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Am Rande: Der Fl-Schalter



Vorurteile aller Art durchziehen unser Leben. Physiker, so die gängige Meinung, seien blass, introvertiert und neigten zu etwas unreiner Haut. Doch insbesondere gilt: Physiker sind männlich. Vor allem die Entbehrung letztgenannter Eigenschaft lässt mich hin und wieder um die Anerkennung meiner fachlichen Kompetenz fürchten – weniger unter Kollegen als vielmehr in der eigenen Familie. Zum Beispiel mein Vater, eigentlich gar nicht konservativ, löst sich nur ungern vom verstaubten Bild der technisch nur leidlich begabten Frau.

Seit Jahren predige ich über Sicherheitsstandards im Haushalt. Wie oft habe ich meinem Vater sanft die Notwendigkeit eines Fehlerstromschalters erklärt. Seine einzige Reaktion: ein abwesendes "Hm?!" "Paps, aber bei den alten Kabeln ist eine zusätzliche Sicherung lebensnotwendig." Erst recht, wenn der Ingenieur in meinem Vater mit einem "Ich mach das mal schnell" gelegentlich nach außen drängt. Behutsam habe ich die Gefahr geschildert, die dem unbedachten Familienmitglied droht, welches versehentlich an eine offene Leitung fasst. Ich habe ganz zufällig bemerkt: "Es könnte auch das männliche Oberhaupt sein." "Hm!" Bei dieser geballten Menge an unverborgenem Desinteresse half gar nichts. Kein sanftes Drängeln, kein Toben, keine Tränen. Dabei meine ich es doch nur gut! In wahren Glücksmomenten konnte ich meinem Vater immerhin ein brummiges "Hm, mal sehen" entlocken – womit er das Problem aber wieder aus seinem Gedächtnis verbannte. Allen Erklärungen und Skizzen zum Trotz behauptete mein Vater letztlich immer nur unwirsch: "Weiß ja gar nicht, was das ist."

Späte Einsicht kam erst durch meinen Freund – ebenfalls Physiker. Zwar weder blass, noch introvertiert, mit einer Haut zart wie ein Babypopo, so war er doch immerhin männlichen Geschlechts. Somit war er durchaus berechtigt, die erschrockene Frage zu stellen: "Was, Sie haben keinen FI-Schalter?" Und als wäre es die natürlichste Sache der Welt, antwortete mein Vater: "Nein, aber so einen wollte ich schon immer installieren."


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2000, Seite 102
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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