Angemerkt!: Bildgebung in der Krise? Von wegen!
Die Psychologie kann auf den Blick ins Gehirn nicht verzichten.
Gegenwärtig gibt es etliche ernst zu nehmende Krisen – eine Krise der Bildgebung, wie sie der Würzburger Sozialpsychologe Fritz Strack in G&G April 2009 (S. 69) diagnostiziert, aber sicher nicht. Daran ändern auch die kürzlich erschienenen Arbeiten von Ed Vul und Kollegen sowie von Yevgeniy Sirotin und Aniruddha Das nichts, auf denen Stracks Kritik fußt.
Zwei Dinge sind hierbei jedoch zu beachten: Erstens kritisieren Vul und Kollegen nur ein bestimmtes Vorgehen; die in Bildgebungsstudien am häufigsten berichteten Vergleiche zwischen experimentellen Bedingungen beanstanden sie dagegen nicht. Zweitens ist es sehr unwahrscheinlich, dass die gefundenen Korrelationen in Wahrheit nicht existierten – sie sind vermutlich jedoch schwächer als von den Autoren der untersuchten Studien berechnet.
Vul und Kollegen haben ihre Kritik derweil auch abgeschwächt: In ihrem inzwischen veröffentlichten Artikel sprechen sie nicht mehr von "Voodoo"-Korrelationen (wie noch im Titel der Vorabversion im Internet), sondern von "verblüffend hohen Korrelationen".
Sirotin und Das haben in ihrer Arbeit gezeigt, dass der Blutfluss im primären visuellen Kortex von Makaken ansteigen kann, ohne dass dies von lokaler neuronaler Aktivität verursacht sein muss. Das ist zweifellos eine wichtige Erkenntnis, da die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) neuronale Aktivität nicht direkt misst, sondern über den Umweg der Sauerstoffsättigung des Bluts. Der neue Befund ist aber für die kognitiven Neurowissenschaften nicht so kritisch, wie Fritz Strack vermutet. Dafür gibt es mehrere Gründe, der wichtigste ist unserer Ansicht nach folgender: In fast allen Bildgebungsstudien werden verschiedene Stimulationsbedingungen miteinander verglichen. Wenn nun also die von Sirotin und Das beschriebenen Effekte auch beim Menschen auftreten, so sollten sie sich zwischen diesen einzelnen Bedingungen nicht unterscheiden und somit beim Vergleich derselben "heraussubtrahieren".
Auch in den einschlägigen Fachjournalen sind methodenkritische Beiträge seit Langem an der Tagesordnung. Verfeinerungen und Neujustierungen der Bildgebung verändern die Forschungspraxis in den kognitiven Neurowissenschaften laufend. Zu unterstellen, ihre Vertreter würden eine längst überfällige Methodenkritik scheuen, erscheint uns somit unangemessen.
Schließlich wehren wir uns gegen den Vorwurf, bei den mittels bildgebender Verfahren gewonnenen Erkenntnissen handele es sich um eine moderne Version der Phrenologie. Die Anhänger dieser im 19. Jahrhundert verbreiteten Lehre versuchten, die Ausprägung von Charaktereigenschaften an den Schädelformen einzelner Menschen abzulesen. Obwohl sich das bald als unhaltbar erwies, kann man durch den historischen Verweis auf die Phrenologie nicht jeden Versuch, geistige Leistungen im Gehirn zu verorten, als Unfug verwerfen.
Kognitive Funktionen wie Entscheiden, Lernen und Erinnern sind nicht beliebig im Gehirn verteilt; sie sind andererseits auch nicht an einer bestimmten Stelle zu finden. Die Wahrheit liegt dazwischen – und es ist unsere Aufgabe, herauszufinden, wo und wie genau solche Leistungen neuronal realisiert sind.
Den kognitiven Neurowissenschaften geht es aber nicht allein darum, bestimmten Hirnregionen geistige Funktionen zuzuordnen. Vielmehr streben sie nach einem umfassenden Verständnis davon, wie Kognition und Verhalten mit der Anatomie und Physiologie des Gehirns zusammenhängen. Dazu gehört auch, die Dynamik neuronaler Netzwerke und deren Entwicklung im Zusammenspiel mit Genen und Umwelt besser zu durchschauen. Nur so werden wir das Wo und Wie geistiger Prozesse aufklären können.
An diesem Ziel sollten verschiedene Disziplinen wie die Biologie, die Medizin und die Neuroinformatik gemeinsam arbeiten – so wie es vielfach bereits passiert. Die Psychologie mit ihrem experimentellen Knowhow und ihren ausgefeilten Modellen kann und soll hierbei eine wichtige Rolle spielen. Die Erkenntnisse der kognitiven Neurowissenschaften wirken aber auch auf die Psychologie selbst zurück. Neuroimaging-Verfahren wie die fMRT erweitern das psychologische Methodeninventar auf faszinierende Weise. Mit Hilfe der Bildgebung können wir geistige Prozesse in ihrem biologischen Substrat verorten – und so zu einer biologisch plausiblen Modellbildung in der Psychologie beitragen.
Die jüngst vorgestellten Arbeiten sind wichtig, denn sie zeigen, dass wir unser Wissen über die neurophysiologischen Grundlagen des fMRT-Signals weiter verfeinern und die gewonnenen Befunde kritisch prüfen müssen. Dies scheint auch deshalb notwendig zu sein, weil laut aktuellen psychologischen Untersuchungen oft allein schon die Präsentation von Hirnaufnahmen ausreicht, um wissenschaftliche Artikel überzeugender erscheinen zu lassen – selbst wenn die Bildgebung für deren Argumentation irrelevant ist. Hier stimmen wir mit Fritz Strack überein: Neurowissenschaftler und -Journalisten sind dazu aufgerufen, mit der "Macht der bunten Bilder" verantwortungsvoll umzugehen.
In ihrem viel beachteten Artikel argumentieren die Forscher um Vul, dass etwa in der Hälfte der von ihnen untersuchten Arbeiten die statistischen Zusammenhänge zwischen Verhalten und Gehirnaktivierungen überschätzt wurden. Der Grund: Die betreffenden Korrelationen würden nachträglich nur für solche Hirnregionen berechnet, in denen bereits in einem früheren Schritt der Datenanalyse ein Zusammenhang entdeckt wurde. Diese Auswahl führt in der Tat zu Verzerrungen und steht daher zu Recht in der Kritik.
Zwei Dinge sind hierbei jedoch zu beachten: Erstens kritisieren Vul und Kollegen nur ein bestimmtes Vorgehen; die in Bildgebungsstudien am häufigsten berichteten Vergleiche zwischen experimentellen Bedingungen beanstanden sie dagegen nicht. Zweitens ist es sehr unwahrscheinlich, dass die gefundenen Korrelationen in Wahrheit nicht existierten – sie sind vermutlich jedoch schwächer als von den Autoren der untersuchten Studien berechnet.
Wenn Strack nun das oben beschriebene Vorgehen mit dem eines Schützen vergleicht, der nachträglich eine Zielscheibe um Zufallstreffer zeichnet, so ist das irreführend. Diese "Treffer" sind eben nicht erfunden – sie sind in den betreffenden Fällen nur nicht ganz so gut, wie man bislang glaubte.
Vul und Kollegen haben ihre Kritik derweil auch abgeschwächt: In ihrem inzwischen veröffentlichten Artikel sprechen sie nicht mehr von "Voodoo"-Korrelationen (wie noch im Titel der Vorabversion im Internet), sondern von "verblüffend hohen Korrelationen".
Sirotin und Das haben in ihrer Arbeit gezeigt, dass der Blutfluss im primären visuellen Kortex von Makaken ansteigen kann, ohne dass dies von lokaler neuronaler Aktivität verursacht sein muss. Das ist zweifellos eine wichtige Erkenntnis, da die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) neuronale Aktivität nicht direkt misst, sondern über den Umweg der Sauerstoffsättigung des Bluts. Der neue Befund ist aber für die kognitiven Neurowissenschaften nicht so kritisch, wie Fritz Strack vermutet. Dafür gibt es mehrere Gründe, der wichtigste ist unserer Ansicht nach folgender: In fast allen Bildgebungsstudien werden verschiedene Stimulationsbedingungen miteinander verglichen. Wenn nun also die von Sirotin und Das beschriebenen Effekte auch beim Menschen auftreten, so sollten sie sich zwischen diesen einzelnen Bedingungen nicht unterscheiden und somit beim Vergleich derselben "heraussubtrahieren".
Fritz Strack suggeriert weiterhin, dass es in den kognitiven Neurowissenschaften bislang keinen Raum für eine kritische Methodendiskussion gebe. Das ist falsch. So stellen beispielsweise bei der kommenden "Human Brain Mapping"-Konferenz – einer der größten internationalen Tagungen im Bereich der bildgebenden Verfahren – Forscher rund 2300 aktuelle Studien vor. Knapp 600 davon (fast jede vierte!) beschäftigen sich mit Fragen der Erhebung, Modellierung und Analyse von Bildgebungsdaten.
Auch in den einschlägigen Fachjournalen sind methodenkritische Beiträge seit Langem an der Tagesordnung. Verfeinerungen und Neujustierungen der Bildgebung verändern die Forschungspraxis in den kognitiven Neurowissenschaften laufend. Zu unterstellen, ihre Vertreter würden eine längst überfällige Methodenkritik scheuen, erscheint uns somit unangemessen.
Schließlich wehren wir uns gegen den Vorwurf, bei den mittels bildgebender Verfahren gewonnenen Erkenntnissen handele es sich um eine moderne Version der Phrenologie. Die Anhänger dieser im 19. Jahrhundert verbreiteten Lehre versuchten, die Ausprägung von Charaktereigenschaften an den Schädelformen einzelner Menschen abzulesen. Obwohl sich das bald als unhaltbar erwies, kann man durch den historischen Verweis auf die Phrenologie nicht jeden Versuch, geistige Leistungen im Gehirn zu verorten, als Unfug verwerfen.
Kognitive Funktionen wie Entscheiden, Lernen und Erinnern sind nicht beliebig im Gehirn verteilt; sie sind andererseits auch nicht an einer bestimmten Stelle zu finden. Die Wahrheit liegt dazwischen – und es ist unsere Aufgabe, herauszufinden, wo und wie genau solche Leistungen neuronal realisiert sind.
Den kognitiven Neurowissenschaften geht es aber nicht allein darum, bestimmten Hirnregionen geistige Funktionen zuzuordnen. Vielmehr streben sie nach einem umfassenden Verständnis davon, wie Kognition und Verhalten mit der Anatomie und Physiologie des Gehirns zusammenhängen. Dazu gehört auch, die Dynamik neuronaler Netzwerke und deren Entwicklung im Zusammenspiel mit Genen und Umwelt besser zu durchschauen. Nur so werden wir das Wo und Wie geistiger Prozesse aufklären können.
An diesem Ziel sollten verschiedene Disziplinen wie die Biologie, die Medizin und die Neuroinformatik gemeinsam arbeiten – so wie es vielfach bereits passiert. Die Psychologie mit ihrem experimentellen Knowhow und ihren ausgefeilten Modellen kann und soll hierbei eine wichtige Rolle spielen. Die Erkenntnisse der kognitiven Neurowissenschaften wirken aber auch auf die Psychologie selbst zurück. Neuroimaging-Verfahren wie die fMRT erweitern das psychologische Methodeninventar auf faszinierende Weise. Mit Hilfe der Bildgebung können wir geistige Prozesse in ihrem biologischen Substrat verorten – und so zu einer biologisch plausiblen Modellbildung in der Psychologie beitragen.
Die jüngst vorgestellten Arbeiten sind wichtig, denn sie zeigen, dass wir unser Wissen über die neurophysiologischen Grundlagen des fMRT-Signals weiter verfeinern und die gewonnenen Befunde kritisch prüfen müssen. Dies scheint auch deshalb notwendig zu sein, weil laut aktuellen psychologischen Untersuchungen oft allein schon die Präsentation von Hirnaufnahmen ausreicht, um wissenschaftliche Artikel überzeugender erscheinen zu lassen – selbst wenn die Bildgebung für deren Argumentation irrelevant ist. Hier stimmen wir mit Fritz Strack überein: Neurowissenschaftler und -Journalisten sind dazu aufgerufen, mit der "Macht der bunten Bilder" verantwortungsvoll umzugehen.
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