Direkt zum Inhalt

Am Rande: Schwarze Löcher, Weiße Zwerge & Co.



Frage: Wer ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Wissenschaft zuständig? Antwort: Die Metaphern. Oder glaubt jemand im Ernst, dass beispielsweise die Astrophysiker ohne die tatkräftige Unterstützung ihrer Weißen Zwerge und Roten Riesen mit so beständigem Erfolg ihre populärwissenschaftlichen Büchlein unters gemeine Volk streuen könnten? Wenn auch nicht zu diesem Zweck in die Welt gesetzt, nutzen Metaphern ihren forschenden Schöpfern vor allem beim Kontakt mit der Außenwelt, und der ist nicht nur beim Einwerben von Drittmitteln lebenswichtig oder gar lukrativ.

Nun aber scheint das Ende der fetten Jahre gekommen: Der Wissenschaft geht es an den Kragen. Die Wirtschaft hat Alarm geschlagen und kontert mit Macht. Ihr Gegenschlag ist so genial wie einfach: Damit das Geld nicht länger in die Hände obskurer Forscher abwandert, muss deren Sprachschatz umgekehrt in den Besitz der Finanzwelt gebracht werden.

Metaphernklau nennt man so etwas ... es wird spürbar eng auf dem Sprachmarkt. Wer die ersten Aktionärshauptversammlungen, auf denen Anzugträger ohne Wimpernzucken von "Umsatz-Quantensprüngen" prahlten, noch als Einzelfälle abtat, schreckt bei den neuesten Bilanz-Pressekonferenzen aus dem Dämmerschlaf: "Anspruchsvolles Finanzwissen ist unser genetischer Code", lässt da ein mit allen Wassern gewaschener Wirtschaftsboss als Aufmacher in der FAZ platzieren. Wessen Herz, wenn es für die Wissenschaft schlägt, zuckt da nicht peinlich berührt zusammen?

Die Lage könnte ernster kaum sein. Hier geht es nicht mehr um harmlose "Schwarze Löcher" in den Kassen irgendwelcher Parteien, in denen Geld samt Wählergunst auf immer verschwinden! Wenn Ron Sommer demnächst auf einer Recruitingveranstaltung seinen Führungskräften von morgen zujubelt, sie seien die "Stammzellen" der Deutschen Telekom, dann ist die Zukunft der deutschen Wissenschaft Vergangenheit!

Forscher aller Bundesländer, vereinigt Euch! Schützt Eure Metaphern!

Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2001, Seite 99
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Die Macht der Gute-Nacht-Geschichte

Vorlesen fördert nicht nur das Buchstabenverständnis, es ist sogar ein wichtiger Grundstein für die soziale Entwicklung. Was die Gute-Nacht-Geschichte alles bewirken kann, lesen Sie in der aktuellen »Woche«. Außerdem: Die Écalle-Theorie bringt endliche Antworten auf unendlich scheinende Fragen.

Spektrum Kompakt – KI im Einsatz - Gekommen, um zu bleiben

Künstliche Intelligenz beantwortet längst nicht nur Fragen im Chat. Durch stetiges Lernen berechnet sie das Risiko zukünftiger Naturkatastrophen, entschlüsselt tierische Kommunikation und unterstützt die medizinische Diagnostik.

Spektrum - Die Woche – Auf ewig Postdoc

Sie hangeln sich von Vertrag zu Vertrag, pendeln von Kontinent zu Kontinent. Kein Wunder, dass Postdoc-Beschäftigte zunehmend unzufrieden mit ihren Lebensverhältnissen sind. Außerdem stellen wir in dieser Ausgabe die ersten Bilder von Euclid vor und fühlen de Kategorientheorie auf den Zahn.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.