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Evolution: Aufstieg der Tiere

Die »kambrische Explosion« der Artenfülle vor rund 541 Millionen Jahren kam wohl weniger ­plötzlich, als Forscher das bisher annahmen. Neue Daten zeigen: Das damalige massenhafte ­Auftreten komplexer Tiere hatte sich lange zuvor angekündigt.
Dickinsonia costata

Steile weiße Felsen säumen die gewaltigen Flüsse Sibiriens. Wer auf ihnen steht, dessen Füße berühren buchstäblich einen Wendepunkt in der Geschichte des Lebens. Es ist die 541 Millionen Jahre alte Trennlinie, die das Zeitalter des Kambriums (541 bis 485 Millionen Jahre vor heute) von der vorhergehenden Phase des Präkambriums scheidet. Unterhalb dieser Grenze enthält das Gestein nur spärliche fossile Überreste: geisterhafte Abdrücke von Lebewesen, deren Körper offensichtlich weich waren, und ein paar vereinzelte Relikte von Organismen mit Gehäusen. Oberhalb der Linie hingegen wimmelt es von Schalen und Gehäusen. Noch ein wenig höher tauchen Fossilien von Tieren wie den Trilobiten auf. Allem Anschein nach haben sich die damaligen Ökosysteme binnen kurzer Zeit sehr stark verändert – ein Ereignis, das wir heute als »kambrische Explosion« bezeichnen. Es ist eine der bedeutendsten und zugleich rätselhaftesten Episoden der Evolution.

Jahrzehntelang nahmen Wissenschaftler an, komplexe Tiere – das heißt vielzellige mit unterschiedlichen Gewebetypen – seien im Wesentlichen während der kambrischen Explosion entstanden. Und tatsächlich kamen zu jener Zeit zahlreiche neue Formen auf, darunter die Vorfahren vieler Hauptgruppen des heutigen Tierreichs. Neue Entdeckungen in Sibirien, Namibia und anderswo belegen jedoch, dass die Entwicklung komplexer Tiere schon Jahrmillionen vor dem Kambrium einsetzte, nämlich während des so genannten Ediacariums, des letzten Abschnitts des Präkambriums. Unter den Fossilien von damals finden sich Überreste der ältesten bekannten Wesen, die über ein Innen- oder Außenskelett aus mineralisiertem Körpergewebe verfügten – eine ganz entscheidende evolutionäre Neuerung, die sich in der Natur bis heute bewährt.

Demnach gibt es gepanzerte Tiere schon seit mindestens 550 Millionen Jahren. Die Selektionsdrücke, die vor 541 Millionen Jahren die kambrische Explosion vorantrieben, waren somit wohl schon lange vorher wirksam gewesen. Wenn wir herausfinden, wie sie im Ediacarium die frühe Evolution der Tiere prägten, sollte es uns leichter fallen, den erstaunlichen Entwicklungsschub zu verstehen, der im Kambrium folgte …

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  • Quellen

Retallack, G. J.: Ediacaran life on land. Nature 493, 2013

Seilacher, A. et al.: Ediacaran biota: The dawn of animal life in the shadow of giant protists. Palaentological Research 7, 2003

Tostevin, R. et al.: Low-oxygen waters limited habitable space for early animals. Nature Communications 7, 2016

Wood, R. A. et al.: Integrated records of environmental change and evolution challenge the Cambrian explosion. Nature Ecology and Evolution 3, 2019

Zhu, M. et al.: A deep root for the Cambrian explosion: ­Implications of new bio- and chemostratigraphy from the Siberian Platform. Geology 45, 2017