Sprache : Über Nacht weise
Er stand da, inmitten seiner Gäste, als er plötzlich – bums – zusammenbrach und zu Boden fiel.« Gestenreich schildert die Inhaberin eines kleinen Bistros im Randbezirk von Paris den Feuerwehrleuten das Unglück, das ihrem Ehemann Maxime zugestoßen ist. Die Einsatzkräfte bringen den Patienten in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses. Bei seiner Ankunft dort ist er wie weggetreten. Fragen, die man ihm stellt, kann er nicht beantworten, und auf Stimulation reagiert er mit heftigen, hastigen und drohenden Bewegungen.
In den kommenden Tagen wird seine Unruhe immer stärker, während er nach und nach das Bewusstsein wiedererlangt: Verwirrt redet er unzusammenhängendes Zeug, versucht, aus dem Krankenhaus zu fliehen, zerstört mutwillig Gegenstände und richtet Drohgebärden gegen das Personal. Medizinische Tests sind nur schwer mit ihm durchzuführen, da er sich nicht besonders kooperativ verhält.
Nach drei Tagen ist Maxime schließlich wieder gänzlich wach – und zur Verwunderung aller plötzlich ein völlig anderer Mensch. Als die Krankenschwestern nach ihm sehen, finden sie ihn sitzend auf seinem Bett auf der Intensivstation vor, während er vor seinen Zimmergenossen kurze, esoterisch und philosophisch anmutende Reden hält. Die heitere Sicherheit, mit der er seine Thesen vorträgt, und sein weises Auftreten verleihen ihm im Krankenzimmer eine starke Präsenz. So legt sich etwa bei der Frage »Was ist Gott?« ein kleines Lächeln auf seine Lippen, das durch die leichte Lähmung seines Gesichts noch ein wenig prägnanter wirkt. »Gott ist in freien Menschen!«, antwortet er und bringt damit seine Zuhörer zum Nachdenken. Dabei war Maxime seiner Frau zufolge früher oft aufbrausend und mochte weder Literatur noch Philosophie, Religion oder Mystizismus! …
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben