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Bestätigung für Pulsar-Planeten

Die schon vor zwei Jahren vermutete Existenz von Planeten um den Pulsar PSR 1257+12 konnte nun bewiesen werden. Wahrscheinlich haben sie sich aus Materie eines Nachbarsterns gebildet, die der Neutronenster abgesaugt hat.


Seit Jahrzehnten wird nach Planeten außerhalb des Sonnensystems gefahndet. Nicht selbst leuchtende Objekte in einer Entfernung von mindestens einigen Dutzend Lichtjahren bleiben allerdings auch den besten optischen Teleskopen verborgen. Deshalb kann man sie nur indirekt zu erkennen suchen – insbesondere daran, daß sie beim Umlauf um ihr Zentralgestirn dessen Position durch gravitative Wechselwirkung periodisch schwanken lassen

Nachdem sich viele angebliche Entdeckungen von Planetensystemen nicht bestätigt hatten, behaupteten Alexander Wolszczan vom Astronomie- und Ionosphärenzentrum in Arecibo ( Puerto Rico) und Dale A. Frail vom Radioastronomie-Observatorium in Socorro (New Mexico) Anfang 1992, ausgerechnet dort fündig geworden zu sein, wo man es am wenigsten vermutet hätte: bei einem Pulsar, also einem Neutronenstern, der wie ein kosmisches Leuchtfeuer in regelmäßigen Abständen Radiofrequenzblitze zur Erde funkt (Spektrum der Wissenschaft, März 1992, Seite 19).

Bei dem 1600 Lichtjahre entfernten PSR1257+12 im Sternbild Jungfrau, der mit der extrem schnellen Periode von 6,2 Millisekunden rotiert, hatten die beiden Astronomen Schwankungen der Pulsankunftszeiten um bis zu 15 billionstel Sekunden festgestellt. Wie die mathematische Analyse ergab, ließen sich die Oszillationen der gravitativen Störwirkung zweier Objekte zuschreiben, die den Pulsar in 66,6 beziehungsweise 98,2 Tagen im Abstand von 0,36 beziehungsweise 0,47 Astronomischen Einheiten umkreisen (1 Astronomische Einheit entspricht dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne von 149,6 Millionen Kilometern). Die Masse der beiden Körper berechneten Wolszczan und Frail zum 3,4beziehungsweise 2,8fachen der Erdmasse, dividiert durch den Sinus des unbekannten Neigungswinkels ihrer Bahnebene. Andere Astronomen konnten die Daten mit dem 42,70-MeterRadioteleskop in Green Bank (West Virginia) bestätigen ("Nature", Band 358, Seite 24).

Während die Schwankungen der Pulsankunftszeiten sich somit als real herausstellten, war allerdings nicht völlig auszuschließen, daß sie auf freier Präzession und Nutation beruhen, also auf einem Taumeln der Rotationsachse des Pulsars oder einer periodischen Drift seiner Magnetachse. Freilich waren solche Phänomene bei Neutronensternen bis dahin nicht beobachtet worden.

Immerhin bot sich eine Testmöglichkeit. Durch gravitative Wechselwirkung zwischen den beiden Planeten sollten die Exzentrizität ihrer Bahnen und ihre Umlaufzeiten periodisch schwanken. Günstig dabei ist, daß die Umlaufperioden wie die von Neptun und Pluto in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander stehen: Wenn der innere Planet dreimal um den Neutronenstern kreist, macht der äußere gerade zwei Umläufe. Dadurch sollte die gegenseitige Störung so stark sein, daß ihr an sich minimaler Einfluß auf die Pulsankunftszeiten bei entsprechend genauer Beobachtung innerhalb einiger Jahre eindeutig feststellbar wäre.

Wie Wolszczan nun berichtet, haben weitere Messungen diese Voraussage bereits bestätigt ("Science", Band 264, Seite 538). Außerdem zeigte sich die Gegenwart eines dritten Körpers von 0,015 Erdmassen (geteilt durch den Sinus der Inklination), der im Abstand von 0,19 astronomischen Einheiten in nur 25 Tagen umläuft. Damit muß PSR1257+12 als erster Stern außer der Sonne gelten, von dem feststeht, daß er Planeten hat.

Woher aber stammen diese Körper? Die vorgebrachten Erklärungsansätze lassen sich im wesentlichen in zwei Gruppen zusammenfassen.

Die Salamander-Modelle sind nach einem alten mythischen Lurch benannt, der im Feuer überlebt. Analog sollen die Planeten den Supernova-Ausbruch überstanden haben, bei dem der Vorläuferstern explodiert und zum Neutronenstern kollabiert ist. Dies scheint jedoch unwahrscheinlich, weil der Stern bei der Explosion seine äußeren Gas-Schichten abgesprengt und als expandierende Kugelschale ins All katapultiert hat. Daß drei Trabanten, statt weggefegt oder verdampft zu werden, das Inferno mit fast kreisförmigen Umlaufbahnen (Exzentrizität: 0,02) überstanden haben sollen, ist kaum vorstellbar.

Entsprechend haben sich nach den Memnoniden-Szenarien (benannt nach den mythischen Vögeln, die alljährlich der Asche des mit Troja verbündeten Äthiopierfürsten Memnon entsteigen und seinen Scheiterhaufen umkreisen) die Planeten erst nach dem Supernova-Ausbruch gebildet. Am plausibelsten ist wohl die Annahme, daß der Pulsar einem Nachbarstern Materie entzogen hat. Diese sammelte sich in einer Akkretionsscheibe, ehe sie auf den Neutronenstern stürzte und dabei seine Rotation enorm beschleunigte. In der Scheibe hätten binnen ein bis zehn Millionen Jahren – ähnlich wie vor fünf Milliarden Jahren im protosolaren Urnebel – Planeten kondensieren können. Der Begleitstern geriet im Sog des Neutronensterns schließlich so dicht an diesen heran, daß er auseinanderbrach oder förmlich verdampfte. Diese Hypothese hat den Vorteil, nicht nur die Planetenbildung, sondern auch die extrem schnelle Rotation des Pulsars zu erklären, der sich gut tausendmal rascher dreht als normale Relikte einer Supernova-Explosion.

Wenn sich unter solch extremen Bedingungen Planeten bilden konnten, sollten sie auch in zirkumstellaren Scheiben um junge Sterne entstehen, die in den letzten Jahren entdeckt worden sind. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, daß anderswo im Universum Leben existiert. Die Pulsar-Planeten sind als Ort dafür jedoch nicht geeignet. Ihre kraterübersäte Oberfläche dürfte bei Temperaturen über 400 Grad Celsius einer extrem intensiven Strahlung ausgesetzt sein.

Im Februar dieses Jahres berichtete T. V. Schabanowa auch über periodische Schwankungen der Pulsankunftszeiten von PSR0329+54, einem der hellsten Pulsare überhaupt, der sich im Sternbild Giraffe in der Nähe des nördlichen Himmelspols befindet (IAU Circular 5930). Die russische Astronomin hatte Messungen ausgewertet, die seit 25 Jahren am Radioastronomie-Observatorium von Puschtschino und an verschiedenen Sternwarten in den USA durchgeführt worden waren. Danach umkreisen den Pulsar im Abstand von 2,3 beziehungsweise 7,3 Astronomischen Einheiten zwei Planeten mit 0,3 beziehungsweise 2,0 Erdmassen dividiert durch den Sinus der Inklination; ihre Umlaufperioden betragen 1110 beziehungsweise 6140 Tage. Amerikanische Astronomen hatten im Jahre 1979 schon eine Periodizität von 1105 Tagen erschlossen, die damals aber nicht bestätigt werden konnte.

Da PSR0329+54 nicht im Millisekundenbereich rotiert, kommen Memnoniden-Modelle als Erklärung für die Planeten nicht in Betracht. Außerdem dürfte das junge Alter des Pulsars von nur etwa fünf Millionen Jahren zur nachträglichen Planetenbildung kaum ausgereicht haben. In diesem Falle scheinen die Satelliten also die Explosion des Vorgängersterns überstanden zu haben. Davon könnte auch die beträchtliche Exzentrizität (0,23) des größeren der beiden Planeten herrühren. Gerade seine Existenz ist allerdings noch fragwürdig, weil er seit den ersten Messungen erst 1,5 Umläufe hinter sich gebracht hat. Eine eindeutige Bestätigung wird noch ein bis eineinhalb Jahrzehnte Geduld erfordern.

Auch bei den Pulsar-Planeten eilte die künstlerische Phantasie der wissenschaftlichen Entdeckung weit voraus. Zehn Jahre bevor überhaupt die Existenz von Pulsaren bekannt war, beschrieb der Schriftsteller Poul Anderson in einer Science-fiction-Kurzgeschichte einen Neutronenstern mit Trabanten ("Astounding Science Fiction", August/September 1958). In diesem Szenario war bei der Explosion eines Vorläufersterns seinem jupiterähnlichen Riesenplaneten die Wasserstoffatmosphäre davongeblasen worden, so daß nur der erdgroße Eisen-Nickel-Kern übrigblieb, dessen Umlaufbahn durch Abgabe von Drehimpuls schrumpfte. Frank J. Tipler von der Tulane-Universität in New Orleans (Louisiana) hat darum vorgeschlagen, Pulsare mit Planeten als Poulsare zu bezeichnen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1994, Seite 25
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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