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Behandlung von Abwasserteilströmen am Beispiel der Mikroelektronik


Zur Massenproduktion hoch- und höchstintegrierter Mikrochips sind in den letzten Jahren immer raffiniertere Fertigungsprozesse entwickelt worden. Dabei fallen jedoch ungewöhnliche Abbauprodukte in Form komplexer Stoffgemische an, deren toxische Wirkungen erforscht und die umweltgerecht entsorgt werden müssen.

Speziell beim plasmachemischen Trockenätzen sind zwar die hochreinen Einsatzstoffe wie Tetrachlorkohlenstoff und Bortrichlorid bekannt, doch werden sie im hochfrequenzangeregten Plasma in Radikale (äußerst reaktive Molekülbruchstücke mit ungepaarten Elektronen) zerlegt, die erst die gewünschten extrem feinen Strukturen in die mit Aluminium und Photolack beschichtete Siliciumscheibe ätzen. Im allgemeinen erzeugt man dabei weitaus mehr Radikale, als verbraucht werden. Indem die ungenutzten Bruchstücke sich wahllos verbinden, entsteht eine große Vielfalt an organischen Chlorverbindungen, die hochtoxische und genschädigende Wirkungen haben können. Außerdem bilden sich problematische anorganische Substanzen wie Aluminiumtrichlorid und Borsäure. Wegen des weltweit hohen Produktionsvolumens an hochintegrierten Schaltkreisen war es dringend erforderlich, umweltverträgliche Technologien zu erarbeiten, um die Nebenprodukte der Chip-Fertigung so zu entsorgen, daß die in den meisten Ländern vorgeschriebenen gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden.

Diesem Ziel galten auch die Arbeiten am Institut für Wasserchemie und chemische Wassertechnologie der Technischen Universität Dresden. Insbesondere strebten wir an, Problemabwässer aus der Mikroelektronik mit hohem Anteil an biologisch schwer oder nicht abbaubaren, refraktären (chemisch und thermisch widerstandsfähigen) toxischen Stoffen umweltgerecht zu mineralisieren, also derart zu behandeln, daß sie als unschädliche natürliche Mineralstoffe enden.

Dabei erwies sich die Behandlung mit Oxidationsmitteln (Wasserstoffperoxid und Ozon) unter Bestrahlung mit ultraviolettem Licht als Methode der Wahl. Sie hat wesentliche Vorteile gegenüber konventionellen Verfahren. So werden die Schadstoffe durch Oxidation zu Kohlendioxid und Wasser sowie eventuell zu gelösten einfachen anorganischen Salzen (Chloriden, Nitraten, Sulfaten und Phosphaten) vollständig vernichtet. Insbesondere handelt es sich nicht um ein Anreicherungsverfahren, bei dem ein Schadstoffkonzentrat produziert würde, das seinerseits deponiert oder entsorgt werden müßte. Es fällt auch kein Schlamm oder anderer Feststoff an, der zu deponieren wäre.

Das Abfallproblem wird also direkt in der wäßrigen Phase gelöst und nicht in die Gas- oder die Feststoffphase verlagert. Ein Zusatz von Metallsalzen, Flockungsmitteln, Chlor oder giftigen Gasen ist nicht erforderlich, und der Salzgehalt der Lösung erhöht sich nicht oder nur unwesentlich.

Für die Experimente verwendeten meine Mitarbeiter und ich reale Abwässer, damit sich die Ergebnisse ohne weiteres in die Praxis übertragen lassen. Indem wir die Konzentration der Verunreinigungen (den Verdünnungsgrad), die Dosis und Wellenlänge der Strahlung, die Menge an zugesetzten Oxidationsmitteln, die Verweilzeit im Photoreaktor und andere Prozeßparameter variierten, konnten wir die optimalen Bedingungen für den Naßoxidationsprozeß ermitteln und Daten für die Gestaltung und Auslegung des Reaktors gewinnen.


Einsatz von UV-Strahlern

Zur UV-katalysierten Naßoxidation wurden Ultraviolett-Pilotreaktoren der Firma Umex in Erfurt (Bild 1) eingesetzt, die einen oder mehrere Quecksilber-Niederdruckwendelstrahler mit einer Leistungsaufnahme von je 130 Watt enthielten. Niederdruckstrahler sind besonders geeignet, reaktive Hydroxyl- (OH) und Perhydroxy-Radikale (O2H) im Wellenlängenbereich um 254 Nanometer (millionstel Millimeter) zu erzeugen, die dann das organische Schadstoffmolekül oxidieren. Die wichtigsten im Reaktor ablaufenden Reaktionen sind in Bild 2 zusammengefaßt; außerdem kann auch die UV-Strahlung selbst bereits organische Schadstoffmoleküle spalten und so zumindest teilweise zerstören.

Die von uns eingesetzte wendelförmige Entladungsröhre, die um ein Quarzrohr angebracht ist, hat den weiteren Vorteil, daß sich der Raum zwischen dem äußeren Mantel und dem Quarzrohr gleichzeitig zum Erzeugen von Ozon nutzen läßt, das eines der stärksten Oxidationsmittel ist. Dazu wird über einen Rohranschluß Sauerstoff oder Luft in den Mantelraum gepumpt und das daraus im UV-Licht gebildete Ozon über eine Rohrleitung und Fritte in den Reaktionsraum gedrückt, durch den das zu bestrahlende Abwasser im Gleich- oder Gegenstrom fließt.

Eine hohe Strömungsgeschwindigkeit (300 Liter pro Stunde bei einem effektiven Reaktorvolumen von 71 Litern) sorgt dafür, daß eine weitgehend turbulente Strömung entsteht, so daß man auf dynamische oder statische Mischvorrichtungen wie Rührer oder Füllkörper verzichten kann. Sind größere Abwassermengen zu behandeln, lassen sich relativ einfach mehrere Photoreaktoren hintereinanderschalten.

Zum Studium des photochemischen Abbauprozesses wurden in bestimmten Zeitabständen Proben entnommen und auf Säuregrad, biologischen sowie chemischen Sauerstoffbedarf, Gehalt an adsorbierbaren anorganischen Halogenverbindungen und Toxizität für Leuchtbakterien analysiert. In einer eigenen Versuchsserie ersetzten wir die Quecksilber-Niederdruck- durch Hochdruckstrahler, um Umsatzgeschwindigkeit und Effizienz zu vergleichen. Dabei zeigte sich, daß zur Behandlung konzentrierter Abwässer vorzugsweise Hochdruck-, sonst aber die energiesparenden Niederdruckstrahler eingesetzt werden sollten.


Kombination mit anderen Verfahren

Die UV-Oxidationsmittelbehandlung läßt sich je nach Belastung der Abwässer auch flexibel mit anderen Reinigungsschritten kombinieren. So kann man ho-he Konzentrationen an organisch gebundenem Kohlenstoff (mehr als 500 Milligramm pro Liter) zunächst durch eine biologische Vorbehandlung vermindern, um danach nur noch die verbliebenen biologisch schwer oder nicht abbaubaren Stoffe umzuwandeln. Unser Verfahren zur Vernichtung der gesamten Last einzusetzen, wäre wegen des doch relativ hohen Aufwands an Geld und Energie (30 bis 50 Mark pro Kubikmeter Abwasser bei drei Gramm pro Liter organisch gebundenem Kohlenstoff) ökonomisch nicht sinnvoll.

Wird dagegen umgekehrt durch den photochemischen Oxidationsprozeß die biologische Abbaubarkeit erhöht, sollte ihm die mikrobielle Behandlung als billiges Reinigungsverfahren nachgeschal-tet werden. Wenn danach die Grenzwerte immer noch nicht erreicht sind, könnte man die restlichen Schadstoffe durch Adsorption eliminieren (Bild 3).

Oft sind Abwässer aus der Chip-Fertigung stark sauer oder alkalisch. In diesem Falle müssen sie zunächst neutralisiert werden. Stellt sich in Vorversuchen heraus, daß dabei Feststoffe ausfallen, ist noch eine Filtration vorzuschalten.

Bei niedrigen Schadstoffkonzentrationen – beispielsweise in Spülwasser – gilt es zu prüfen, inwieweit ein Aufkonzentrieren der Schadstoffe die Wirksamkeit der anschließenden UV-Oxidationsmittelbehandlung und die biologische Abbaubarkeit erhöht, oder ob es zweckmäßiger scheint, das verdünnte Abwasser direkt zu bestrahlen.

Bei der Entscheidung über das anzuwendende Aufbereitungsverfahren ist außer der Schadstoffkonzentration auch die Durchlässigkeit der zu behandelnden Wässer für UV-Strahlung wichtig. Die endgültige Auswahl der geeigneten Kombination von Verfahrensschritten läßt sich schließlich sowohl nach ökologischen wie ökonomischen Gesichtspunkten treffen.

Anhand zahlreicher Labor- und halbtechnischer Versuche haben wir für die Reinigung von drei charakteristischen Abwässern aus der Mikroelektronikindustrie optimale Kombinationen ermittelt. Die damit erreichten Schadstoffkonzentrationen unterschreiten die Grenzwerte aus der Rahmen-Abwasser-Verwaltungsvorschrift, Anhang 40 (Metallbe- und verarbeitung), von 1992 wesentlich. Bei Abwässern aus der extraktiven Wiederaufarbeitung von synthetischen Hochvakuumpumpen-Ölen aus perfluorierten Polyethern reichte sogar die UV/Ozon-Behandlung allein aus (Bild 3). Prinzipiell sollten sich die von uns erarbeiteten Verfahren auch in anderen Industriezweigen wie der pharmazeutischen oder chemischen Industrie und der Textilfärberei anwenden lassen.

Wenn Abwässer aus der Reinigung des Plasmaätzreaktors und des Öls für die Hochvakuumpumpen im gleichen Betrieb anfallen, empfiehlt es sich, sie wegen ihrer ähnlichen chemischen Zusammensetzung zusammenführen und gemeinsam zu behandeln.

Als effektivste Verfahrenskombination erwies sich in diesem Falle eine dreistufige Vorbehandlung aus Neutralisationsfällung, biologischem Abbau durch angepaßte Mikroorganismen und Filtration. Dabei muß der abfiltrierte Neutralisationsschlamm allerdings zusätzlich entsorgt werden. Wie sich zeigte, enthält er jedoch kaum chlorierte Kohlenwasserstoffe, deren Halogen bei der UV-Behandlung in wasserlösliches Chlorid umgewandelt wird, und nur Spuren von Schwermetallen; die beste Möglichkeit, ihn zu beseitigen, scheint deshalb die Verbrennung zu sein.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1994, Seite 107
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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