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350 Jahre Westfälischer Friede

Mit dem Friedensschluß von Münster und Osnabrück im Oktober 1648 konnte erstmals in Europa ein Krieg auf dem Verhandlungswege beendet werden. Die politischen und konfessionellen Auswirkungen sind noch heute spürbar.


Zu Anfang des 17. Jahrhunderts gärte es im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation: Das Herrscherhaus der Habsburger und die auf ihre Unabhängigkeit bedachten Reichsstände stritten sich um die Machtverteilung, und die konfessionellen Gegensätze im Land verschärften sich im Zuge der Gegenreformation. Besonders unheilvoll eskalierten die Ereignisse in Böhmen: Die protestantischen Adligen entluden ihren Zorn gegen ihren katholischen König Ferdinand II, indem sie am 23. Mai 1618 zwei seiner Statthalter kurzerhand aus den Fenstern der Prager Burg warfen.

Dieser zunächst lokale Aufstand weitete sich zu einer Reichsangelegenheit aus, als Ferdinand II. abgesetzt und der calvinistische Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz zum König von Böhmen gewählt wurde. Die Rebellion schien aber gescheitert, nachdem im November 1620 das Heer der katholischen Liga unter Führung des Feldherrn Johann Tilly die Truppen der protestantischen Union vor den Toren Prags geschlagen hatte. Doch durch Rekatholisierungsversuche im Norden des Reiches sah sich der protestantische dänische König Christian IV. veranlaßt, in den Konflikt einzugreifen, der damit die Reichsgrenzen übersprang. Nach dem Kriegseintritt des protestantischen Schweden und des katholischen Frankreich – das sich aus machtpolitischem Kalkül mit Schweden gegen den deutschen Kaiser verbündete – wurde schließlich ein Großteil Europas erfaßt.

Die schweren Verwüstungen, die der Dreißigjährige Krieg mit sich brachte, waren vor allem auf den Einsatz großer Söldnerheere mit bis zu 40000 Soldaten zurückzuführen. Ihren Unterhalt sicherten die Truppen hauptsächlich durch Kriegssteuern und Plünderung der Regionen, durch die sie zogen. Für ganze Landstriche hatte dies im Wortsinne verheerende Folgen. Dadurch wurde weitaus größeres Leid angerichtet als durch die eigentlichen Schlachten – von denen im übrigen keine wirklich kriegsentscheidend war. Hungersnöte und Seuchen im Gefolge der Kriegshandlungen taten ein Weiteres. Man schätzt, daß insgesamt 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung ihr Leben ließen, in manchen Gebieten – wie Pommern, Mecklenburg, Schlesien sowie Mittel- und Südwestdeutschland – sogar 60 bis 75 Prozent.

Als alle beteiligten Nationen schließlich ausgelaugt waren, willigten sie Ende 1641 der Aufnahme von Verhandlungen zu. Im katholischen Münster sollte der deutsche Kaiser mit Frankreich, im nahegelegenen protestantischen Osnabrück mit Schweden verhandeln. Was folgte, ist noch heute ein Lehrstück über politische Taktiererei: Keine der Delegationen wollte als erste ankommen, jede versuchte die andere an Glanz und Pomp zu übertreffen, und sie stritten sich monatelang über Rang- und Zeremoniellfragen.

Währenddessen gingen die Kämpfe weiter. Erst als der Kaiser im März 1645 eine empfindliche Niederlage erlitt, beschleunigten sich die Verhandlungen. Gleichwohl dauerte es noch drei Jahre bis zur Unterzeichnung der Verträge. Im Januar 1648 wurde zunächst der "Vrede van Munster" – ein spanisch-niederländischer Separatfrieden – geschlossen, der die heutigen Niederlande unabhängig machte. Im Oktober schließlich wurde mit der Unterzeichnung des Westfälischen Friedens das Ende des Dreißigjährigen Krieges besiegelt.

Die Vereinbarungen sicherten aber nicht nur den Frieden – zumindest für einige Zeit –, sondern schufen auch politische und religiöse Ordnungen, die zum Teil bis in die heutige Zeit hineinwirken, und zwar in konfessioneller, föderalistischer und rechtlicher Hinsicht.

So wurden nach dem lange währenden Glaubenskrieg drei Konfessionen – Katholizismus, Luthertum und Calvinismus – als gleichberechtigt anerkannt, was eine wesentliche Voraussetzung für religiöse Toleranz ist. Kirchliche Streitigkeiten wurden fortan nur noch auf diplomatischem Wege ausgetragen. Die konfessionelle Situation, die durch den alten Leitsatz cuius regio, eius religio (wes Gebiet, des Bekenntnis) geprägt war, der den Glauben der Bevölkerung an den des jeweiligen Herrschers koppelte, wurde durch den Vertrag eingefroren; dadurch hat sich die damalige territoriale Verteilung der Konfessionen in Deutschland bis heute weitgehend erhalten. (Eine indirekte Folge davon ist auch im Wahlverhalten der heutigen Bevölkerung spürbar: In den Regionen, in denen die CDU eher als katholische Partei empfunden wird, spiegeln die Wahlergebnisse die unterschiedlichen konfessionellen Einstellungen zu grundlegenden gesellschaftlichen Fragen wider.)

Indem der Westfälische Friede die Reichsverfassung neu ordnete und die Kurfürsten und Fürsten als gleichberechtigt neben den Kaiser stellte, schaffte er die Voraussetzungen für eine föderale politische Struktur. Die Außenpolitik des Kaisers wurde an die Zustimmung des Reichstages gebunden, in dem neben den adligen Territorialherren auch die Reichsstädte Sitz und Stimme hatten. In dieser Form hatte die Verfassung bis zur Auflösung des alten deutschen Reiches im Jahre 1806 Bestand – so lange wie keine andere in der nachfolgenden deutschen Geschichte.

Der Westfälische Friede trug zudem in erheblichem Maße zur praktischen Ausformung des klassischen Völkerrechts bei. Als Verhandlungspartner traten souveräne Staaten auf, die sich nicht mehr auf die Einheit des christlichen Abendlandes mit Kaiser und Papst an der Spitze beriefen, sondern auf gemeinsam formulierte Vereinbarungen. Europa als Gemeinschaft gleichberechtigter Staaten – dieser Gedanke hat seinen Ursprung in Münster und Osnabrück.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1998, Seite 120
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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