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Automatische Texturanalyse


Bildgebende und -auswertende Systeme unterstützen das Automatisieren von Produktionsprozessen in vieler Hinsicht. Zum einen können sie Bauteile erkennen, die einer Maschine zur Weiterbearbeitung oder Montage zugeführt werden, ihre Lage bestimmen und entsprechende Rückmeldungen an die Prozeßsteuerung geben. Zum anderen setzt man sie aber auch ein, um – statt nur Stichproben zu erheben – alle Resultate eines Bearbeitungsschritts oder sämtliche fertigen Produkte auf ihre Qualität hin zu prüfen. Kriterien können Vollständigkeit, Form und Maßhaltigkeit sein; insbesondere ist des weiteren das Erkennen von Oberflächenfehlern Gegenstand der Forschung, wobei es mittlerweile sogar reine Schönheitsfehler aufzuspüren gilt, also sichtbare Störstellen ohne Beeinträchtigung der Funktion. Die Sichtung soll sowohl Ausschuß eliminieren als auch Ware erster und zweiter Wahl unterscheiden.

Meist sind Menschen damit betraut, doch sind sie gegenüber automatischen visuellen Systemen in vieler Hinsicht im Nachteil:

- Die Arbeit ist monoton und ermüdend, der Arbeitstakt meist sehr hoch;

- komplexe Texturen sind für den Menschen kaum oder gar nicht quantitativ zu beurteilen;

- eine subjektive Bewertung läßt sich schwer standardisieren und dokumentieren, abnehmerspezifische Kriterien sind nur mit hohem Aufwand zu berücksichtigen, und

- eine Integration in den Informationsfluß der rechnerintegrierten Fabrik ist problematisch, was Qualitätssicherung und Rückkopplung auf den Produktionssprozeß erschwert.


Das Verfahren

Als Textur bezeichnet man den visuellen Eindruck einer Oberfläche, der von ihrer Beschaffenheit herrührt, insbesondere von der Musterung. Wie sie wahrgenommen wird erforschen zwar seit einigen Jahren Psychologen, Psychophysiker und auch zunehmend Informatiker; eine einheitliche Definition kam aber noch nicht zustande. Normen zur Beschreibung des Oberflächencharakters von Werkstücken subsumieren Texturen denn auch nur als die vom bloßen Auge erfaßbare Anordnung der Oberflächenmerkmale. In der Bildverarbeitung sucht man sie samt Eigenschaften wie glatt, faserig oder gerastert mit statistischen Modellen zu erfassen.

Im Unterschied zu Schäden wie der Verformung oder der Trennung von Werkstoffverbunden, die sich beispielsweise als Rauhigkeit, Welligkeit und andere Kenngrößen angeben lassen, sind Fehler von Texturen wesentlich schwerer zu quantifizieren: Es geht dabei nämlich nicht um jeweils ein spezifisches Prüfmerkmal, sondern um den Gesamteindruck einer Fläche, beispielsweise um den mehr oder minder ästhetischen Grad ihrer Marmorierung.

Zunächst bedarf es einer Vorverarbeitung der Bilddaten, denn selbst bei optimaler Aufnahme lassen sich Störungen wie Rauschen oder Schatten nicht vermeiden. Dabei kann man mit entsprechenden Filtern wichtige Merkmale hervorheben (Bild 1). Als elementare und zugleich effiziente Methode analysiert man dann die relativen Häufigkeiten der Grauwerte eines Bildes oder eines Ausschnitts (Bild 2). Aus einem solchen Histogramm lassen sich unterschiedliche Merkmale ableiten wie der mittlere Grauwert, die Varianz als Maß der Streuung um diesen Wert, die Schiefe als Charakteristikum der Asymmetrie des Histogramms, Maxima und Minima, deren Häufigkeit und anderes mehr. So haben Bildbereiche mit geringen Grauwertschwankungen ein Histogramm mit ausgeprägter Spitze, während solche mit starken Texturierungen keine derartige Ausprägung der Kurve aufweisen.

In der Grauwertverteilung geht allerdings jegliche Strukturinformation verloren. Wo diese wichtig ist, nutzt man die Grauwertabhängigkeitsanalyse, auch Co-Occurrence-Matrix genannt. Außer der reinen Statistik berücksichtigt sie auch die Beziehung der Bildpunkte in der Fläche: Die Anzahl der Grauabstufungen gibt zunächst die Dimension der Matrix vor; haben zwei Bildpunkte die Grauwerte i und j, wird das Matrixelement an der Position (i,j) um den Wert eins erhöht. Ist ein Bildbereich sehr homogen, sind benachbarte Bildpunkte ähnlich grau, und die Hauptdiagonale der Matrix ist dann stärker besetzt; bei hohem Kontrast dominieren Nichtdiagonal-Elemente (Bild 3).


Störstellen auf Gummiteilen

Ein Beispiel aus der Praxis ist die Klassifizierung von Störstellen auf Gummiteilen, wie sie etwa für Laufräder oder Umlenkrollen verwendet werden. Bedingt durch Werkstoffherstellung und Fertigungsprozeß können sie vier Arten von Fehlern aufweisen (Bild 4): Risse und Farbabweichungen durch Materialeinschlüsse heben sich sehr gut flächen- oder linienhaft von der Solloberfläche ab. Durch Aufrauhen der Oberfläche entsteht eine typische Texturierung, und eine Abschürfung ist zwar eher flächenhaft ausgeprägt, weist aber auch eine bestimmte Texturierung auf.

Aus dem Histogramm lassen sich Merkmale dieser Klassen ableiten. Da sich deren Wertebereiche jedoch mitunter überdecken, nutzt man Kombinationen davon. Im Test erwiesen sich beispielsweise Varianz sowie Minima und Maxima des Histogramms als besonders geeignet, um Risse, Einschlüsse und Aufrauhungen mit hoher Genauigkeit zu erkennen; ihrem flächenhaften Charakter entsprechend erfordern Abschürfungen den Einsatz der Grauwertabhängigkeitsanalyse.


Marmorierte Flächen und Schleifpapiere

Objektive Merkmale für den visuellen Eindruck marmorierter Oberflächen etwa von PVC-Bodenbelägen, Fliesen oder Kacheln sind besonders schwer zu gewinnen. Man braucht sie als Grundlage eines Gütemaßes der Musterung.

Unser Institut entwickelte deshalb ein trainierbares Bildauswertesystem. Ihm werden zunächst Referenz- und Grenzmuster dargeboten, dann Merkmale der Co-Occurrence-Matrix wie Kontrast, Energie und Entropie berechnet und zu einem Merkmalsvektor zusammengefaßt, der das jeweilige Muster in komprimierter Form beschreibt. Die Vektoren speichert man schließlich nach Nummer und Art (Referenz- oder Grenzmuster) in einer Datenbank.

Zur automatisierten Prüfung laufender Materialproben bekommt das System die betreffenden Musternummern mitgeteilt. Es ermittelt die beschreibenden Merkmale aus dem Bild und anhand der jeweiligen Klassifikatoren das Gütemaß der Produktqualität; dessen zeitliche Änderung läßt sich verfolgen und zur Verbesserung der Qualität beziehungsweise zum optimalen Einstellen der Anlagenparameter nutzen.

Ein besonders anschauliches Beispiel für die Möglichkeiten der vorgestellten Methode ist die visuelle Inspektion von Schleifpapieren. Selbst bei genauem Betrachten werden Laien Abweichungen einer bestimmten Körnung nicht erkennen; und Fachleuten gelingt es nur nach jahrelanger Übung, die minimalen optischen Unterschiede auszumachen, die Schleifleistung und Haltbarkeit bestimmen (Bild 5).

Solche Feinheiten erkennen aber automatische Systeme mit der Grauwertabhängigkeitsanalyse zuverlässig sogar ohne Bildvorverarbeitung. Aufgrund der Belehrbarkeit der eingesetzten Verfahren lassen sich auch stets neue Produkte in die Datenbank aufnehmen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1996, Seite 112
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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