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20 Jahre Spektrum der Wissenschaft: 20 Jahre Spektrum der Wissenschaft: "Was man nicht richtig verstanden hat, macht Angst."

Zum November 1978 erschien die erste reguläre Ausgabe dieser Zeitschrift, zusammen mit der sogenannten Nullnummer. Seither hat Spektrum der Wissenschaft auf mehr als 30000 Seiten rund 2000 Hauptbeiträge von Forschern verschiedener Disziplinen publiziert, darunter von 39 Nobelpreisträgern. Es gratulieren Persönlichkeiten aus Forschung, Industrie und Wissenschaftspublizistik.

Wissenschaft ohne Ideologie
Meine Glückwünsche zum Jubiläum von „Spektrum der Wissenschaft“, das ich regelmäßig gerne lese, vor allem die Beiträge aus mir fachfernen Gebieten, wie zum Beispiel der Kosmologie oder Evolution. Ich wünsche „Spektrum“ in Deutschland weiterhin eine Verbreitung und Leserschaft wie „Scientific American“ in den USA. Beide Zeitschriften helfen, das vernünftige und friedliche Zusammenleben zu fördern, die Gesellschaft zu öffnen für neue Ideen und „Wissenschaft ohne Ideologie“ zu ermöglichen. Die Beiträge von „Spektrum“ sind, glaube ich, beispielhaft für den naturwissenschaftlichen Unterricht an unseren Schulen. „Spektrum der Wissenschaft“ als Pflichtlektüre für unsere Politiker – das wäre eine Bereicherung der Diskussion zur „Wissensgesellschaft“. An den Kosten für entsprechende Freiexemplare würde ich mich gerne beteiligen.

Prof. Dr. Bert Sakmann
Max-Planck-Institut
für medizinische Forschung
Abteilung Zellphysiologie
Heidelberg
 

Auf den Schultern von Riesen
Selbst in unserer schnellebigen Zeit sind 20 Jahre kein Alter, von dem man viel Aufhebens machen sollte. Als Mensch wäre man gerade eben erwachsen geworden, aber dennoch immer noch sehr entwicklungsfähig und wohl auch entwicklungsbedürftig. Aber Anlaß zum Glückwunsch ist ein solcher Termin allemal. Auch wenn es sich nicht um eine Person, sondern um eine Zeitschrift handelt, die ja nur deshalb so lange existiert, weil ein begeistertes Team von Wissenschaftspublizisten und ein risikobereiter Verlag dafür hart gearbeitet haben, damit aus Plänen Wirklichkeit und aus Hoffnungen Erfolge werden konnten.
Daß „Spektrum der Wissenschaft“ sich so erfreulich entwickelt hat, verdankt es freilich auch der Tatsache, daß es auf einer sehr viel ehrwürdigeren Erfolgsgeschichte – nämlich der des „Scientific American“ – aufbauen konnte. Das ist gerade für eine die Entwicklungen der modernen Biowissenschaften so sachkundig begleitende Zeitschrift auch gar keine Schande. Denn erstens hat auch bei den Produkten menschlicher Kultur jede neue „Spezies“ fast immer ihre geistigen Vorfahren, aus denen heraus sie sich evolutiv emanzipierte. Und zweitens stehen wir bekanntlich alle mit unseren Bemühungen, Neues zu tun, auf den Schultern von Riesen, was manchmal auch Zwerge groß herauskommen läßt.
Ein Zwerg ist „Spektrum der Wissenschaft“ nun freilich längst nicht mehr, sondern vielmehr eine unentbehrlich gewordene Stimme der deutschen Wissenschaftspublizistik, die zwar die Herkunftsverbindung zum „Scientific American“ immer noch (und ich hoffe: mit Stolz) erkennen läßt, die aber mit vielen Beiträgen längst ein geachtetes, eigenständiges Profil gewonnen hat. Daß dieses Profil künftig noch deutlicher hervortreten möge und daß die kritisch kenntnisreichen Autoren der Zeitschrift in den wissenschaftspolitischen Diskursen Deutschlands im sich vereinigenden Europa der kommenden Jahre noch deutlicher zu Gehör kommen, dies ist dem „Spektrum“ zu wünschen, damit es tatsächlich gegenüber so vielen Einseitigkeiten unserer wissenschaftlich-technischen und ökonomischen Diskussionen dafür sorgt, daß wirklich ein ausgewogenes Spektrum an stichhaltigen Argumenten und verläßlichen Kenntnissen zur Geltung kommt.
Naturwissenschaftler meiner Generation sind als junge Leute mit dem „Scientific American“ als wichtiger Quelle von Anregung und Belehrung aufgewachsen. Ich hoffe, daß das „Spektrum der Wissenschaft“ für viele an Naturwissenschaft und Technik interessierte junge Menschen von heute die gleiche Rolle spielt. Weshalb sie ja noch lange nicht darauf verzichten sollten, auch das zu lesen, was die englischsprachige Mutter zu sagen hat, nur weil sie deren hübsche deutsche Tochter besonders gut kennen und hoch schätzen.


Prof. Dr. Hubert Markl
Präsident der Max-Planck-Gesellschaft
München
 



Gülden leuchtet keine der Nischen
Als Professor Heinz Haber sich Anfang der sechziger Jahre mit dem Gedanken trug, eine seriöse und dennoch für die Öffentlichkeit verständliche Wissenschaftszeitschrift zu gründen, dachte er zunächst an eine deutsche Ausgabe von „Scientific American“. Doch die Manager der amerikanischen Zeitschrift waren damals nicht so weit. Darauf suchte er in Deutschland einen Verleger. Er fand ihn in Gestalt von Eugen Kurz, dem damaligen Geschäftsführer der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart. 1964 erschien die erste Ausgabe von „bild der wissenschaft“.
Bis November 1978, dem ersten Erscheinen von „Spektrum der Wissenschaft“, hatte sich Habers Zeitschrift bereits ein gutes Stück vom ursprünglichen Konzept ausschließlich wissenschaftlicher Autoren weg- und zu einem wissenschaftsjournalistischen Magazin hinentwickelt. Mit seinem Erscheinen nahm „Spektrum“ Habers alte Fährte wieder auf, bereicherte das Genre freilich mit vielen angesehenen Wissenschaftlern, die in den USA forschen. Die Zeitschrift ist sich in diesem Ziel bis heute treu geblieben und berichtet für eine akademisch vorgeprägte Zielgruppe über interessante Entwicklungen in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen.
Natürlich schauen wir bei „bild der wissenschaft“ schon aus sportiven Gründen auf die Themen der jeweils aktuellen Ausgabe – ganz besonders interessiert uns die Themenvorschau auf das nächste Heft. Doch „bild der wissenschaft“ versteht sich nicht als unmittelbare Konkurrenz zu „Spektrum“. bdw – wie wir sagen – ist heute eine Zeitschrift, die in erster Linie interessierte Laien (selbst Wissenschaftler sind in den meisten Fachgebiet Laien) informieren will: zuverlässig und über die engen Grenzen einer Disziplin hinaus. Salopp gesagt tummeln sich „Spektrum“ und „bild der wissenschaft“ im selben Ökosystem, aber doch in unterschiedlichen Nischen.
Beides macht Sinn. Gülden – wie Verleger das gerne hätten – leuchtet freilich keine der Nischen. Nicht zuletzt deshalb, weil Zeitschriften, die über Forschungsergebnisse berichten, vom Anzeigenaufkommen der Unternehmen, die viel Geld in Forschung und Kommunikation stecken, wenig bis gar nichts zu spüren bekommen. Auch das Kaufinteresse der Leser ist nicht in dem Maß angewachsen, wie man das vor einem guten Jahrzehnt vermuten durfte: Zwar hat die Zahl der Hochschulabschlüsse seit Beginn der achtziger Jahre in Deutschland deutlich zugenommen. Doch offenbar begeistert die Hochschule ihre Absolventen nicht genug, daß sie auch nach diesem Lebensabschnitt motiviert sind, mit Spaß und Interesse die vielfältigen Resultate der Wissenschaft aufzunehmen.
Hier entgegenzuwirken, mit unterhaltsamen, informativen, zuverlässigen, illustrativen Beiträgen wieder und wieder zu beweisen, wie wichtig die heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse für unsere Zukunft sind, ist die herausragende gesellschaftliche Aufgabe, die Blätter wie „Spektrum“ und „bild der wissenschaft“ haben. Wir machen dies auf der unterhaltsameren Schiene – böse Stimmen sagen, wir vereinfachten zu sehr. Und Sie, bei „Spektrum“, machen dies auf der akademischen Schiene – böse Stimmen meinen, Sie seien zu langweilig.
Es ist schön, daß der Leser diese Auswahl hat. Wir in Stuttgart freuen uns mit Ihnen in Heidelberg, daß „Spektrum der Wissenschaft“ in diesen Tagen sein 20jähriges Bestehen feiern kann.

Wolfgang Hess
Chefredakteur bild der wissenschaft
Stuttgart
 

Höchst interessante Wissenschaft
Besonders auf dem Gebiet der Umwelt- und Klimaforschung, einem Gebiet, das der Politik und den unterschiedlichen „Lobbygruppen“ sehr nahe steht, sind zuverlässige und klare Darstellungen von dem, „was man weiß“ und „was noch nicht“ für den Laien von allergrößter Wichtigkeit. Von selbsternannten Wissenschaftlern wird leider zuviel Unsinn in die Welt gesetzt, wie zum Beispiel „das Ozonloch hat es schon immer gegeben“, „den Treibhauseffekt kann es gar nicht geben“, oder „mehr Kohlendioxid (CO2) kann keine weitere Klimaerwärmung geben, da das CO2-Absorptionsspektrum für Infrarotstrahlung schon längst dicht ist“. Für den einzelnen Wissenschaftler ist es unmöglich, diesen oder ähnlichen Äußerungen, die in zeitlich unregelmäßigen Abständen immer wieder vermehrt zutage treten, entsprechend zu entgegnen.
Es ist aus diesem Grund und eigentlich mehr noch wegen der höchst interessanten Wissenschaft per se von sehr großer Bedeutung, daß es Zeitschriften wie „Spektrum der Wissenschaft“ gibt. Ich wünsche der Zeitschrift zum 20jährigen Bestehen noch viele informative Jahre.

Prof. Dr. Paul J. Crutzen
Max-Planck-Institut für Chemie
Abteilung Chemie der Atmosphäre
Mainz
 



Fähigkeit zu Innovationen
Seit 20 Jahren nun schon spielt „Spektrum der Wissenschaft“ eine hervorragende Rolle als Mittler zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Dieses Verhältnis war nie einfach: Auf der einen Seite standen die Wissenschaftler, die in ihren Elfenbeintürmen lange Zeit gut leben konnten und die im Kollegenkreis eher schief angesehen wurden, wenn sie sich zu einer allgemeinverständlichen Darstellung ihrer Forschungsarbeiten „herabließen“. Auf der anderen Seite stand eine Öffentlichkeit, die Wissenschaft und Technik oft eher beargwöhnte als deren Chancen wahrnahm. „Spektrum der Wissenschaft“ hat in den vergangenen 20 Jahren durch seine seriöse, doch immer spannende Darstellung einen wichtigen und verantwortungsbewußten Part in dieser gesellschaftlichen Diskussion gespielt und viel zu einem besseren Verständnis und damit zu einer breiteren Akzeptanz von Wissenschaft und Technik beigetragen.
Die Anforderungen nehmen aber immer weiter zu. Ich sehe hier zwei wichtige Trends. Erstens werden heute in einem Jahr mehr wissenschaftliche Ergebnisse veröffentlicht als früher in einem ganzen Jahrzehnt. Wenn schon ein Forscher kaum mehr die Entwicklungen in den Nachbardisziplinen verfolgen kann, wie soll dann der interessierte Laie den Blick für das Wesentliche behalten? Hinzu kommt, daß die spannendsten Fortschritte oft nicht mehr innerhalb einer der klassischen Fachdisziplinen stattfinden, sondern die Zusammenarbeit der verschiedensten Disziplinen erfordern.
Der zweite Aspekt ist die zunehmende Bedeutung von Forschung und Technologie für die deutsche Wirtschaft. Die Fähigkeit zu Innovationen entwickelt sich immer mehr zu einem Schlüsselfaktor für das Wachstum unserer Volkswirtschaft, für Wohlstand und Beschäftigung. Das heißt aber: Wir müssen den Mut haben, Neues zu wagen, wir brauchen Risikofreude statt Besitzstandswahrung, Gründermentalität statt Vollkaskodenken. Um die Notwendigkeit dieser Veränderungen zu verstehen, muß das Wissen über diesen Erfolgsfaktor Innovation in der Bevölkerung breit verankert werden. Zu berichten gibt es aus der spannenden Welt der Wissenschaft und Technologie also auch zukünftig mehr als genug. Ich bin sicher, daß „Spektrum der Wissenschaft“ in einer Zeit, die von Informations- und Reizüberflutung geprägt ist, weiter seinen Weg gehen wird. Den „Machern“ wünsche ich auch für die nächsten 20 Jahre viel Erfolg.

Klaus-Dieter Vöhringer
Im Vorstand der Daimler-Benz AG
verantwortlich für Forschung und Technologie
Stuttgart
 



Meisterliches Vorbild
„Spektrum der Wissenschaft“ feiert seinen zwanzigsten Geburtstag. Dazu möchte ich dem Verlag und der Redaktion sehr herzlich gratulieren. Popularisierung der Wissenschaften und ihrer Ergebnisse hat einen Stellenwert, den wir in seiner Bedeutung gar nicht ausreichend würdigen können. Das gilt vor allem in einer demokratischen Gesellschaft, in der jeder mündige Bürger mitentscheidet und somit gleichermaßen für die Gestaltung der Zukunft mitverantwortlich ist. In zunehmendem Maße wird unser Leben von Chancen und Risiken der Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung abhängig, doch werden diese nur noch von einem kleinen Teil der Gesellschaft in ihrer Bedeutung voll erkannt. Um so wichtiger wird die seriöse, das heißt sowohl kritische als auch ideologiefreie Berichterstattung, mit deren Hilfe allein sich Chancen und Risiken abschätzen lassen. In dieser Berichterstattung ist „Spektrum der Wissenschaft“ – wie seine US-amerikanische Mutter „Scientific American“ – meisterliches Vorbild. „Spektrum der Wissenschaft“ ist nicht identisch mit „Scientific American“, so wenig wie eine Tochter eine Faksimile-Kopie ihrer Mutter ist. Diese Erfahrung habe ich selber bei meinen Veröffentlichungen in beiden Zeitschriften machen können. Es kamen immer Varianten heraus, die an die jeweilige Kultur und an sprachspezifische Denkgewohnheiten adaptiert waren und sich daher in Umfang, Form und Inhalt deutlich unterschieden.
Zwanzig Jahre ist noch kein Alter! So möchte ich „Spektrum der Wissenschaft“ für das kommende Dezennium weiterhin jugendlichen Schwung wünschen, gepaart mit Reife, die ihm seine Mutter in die Wiege gelegt hat.

Prof. Dr. Manfred Eigen
Max-Planck-Institut
für biophysikalische Chemie
Göttingen
 



Unwissenheit als Auslöser für Angst
Herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag. Wenn man das weite Spektrum der wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten 20 Jahre Revue passieren läßt, so wird einem klar, daß Ihrer Zeitschrift auch in Zukunft der Stoff nicht ausgehen wird. Selbst wenn der Laie den Eindruck haben muß, daß die Wissenschaft sogar Unmögliches machen kann und alles beherrscht, so ist genau das Gegenteil der Fall. Bei der Bearbeitung wissenschaftlicher Fragestellungen treten oft neue unerwartete Fragen auf, so daß die Wissenschaft ihre Faszination mit ihren vielen Überraschungen und nutzbringenden Anwendungen nicht so schnell verlieren wird. Wissenschaftsjournalisten haben die schwierige Aufgabe übernommen, aus den vielen Puzzlestücken wissenschaftlicher Ergebnisse ein möglichst einprägsames Gesamtbild zu entwerfen mit spekulativen Prognosen für zukünftige Entwicklungen.
„Spektrum der Wissenschaft“ hat auf diesem Gebiet Hervorragendes geleistet, auch wenn es nicht einfach war, einen Kompromiß zwischen wissenschaftlicher Exaktheit und publikumswirksamer Präsentation zu finden. In der Zukunft wird es immer wichtiger werden, das Wohlbefinden der Menschen in einer technisierten Welt dadurch zu verbessern, daß das naturwissenschaftliche Grundwissen in der Bevölkerung eine stärkere Verbreitung findet. Nur dadurch kann man verhindern, daß Unwissenheit der Auslöser für Angst wird.
Möge „Spektrum der Wissenschaft“ dazu auch weiterhin beitragen.

Prof. Dr. Klaus von Klitzing
Max-Planck-Institut
für Festkörperforschung
Stuttgart
 



Fundierte Information
Das Wissen der Menschheit nimmt derzeit schneller zu als jemals zuvor. Fast täglich erreichen uns Meldungen über Innovationen und es wird immer schwieriger, ihre Bedeutung zu erfassen und einzuordnen. Es ist daher nachvollziehbar, wenn in breiten Bevölkerungsschichten eine gewisse Abneigung gegen die unüberschaubare und letztlich nicht begreifbare Flut an technischen Neuerungen entsteht. Was man nicht richtig verstanden hat, verunsichert und macht Angst.
Ein rohstoffarmes Land wie Deutschland lebt jedoch davon, an der Spitze des technischen Fortschrittes zu stehen. Mißtrauen und Ängste können nur abgebaut werden, wenn die zugrundeliegenden technischen Probleme zumindest in den Grundzügen begriffen werden. Hierbei kommt den Medien eine überragende Bedeutung zu. Die Information muß dabei auf allen Ebenen ansetzen: von der Fernseh-Show und dem Bericht in der Boulevard-Zeitung, die die Neugierde breiter Kreise wecken sollen, bis hin zur fundierten Information für den wissenschaftlich Interessierten, wie sie „Spektrum der Wissenschaft“ seit nunmehr 20 Jahren in hoher Qualität bietet.
Wir wünschen der Zeitschrift weiterhin viel Erfolg bei dieser anspruchsvollen und wichtigen Aufgabe.

Prof. Dr. Claus Weyrich
Mitglied des Vorstands der Siemens AG
München
 



Chance zu besserem Weltverständnis
1978 – 1998: Die Wissenschaftsjournalisten, und es gibt sie in Deutschland mittlerweile nicht nur vereinzelt, sondern als Berufsstand, sind in den letzten 20 Jahren schneller geworden, weil die weltweite Kommunikation schneller wurde. Auch die Subjekte journalistischer Bemühungen, die Wissenschaftler selbst, sind mit ihren Erkenntnissen, Entdeckungen und Entwicklungen rascher auf dem Markt der Meinungen. Aber man hat nicht den Eindruck, daß der „Fortschritt“, wie fragwürdig der Begriff ohnedies ist, schneller kommt. Viele Themen von 1978, wie sie in den ersten Ausgaben von „Spektrum der Wissenschaft“ vorkamen – darunter das „Kohlendioxid-Problem“ –, sind auch solche von heute. Noch immer gibt es keine Theorie, die Quantenmechanik, Gravitation und die Erkenntnisse Albert Einsteins über „Relativität“ miteinander verbindet, noch immer keine allgemein gültige Theorie der Krebserkrankungen – geschweige denn eine ursächliche Therapie. Auch am Ende des Jahrtausends sterben in den Industrieländern die Menschen wie schon vor zwanzig Jahren vorwiegend an Herz- und Hirnschlag oder an Krebs. Und auch die ökologischen Probleme sind nur insofern leicht entschärft, als sich der schlichte technische Umweltschutz durchsetzt mit Filtern und Katalysatoren. Hoffnungen, die Lösung für die Energieprobleme der Menschheit zu finden, sind in der Praxis widerlegt: die Atomenergie ist nicht die Lösung, und Fusionskraftwerke, wenn sie denn funktionieren sollten, sind jedenfalls zu teuer.
Geändert hat sich dies: Gentechnische Methoden funktionieren nachweisbar, wenn sich auch die damit verbundenen Hoffnungen bisher nicht erfüllt haben. Und die Kommunikationstechniken und -netze wurden allgemein zugänglich, was in der Tat eine technische Revolution ist. Für jeden Einzelnen bedeutet dies besseren Zugang zu Informationen mit der Chance zu besserem Weltverständnis. Auch für die Wissenschaftsjournalisten hat dies Konsequenzen: Sie müssen aus der Fülle von Daten auswählen, versuchen, die Welt aus ihnen zu erklären. Das heißt, die Kunst der Interpretation wird immer wichtiger. Weil aber solche Interpretationsleistung in der Informationsflut auch auffallen muß, sind Wissenschaftsjournalisten gezwungen, professioneller zu arbeiten. Wer die Wissenschaftsteile der Printmedien der letzten Jahrzehnte vergleicht, kann den Fortschritt sofort erkennen. Die „Infographik“ zum Beispiel, einst Domäne von Blättern wie „Spektrum der Wissenschaft“, hat die Tageszeitungen erreicht. Das Wie einer Darstellung ist wichtiger geworden.
Offensichtlich kann das Medium Fernsehen weniger zum Verständnis von Wissenschaft beitragen, als man noch vor zwanzig Jahren glaubte. Zumindest in Deutschland ist Wissenschaft in den Fernsehprogrammen eher weniger und gewiß nicht besser geworden: Die Bilder rauschen halt vorbei. Die Printmedien haben die Chance, mit sorgfältig aufbereiteten Informationen an die Öffentlichkeit zu dringen. Sie müssen sie nur nutzen.

Martin Urban
Leiter des Wissenschaftsressorts
der Süddeutschen Zeitung
München


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1998, Seite 12
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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