Angemerkt!: Ab in die Mottenkiste
Warum wir die Idee einer "Krebspersönlichkeit" endlich ad acta legen sollten
In seinem Beitrag "Den Tod im Leib" (G&G 9/2009, S. 36) schreibt Volker Tschuschke: "Menschen, die zur emotionalen Unterdrückung neigen, die vor allem ihren Ärger herunterschlucken und eher angepasst auftreten, scheinen im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung häufiger an Tumoren zu erkranken." Und auf einmal ist er wieder da, der Mythos von der Krebspersönlichkeit.
Eine Reihe groß angelegter Studien erfasste in den vergangenen Jahrzehnten die psychischen Merkmale von Gesunden. Anschließend wurde untersucht, welche der Teilnehmer im Lauf der darauf folgenden Jahre an Krebs erkrankten – unterschieden sie sich von denen, die gesund geblieben waren? Im Licht dieser Forschung zerfällt das Bild von einer Krebspersönlichkeit zu Staub. So erbrachten eine US-Studie von 2008 und eine Arbeit aus Finnland von 2005 (beide mit je rund 10 000 Teilnehmerinnen) übereinstimmend keine Zusammenhänge zwischen der Persönlichkeit von Frauen und dem Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. In einer deutschen Untersuchung von 2006 mit über 5000 Männern und Frauen hing das Krebsrisiko genauso wenig mit der Persönlichkeit zusammen. Eine dänische Studie stellte 2005 bei 8500 Teilnehmern keine Erhöhung des Erkrankungsrisikos durch Depressivität fest. Eine schwedische Zwillingsstudie mit über 29 000 Teilnehmern erkannte 2005 keine Beziehung zwischen Tumorleiden und den Charaktereigenschaften Neurotizismus und Extraversion. Und dies sind nur die wichtigsten Befunde der letzten Jahre.
"Psychologische Krankheitstheorien sind machtvolle Instrumente, um die Schande auf die Kranken abzuwälzen", schrieb die amerikanische Publizistin Susan Sontag in ihrem Essay "Krankheit als Metapher" schon vor rund 30 Jahren. "Patienten, die darüber belehrt werden, dass sie ihre Krankheit unwissentlich selbst verursacht haben, lässt man zugleich fühlen, dass sie sie verdient haben." Wie Befragungen zeigen, sind Menschen, die ihre Krebserkrankung auf psychische Ursachen zurückführen, tatsächlich emotional besonders belastet. Nicht nur ihre körperliche, auch die psychische Integrität ist bedroht, das ganze bisherige Leben in Frage gestellt, hat es doch offenbar zu ihrer Erkrankung geführt.
Auf Basis der wissenschaftlichen Evidenz kann man die Theorie von der Krebspersönlichkeit nur zurückweisen. Sie gehört in die Mottenkiste der Psychoonkologie. Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Krebs kann jeden treffen, es gibt keine Versicherung dagegen – auch nicht Glück und gelingendes Leben.
Dass Menschen mit bestimmter seelischer Veranlagung eher an Krebs erkranken, glaubte man schon in der Antike: Ein Überfluss an schwarzer Galle, die Melancholie fördere, prädisponiere für Krebs. In verschiedenen Abwandlungen und oft verbunden mit der Vorstellung von Krankheit als Strafe hält sich diese Idee bis heute. Die neueste Reinkarnation der Krebspersönlichkeit ist der "Typ C" – der "Typus carcinomatosus". Menschen dieses Typs seien übermäßig angepasst, unterwürfig, depressiv sowie gehemmt im Ausdruck von Gefühlen, vor allem von Ärger und Wut. Krebspatienten wären demnach quasi selbst schuld, die Krankheit eine Quittung für ihre beeinträchtigte Persönlichkeit und eine unglückliche Lebensführung. Was sagt die Forschung zu diesem traurigen Szenario?
Eine Reihe groß angelegter Studien erfasste in den vergangenen Jahrzehnten die psychischen Merkmale von Gesunden. Anschließend wurde untersucht, welche der Teilnehmer im Lauf der darauf folgenden Jahre an Krebs erkrankten – unterschieden sie sich von denen, die gesund geblieben waren? Im Licht dieser Forschung zerfällt das Bild von einer Krebspersönlichkeit zu Staub. So erbrachten eine US-Studie von 2008 und eine Arbeit aus Finnland von 2005 (beide mit je rund 10 000 Teilnehmerinnen) übereinstimmend keine Zusammenhänge zwischen der Persönlichkeit von Frauen und dem Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. In einer deutschen Untersuchung von 2006 mit über 5000 Männern und Frauen hing das Krebsrisiko genauso wenig mit der Persönlichkeit zusammen. Eine dänische Studie stellte 2005 bei 8500 Teilnehmern keine Erhöhung des Erkrankungsrisikos durch Depressivität fest. Eine schwedische Zwillingsstudie mit über 29 000 Teilnehmern erkannte 2005 keine Beziehung zwischen Tumorleiden und den Charaktereigenschaften Neurotizismus und Extraversion. Und dies sind nur die wichtigsten Befunde der letzten Jahre.
Warum hält sich ein Konzept, das der empirischen Überprüfung so wenig standhält, dennoch so hartnäckig, selbst unter Experten? Antwort: Der Glaube an die Krebspersönlichkeit schützt Gesunde vor der Angst, selbst zu erkranken. Krebs bekommen eben nur "die anderen" – Menschen mit seelischer Disposition. Das Schlimme daran: Die Patienten werden so stigmatisiert und ausgegrenzt.
"Psychologische Krankheitstheorien sind machtvolle Instrumente, um die Schande auf die Kranken abzuwälzen", schrieb die amerikanische Publizistin Susan Sontag in ihrem Essay "Krankheit als Metapher" schon vor rund 30 Jahren. "Patienten, die darüber belehrt werden, dass sie ihre Krankheit unwissentlich selbst verursacht haben, lässt man zugleich fühlen, dass sie sie verdient haben." Wie Befragungen zeigen, sind Menschen, die ihre Krebserkrankung auf psychische Ursachen zurückführen, tatsächlich emotional besonders belastet. Nicht nur ihre körperliche, auch die psychische Integrität ist bedroht, das ganze bisherige Leben in Frage gestellt, hat es doch offenbar zu ihrer Erkrankung geführt.
Auf Basis der wissenschaftlichen Evidenz kann man die Theorie von der Krebspersönlichkeit nur zurückweisen. Sie gehört in die Mottenkiste der Psychoonkologie. Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Krebs kann jeden treffen, es gibt keine Versicherung dagegen – auch nicht Glück und gelingendes Leben.
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