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Alexie: Der Mann, der nicht mehr lesen konnte

Von einem Tag auf den anderen war Oscar C. unfähig, auch nur ein Wort zu lesen. Seine Sehkraft schien aber nicht ­beeinträchtigt. Was war in seinem Gehirn passiert?
Ein Mann, der zu versucht zu lesen

Im Oktober 1887 verspürte der pensionierte Tuchhändler Oscar C. plötzlich eine Taubheit in seiner rechten Körperhälfte. Er war immer gesund gewesen und machte sich daher anfangs keine großen Sorgen. Einige Tage später trat aber ein weiteres Problem auf. Jules Joseph Déjerine (1849–1917), der Neurologe, der Oscars Geschichte dokumentierte, beschrieb es so: »Dem Kranken fiel schlagartig auf, dass er kein einziges Wort mehr lesen konnte. Und das, obwohl es ihm nicht schwerfiel zu schrei­ben, zu sprechen sowie Objekte und Personen in seinem Umfeld wahrzunehmen.« Abgesehen von der plötzlichen Leseschwäche waren seine mentalen und physischen Funktionen vollkommen intakt. Zwei Wochen nach Einsetzen der Symptome untersuchte ­Edmund Landolt (1846–1926), ein damals bekannter Augenarzt, den Patienten. Als er Oscar Buchstaben zeigte, war dieser nicht fähig, sie zu benennen. Ein A verglich er mit einer Staffelei, ein Z mit einer Schlange und ein P mit einer Schlaufe. Die Augen konnten hier nicht das Problem sein, bestätigte Landolt. Er diagnostizierte eine »verbale Blindheit«, deren plötzliches Auftreten auf einen Schlaganfall als Ursache hinwies.

Heute würden wir Oscars Erkrankung als »reine Alexie« bezeichnen. Die Störung, die oft durch einen Schlaganfall ausgelöst wird, beeinträchtigt einzig die Lesefähigkeit, während andere sprachliche Fertigkeiten erhalten bleiben ...

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  • Literaturtipp

Dehaene, S., Cohen, L.: The Unique Role of the Visual WordForm Area in Reading. In: Trends in Cognitive Sciences 15, S. 254–262, 2011

Resümiert moderne Erkenntnisse zum »visuellen Wortformareal«

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