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Bekämpfung der Salmonellose mit modernen Impfstoffen

Salmonellen-Infektionen von Menschen, die tödlich verlaufen können, haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Bekämpfung des Erregers durch Chemotherapeutika in den als Reservoir dienenden Tierbeständen und durch Lebensmittelhygiene war unzureichend; ein Impfstoff mußte entwickelt werden.

Annähernd 200000 amtlich erfaßte Salmonellenerkrankungen in Form infektiöser Entzündungen der Darmschleimhaut (Enteritis infectiosa) und etwa 180 dadurch bedingte Todesfälle im Jahre 1992 machen die Herausforderung für das Gesundheitswesen in Deutschland deutlich. Ein großer Teil dieser Infektionen geht von Tierbeständen aus – die Erreger gelangen in Lebensmittel und vermehren sich häufig noch darin.

Salmonellen, eine nach dem amerikanischen Pathologen und Bakteriologen Daniel E. Salmon (1850 bis 1914) benannte Gattung der Enterobakterien, leben bevorzugt im Verdauungstrakt. Die etwa 2200 Serovarietäten – Serovaren oder Serotypen genannt – der Art Salmonella enterica sind freilich nicht alle in gleicher Weise als Krankheitserreger bedeutsam. So werden die aktuellen Infektionen beim Menschen fast auschließlich durch solche Serovare verursacht, die nicht speziell an bestimmte Tierarten angepaßt sind, vor allem S. enteritidis aber auch S. typhimurium (die verschiedenen Serotypen hat man mit eigenen Namen versehen, als wären sie getrennte Arten). Als Ansteckungsquellen kommen besonders Bestände von Hühnern in Betracht, bei denen die Infektion latent verläuft – die Tiere sind nicht sichtbar krank, tragen aber die Bakterien in sich, die dann durch den Verzehr von Eiern oder Fleisch auf den Menschen übertragen werden können.

Bei der Bekämpfung der Salmonellen sucht man zum einen die Häufigkeit der Infektionen in den Tierbeständen selbst zu reduzieren, zum anderen mit lebensmittelhygienischen Maßnahmen auf dem Weg von der Schlachtung der Tiere beziehungsweise vom Sammeln der Eier bis zum Verbraucher Bedingungen zu schaffen, die eine Kontamination oder die Vermehrung bereits vorhandener Bakterien verhindern. Der oftmals latente Charakter der Infektion in den Tierbeständen erschwert das jedoch; und weil infizierte Tiere auch durch Einsatz von Chemotherapeutika nicht zuverlässig von den Erregern zu befreien sind, ergab sich zwangsläufig die Frage nach geeigneten Impfstoffen.


Durch Mutation zu Impfstämmen

Anfangs ging man auch dabei auf klassische Weise vor: Massenkulturen von Bakterien wurden gezüchtet und mit Formaldehyd inaktiviert. Dadurch verloren sie ihre pathogenen – krankmachenden – Eigenschaften, regten aber noch das Immunsystem des geimpften Tieres zur Bildung von spezifischen Antikörpern an. Wenngleich sich mit dieser Methode gewisse Fortschritte erzielen ließen, blieb doch der erhoffte Durchbruch aus: Man erkannte schließlich, daß gerade die für die Abwehr von Salmonellen wesentlichen Immunreaktionen auf diese Weise nicht ausreichend angeregt wurden.

Diese Bakterien vermögen nämlich in Körperzellen – darunter sogar solche des Abwehrsystems – einzudringen und sich dort zu vermehren (daher gelten sie als fakultativ intrazelluläre Parasiten). Dort sind sie dem Angriff von Antikörpern weitgehend entzogen. Eine effektive Immunabwehr wird erst durch zellvermittelte Reaktionen möglich, die auf dem Zusammenwirken von T-Lymphocyten und Freßzellen (Makrophagen) basieren. Immunologen und Mikrobiologen wissen schon länger, daß dieser Teil der Abwehr sich am besten durch lebende Mikroorganismen anregen läßt. Das Problem bestand also darin, Salmonellenstämme zu finden, die sich zwar im Organismus des Impflings vermehren, aber trotzdem keine Erkrankung auszulösen vermögen.

Die Eigenschaften von Bakterien lassen sich nun unter Laborbedingungen durchaus so weit modifizieren, daß aus einem gefährlichen Krankheitserreger schließlich ein harmloser Impfkeim entsteht. Dazu setzt man Wildstämme einer Behandlung aus, durch die sie sozusagen zu genetischen Veränderungen gezwungen werden. Aus der Vielzahl der Mutanten wählt man dann auf geeignete Weise jene aus, die über die gewünschten Eigenschaften verfügt. Solche für Mensch und Tier avirulente (nicht mehr zur Krankheitsauslösung fähige), aber immunogene (die Immunabwehr stimulierende) Mutanten standen dank Arbeiten des Mikrobiologen Klaus Linde von der Universität Leipzig seit den siebziger Jahren zur Verfügung.


Lebendimpfstoff für Haustiere

Bis zur Entwicklung wirksamer Impfstoffe waren aber noch viele Fragen zu klären. So mußte eine mögliche Rückmutation (Reversion) zum virulenten Typ ausgeschlossen werden; zudem waren die Verteilung und Verweildauer im geimpften Tier sowie die Ausscheidung durch die Impflinge zu untersuchen.

Sehr wichtig ist es, den Impfstamm zweifelsfrei von virulenten Wildstämmen der gleichen Salmonellen-Serovar zu unterscheiden. Das ist unter anderem durch sogenannte Auxotrophie-Marker möglich. Durch die Mutation verändert sich nämlich auch der Stoffwechsel der Bakterien; sie verlieren zum Beispiel die Fähigkeit, die Aminosäure Histidin zu synthetisieren und können sich dann im Labor nur noch in solchen Nährmedien vermehren, die Histidin enthalten. Wildstämme hingegen wachsen auch in histidinfreier Umgebung. Damit läßt sich jedes Salmonellen-Isolat im Labor dahingehend prüfen, ob ein Wild- oder ein Impfstamm vorliegt.

Auf diesen Grundlagen vermochte man in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre im heutigen Impfstoffwerk Dessau-Tornau weltweit erstmals Lebendimpfstoffe zur Bekämpfung der Salmonellosen von Schweinen und Rindern herzustellen. Die Entwicklung und praktische Erprobung dieser Vakzinen haben die Tierärzte Wolfram Schöll aus Dessau und Horst Meyer aus Jena geleitet. In der DDR wurden die Präparate millionenfach eingesetzt, wodurch die Befallshäufigkeit in den Tierbeständen drastisch abnahm.


Impfung über das Tränkwasser

Als Mitte der achtziger Jahre die Salmonellosefälle bei Menschen drastisch anstiegen und Hühnerbestände als eine wesentliche Infektionsquelle ausgemacht wurden, lag es nahe, auch hier die Immunprophylaxe zu erproben. Aus tierärztlicher Sicht stellte sich die Situation allerdings etwas anders dar als zehn Jahre zuvor. Ging es ursprünglich um die Vorsorge gegen schwere und verlustreiche Tierseuchen bei Schweinen und Rindern, galt es nun, durch die Impfung die Häufigkeit latenter S.-enteritidis- und S.-typhimurium-Infektionen des Geflügels zu senken.

Zum Schutz von Küken, die zu Legehennen heranwachsen sollten, setzte man 1987 in Thüringen einen Lebendimpfstoff über das Tränkwasser ein. Nach sechs Monaten war S. enteritidis in dem Versuchsbestand nicht mehr nachzuweisen. Mehr noch – im Versorgungsbereich des Impfbetriebs nahmen auch die durch diese Serovar verursachten Erkrankungen von Menschen drastisch ab: Waren in dem betroffenen Verwaltungsbezirk 1987 je 100000 Einwohner 151,8 Salmonellosen aufgetreten, reduzierte sich dieser Wert 1988 auf 1,8.

Der Impfstoff für Hühner steht, seit 1992 das Bundesamt für Sera und Impfstoffe – das Paul-Ehrlich-Institut in Langen – die Zulassung erteilt hat, in ganz Deutschland zur Verfügung. Er schützt sowohl vor Infektionen mit S. typhimurium als auch vor solchen mit S. enteritidis. Weil der Impfstoff mit dem Tränkwasser verabreicht wird, entwickelt sich im Darmkanal auch eine gute örtliche Immunität. Keime von Wildstämmen können bei geimpften Tieren nicht mehr haften, so daß diese als Infektionsquelle für andere Tiere und den Menschen ausscheiden. Andererseits werden aber bereits befallene Tiere allein durch eine Impfung nicht mit Sicherheit salmonellenfrei; in einem Bestand müssen also über längere Zeit alle neuen Tiere immunisiert werden. In einer Hühner-Salmonellen-Verordnung, die der Bundesrat am 25. Februar bestätigt hat und die der Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie dient, hat der Gesetzgeber nun eine Impfpflicht erlassen; sie gilt für alle Betriebe, die mehr als 250 Junghennen für die Eierproduktion aufziehen.

Nun ist aber selbst die beste Impfung kein Allheilmittel. Andere Maßnahmen der Tierseuchenbekämpfung dürfen nicht vernachlässigt werden. Die Impfung erreicht ihren höchsten Nutzen in Verbindung mit einer optimalen Veterinärhygiene und ebensolchem Management.


Ausblick

An Salmonella-Lebendimpfstoffen wird inzwischen weltweit in der Human- und Veterinärmedizin geforscht. Vor allem sucht man die Organismen molekularbiologisch und genetisch zu charakterisieren und ihre Eigenschaften noch gezielter zu beeinflussen. Wegen des intrazellulären Parasitismus sind Salmonellenstämme aber auch als Träger für Antigene anderer Erreger interessant; sie können als Transportmittel benutzt werden, um Informationen über andere pathogene Mikroorganismen in Zellen einzuschleusen und dadurch Abwehrreaktionen auszulösen.

Aus dem ursprünglichen Ansatz, Rinder- und Schweinebestände vor Salmonellosen zu schützen, ist damit in den letzten zwanzig Jahren ein zukunftsträchtiges wissenschaftliches Arbeitsgebiet geworden, auf dem entscheidende Beiträge zur Bekämpfung der Salmonellosen des Menschen geleistet werden.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1994, Seite 118
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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