hauptthema. Insbesondere bestimmte es auch die Grundannahmen über das Wesen des Menschen. Zhuang Zi (369–286) sagt dazu: »Das Leben des Menschen ist ein Qi-Komplex. Wenn Qi sich zusammenzieht, ist es Leben, wenn es auseinandergeht, ist es Tod... So kann man sagen: Durch die ganze Welt hindurch gibt es nur »Qi« (Zhuang Zi: Zhi Bei You, Zhi auf Nordland-Reise). Der chinesische Naturalismus und Materialismus entwickelt sich im Anschluss daran, indem er Qi als Urprinzip behauptet und alles andere als Qi Hua davon ableitet. Wang Chong (27–97) etwa behauptet: »Himmel und Erde in Qi vereinigt, lassen alle Dinge von selbst entstehen« (Wang Chong: Lun Heng, Zi Ran, Theorie des Gleichgewichts, Über die Natur). Kong Yin-da (574–648) interpretiert das Buch der Wandlungen: »Der Satz: Jing Qi wird zu den Dingen, bedeutet: Es gibt zwei Jing Qi: Yin und Yang. Diese verbinden sich zur Hervorbringung aller Dinge.« Zhang Zai (1020–1077) spekuliert – wie Demokrit – über das Verhältnis von Qi und Tai Xu (Ur-Vakuum) und kommt zu der These: Tai Xu kann nicht Nicht-Qi sein. Ohne Verdichtung von Qi entstehen keine Dinge. Wenn die Dinge nicht aufgelöst werden, entsteht kein Tai Xu« (Zhang Zai: Zheng Meng, Tai He, Aufklärung von Dunkelheiten, Über Ur-Harmonie). Wang Tingxiang (1474–1544) spricht schließlich vom »ursprünglichen Qi« (Yuan Qi) und begründet damit den Materialismus als metaphysische Theorie: »Vor der Entstehung von Himmel und Erde gab es nur Yuan Qi. Erst nach Yuan Qi gab es Dao Li (Idee-Prinzipien) für die Entstehung von Menschen und Dingen. Darum gibt es über Yuan Qi hinaus kein Ding, kein Prinzip und keine Idee« (Wang Ting-xiang: Ya Shu, Feinsinnige Bemerkungen). Daher sind für ihn alle »Wesenheiten« (Xing) an Qi gebunden: Sein und Nichtsein von Wesen (Xing) ist abhängig von der Verbindung mit »Qi«. – Diese Traditionslinie von Qi-Lehren führt dann zum modernen chinesischen Materialismus und wird Grundlage für die Rezeption des westlichen. Wie auch im Westen erhält der Qi-Begriff sein Profil in der Auseinandersetzung mit idealistischen Geistlehren, die entweder Jing Qi direkt (wie im Westen der Neuplatonismus und manche Patristiker das Pneuma der Stoiker) zu etwas Geistigem erklären oder es auf etwas vorgängig Geistiges: Dao oder Li (Idee) zurückführen. Diese Auseinandersetzungen treten besonders seit der Song-Zeit (Mittelalter) hervor. Zhu Xi (1130–1200) betont als Wortführer der Ideen-Schule (Li Jia): »Unter dem Himmel gibt es kein Qi ohne Li (Idee), aber auch kein Li ohne Qi ... Li ist zuerst, Qi ist später... Wenn es Li gibt, dann gibt es Qi, aber Li ist das Ursprüngliche« (Vgl. Li (Idee)). Von daher die umgekehrte Argumentation der Materialisten, Li oder Dao als »Gesetzlichkeit« von Qi zu deuten, wie etwa Wang Fu-zhi (1619–1692): »Zwischen Himmel und Erde im ganzen gibt es nichts außer Qi und auch nichts außer Li«, aber Qi ist Substanz, Li ist seine Gesetzlichkeit (Wang Fu-zhi: Du Si Shu Da Quan Shuo, Kommentar zur Lektüre der vier Klassiker, Bd.10).

Literatur:

  • L. Geldsetzer/H.-d. Hong: Chinesisch-deutsches Lexikon der chinesischen Philosophie. Aalen 1986. Art. Körperliches Wesen des Menschen (Qì Zhì Zhī Xìng), Materie (Qì), Materialisierung (Qì Huà), Pneuma (Jìng Qì).

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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