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Am Rande: Der Betriebsausflug



Der große Tag ist da. Betriebsausflug. Unser Vorschlag, eine Tour durch die Lieblingsbrauerei des Assistenten zu machen, hatte mit 20 zu eins gegen die energische Stimme unseres Professors verloren. Dieser favorisierte eine Spezialführung bei einem Hersteller für Messgeräte, zweifellos lehrreich und auf unser professionelles Physiker-Wissen zugeschnitten. Das Geld des Steuerzahlers ist in guten Händen.

Doch wir sind nicht die einzigen mit verantwortungsbewusstem Oberhaupt. Im Anschluss an ein einführendes Video über die innovative, integrative und umweltfreundliche Firmenphilosophie kollidieren wir auf dem Flur beinahe mit einer weiteren Besuchergruppe: Leidensgenossen! "Guckt mal, Turnschuhträger", frotzelt unser neuer Diplomand, heute ausnahmsweise in Ausgehkleidung. "Bestimmt auch Physiker", grinst nun auch der Postdoc und zupft die ungewohnte Krawatte zurecht. Um bösen Vorurteilen keine Nahrung zu bieten, war für den Firmenbesuch anstelle des sonst üblichen Labor-Outfits vorzeigbare Garderobe angeordnet worden.

Und unsere Mühen werden auch prompt belohnt: Während die fremden Kollegen zögerlich einem gestikulierenden Laborgespenst mit bleicher Haut und weißem Kittel folgen, werden wir von einer adretten jungen Dame abgeholt. "Vergesst den Film", verkündet da unser Chef erfreut. "Jetzt wird es interessant." Doch statt uns direkt in die Produktentwicklung zu geleiten, gelangen wir mit der Dame treppauf in die Verwaltung, während sie ein paar warme Worte über das ungewöhnlich angenehme Arbeitsklima verströmt. "… und er wollte es sich nicht nehmen lassen, Sie auch persönlich zu begrüßen", strahlt sie und präsentiert uns dem Geschäftsführer, einem Schlipsträger mit Zahnpasta-Lächeln. "Ah, da sind ja unsere Nachwuchskräfte!"

Kurze führungsdynamische Shakehands und geselliges Socializing in einem großräumigen Büro. "Immerhin gibt es Kaffee und Kekse", höre ich den Assistenten murmeln. "Wie Sie sicherlich wissen, haben wir letztes Jahr erfolgreich ein neues Programm zur Mitarbeitermotivation eingeführt", erklärt der Manager und stürzt sich in einen längeren Monolog. Derweilen nutzen wir die Gelegenheit und machen uns, nicht ohne eine gewisse Gier, über das Gebäck her.

Es zieht sich. Eine Stunde später haben wir noch immer kein einziges Messgerät gesehen. Dafür sind wir jetzt fit in Unternehmensführung, Marketing und den Problemen der Messgerätestrategie. Endlich, der Geschäftsführer setzt zum Schlusswort an: "Wenn Sie dann bald ihr Wirtschaftsstudium beendet haben ..." Wir stutzen, auch der Chef erwacht erschrocken. "Wir sind doch Physiker", bricht es aus ihm heraus. Stille. Irritiert blicken wir uns an. "Aber wo sind denn dann die Wirtschaftswissenschaftler?", entfährt es dem Manager. Die treffen wir kurze Zeit später wieder – im benachbarten Brauhaus, das unser Chef allen voran erstürmt. "Ich brauche jetzt erst einmal ein Bier!" Na, das hätten wir auch eher haben können.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 2000, Seite 96
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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