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Biomonitore zur kontinuierlichen Überwachung von Wasser und Abwasser in der Bundesrepublik

Als Trinkwasserquelle und natürlicher Lebensraum, zugleich aber Einleitungsort verschiedenster Abfallprodukte von Mensch und Industrie sind Gewässer in besonderem Maße schutzbedürftig. Biomonitoren, in denen Lebewesen durch Änderung ihrer Aktivität Schadstoffe anzeigen, dienen heute weithin als hochempfindliche Überwachungssysteme. Wie sich bei der Elbe zeigt, müssen aber auch immer noch Altlasten erfaßt und beseitigt werden. Neue Einleitungen haben dagegen möglichst frei von Schadstoffen zu sein. Vielfach genügt dazu die biologische Klärung nicht. Mittel, toxische Stoffe zu entfernen, sind die Bestrahlung mit UV-Licht in Gegenwart von Oxidationsmitteln oder die Ausfällung durch Flockungsmittel.

Gewässer werden oft auf engem Raum in vielfältiger und teilweise konkurrierender Weise genutzt – beispielsweise als Quelle für Trinkwasser und als Kühlwasser für einen Industriebetrieb. Zur Wahrung des Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Interessen und zum Schutz vor Störfällen muß die Wasserqualität möglichst lückenlos überwacht werden. Auf chemischem Wege ist das wegen der Vielzahl der in Frage kommenden Schadstoffe nur sehr begrenzt möglich, lediglich ein Bruchteil davon kann routinemäßig kontrolliert und davon wiederum nur eine geringe Anzahl quantitativ bestimmt werden.

Zudem sind chemische Analysen in der Regel ausschließlich punktuell anhand von Stich- oder Mischproben durchführbar. Je nach deren Frequenz sowie Art und Anzahl der untersuchten Parameter ergibt sich somit lediglich ein grobes Informationsraster – und zwar im nachhinein bis zur letzten Probenahme. Besonders bei fließendem Wasser (Oberflächen- und Abwasser), dessen Chemismus sich möglicherweise fortwährend ändert, ist das unbefriedigend, denn je nach Funktion und Nutzung wäre unter Umständen ein schnelles Eingreifen erforderlich. Untersuchungen in regelmäßigen Zeitabständen lassen bei akuter Gefahr kaum noch Spielraum für Gegenmaßnahmen.

Biomonitore unterliegen all diesen Beschränkungen nicht. Sie erfassen als Durchflußsysteme kontinuierlich oder im Takt weniger Minuten die Wirkung sämtlicher Schadstoffe – einschließlich solcher, die chemisch-analytisch nicht erkannt oder erst im Wasser durch Wechselwirkungen anderer Inhaltsstoffe gebildet oder verändert werden. Biomonitore liefern dem Betreiber also lückenlos Auskunft über die Wasserqualität.

Als Meßkriterien dienen unmittelbar erkennbare direkte oder indirekte Reaktionen von Organismen auf die Schadstoffe – im einfachsten Fall Änderungen des Bewegungsmusters. Bei einem der wichtigsten und am weitesten verbreiteten Verfahren, dem sogenannten dynamischen Daphnientest, wird beispielsweise sowohl eine plötzliche Verstärkung als auch eine Verminderung der Aktivität von Wasserflöhen als Alarmsignal gedeutet (Bilder 1 und 2). Die Alarmgrenzen sind dabei gleitend; ein Rechner paßt sie automatisch an die biologisch bedingte Schwankungsbreite in der Aktivität dieser Tiere an (Bild 2).

Man erhält somit Hinweise auf toxische Belastungen, lange bevor der Testorganismus irreversibel geschädigt ist. Gemessen werden die Reaktionen mit hochauflösenden Detektoren verschiedenster Art, beispielsweise mit Lichtschranken, ohne daß die Lebewesen selbst dadurch beeinträchtigt oder auch nur gestört würden.

Diese Schnellindikation von Schadstoffen macht Biomonitore mithin zu geeigneten Warn- und Kontrollsystemen für Oberflächen- und Abwasser, um einer möglichen Gefährdung der menschlichen Gesundheit vorzubeugen (zum Beispiel beim Gewinnen von Trinkwasser oder Verzehr von Fischen), um Wirkungen anthropogener Substanzen auf aquatische Lebensformen zu erfassen, den aktuellen Zustand der Gewässerbelastung zu dokumentieren und direkte oder indirekte Schadstoffeinträge schnell zu erkennen.


Initialzündung Sandoz-Unfall

Die Installation von Biomonitoren begann an der Wende zwischen den siebziger und achtziger Jahren am Rhein. Allgemein verwendete man damals einen Fischtest; nur Nordrhein-Westfalen setzte bereits den dynamischen Daphnientest ein. Aufgrund der insgesamt guten Erfahrungen in diesem Bundesland folgten andere Länderbehörden seinem Beispiel und begannen, einzelne Meßstationen ebenfalls mit diesem Überwachungssystem auszurüsten.

Den Durchbruch für Biomonitore brachte jedoch erst der Großbrand einer Lagerhalle im Schweizer Pharmaunternehmen Sandoz, der 1986 international Aufsehen erregte. Mit dem Löschwasser wurden tonnenweise Pestizide in den Rhein gespült, die über Dutzende von Flußkilometern einen Großteil des Biotops und insbesondere fast den gesamten Aalbestand vernichteten.

Noch in 500 Kilometer Entfernung vom Unglücksort war in Nordrhein-Westfalen die Wirkung der Schadstoffe mit dem dynamischen Daphnientest nachzuweisen. Dies überzeugte die Vertreter der Überwachungsbehörden von der Bedeutung biologischer Kontrollsysteme für einen effizienten Gewässerschutz. So war der Störfall für die Internationale und die Deutsche Rheinschutzkommission Anlaß, den Aufbau eines Überwachungsnetzes am Rhein mit Bio-monitoren anzuregen. Daraufhin rüsteten die einzelnen Bundesländer, sofern noch nicht geschehen, sowie die Niederlande ihre Wasserkontrollstationen mit Daphnientestgeräten aus.

Förderlich für diese Entscheidung war auch die inzwischen gewachsene Einsicht der verantwortlichen Analytiker in ihre begrenzten Möglichkeiten angesichts der nicht mehr überschaubaren Anzahl von Stoffen in Gewässern. Aus diesem Grunde hatte man die Routineüberwachung in den Labors am Rhein bereits auf ungefähr 150 bis 250 besonders umweltrelevante Einzelstoffe beschränkt. Obwohl Biomonitore selbstverständlich nicht den verantwortlichen Schadstoff dingfest machen, eröffnen sie doch die Chance, chemisch-analytisch gezielter nach ihm zu forschen. Deshalb haben sie sich inzwischen allgemein durchgesetzt, obwohl die Gewässerüberwachung traditionell eine Domäne der Chemiker ist.

Daß dem dynamischen Daphnientest unter den Biomonitoren die größte Bedeutung zukommt, beruht hauptsächlich auf der großen Empfindlichkeit der Wasserflöhe gegenüber einem breiten Schadstoffspektrum. Wichtig ist aber sicherlich auch der hohe technische Standard des Systems, der Maßstäbe für andere Bio-monitore setzt.

Demgegenüber hat der Fischtest, bei dem Änderungen von Verhaltensparametern wie Schwimmhöhe, Mobilität, Anzahl der Wendungen pro Sekunde, gegenseitiger Abstand oder Kiemendeckel-Schlagfrequenz als Meßkriterien dienen, seit Mitte der achtziger Jahre an Bedeutung verloren. Das ist zum einen auf die sinkende Konzentration akut fischtoxischer Stoffe in Flüssen wie dem Rhein zurückzuführen; seit das 1976 eingeführte Abwasserabgabengesetz die Fischtoxizität von Abwasser mit einer Abgabe belegt, gibt es große Fischsterben wie in den frühen siebziger Jahren praktisch nicht mehr.

Zum anderen ist die Empfindlichkeit dieses Tests recht gering. Als infolge des Sandoz-Unglücks Hunderttausende von Aalen im Oberlauf des Flusses verendeten, zeigten die Fische in den Kontrollstationen am Unterlauf im Gegensatz zu den Daphnien überhaupt keine Reaktion. Hinzu kommt, daß das Tierschutzgesetz den Einsatz von Wirbeltieren nur unter strengen Auflagen zuläßt und von den Behörden zunehmend restriktiver ausgelegt wird.

Weil aber auch mit dem dynamischen Daphnientest nicht alle Schadstoffe erfaßt werden, hat man in den letzten Jahren weitere Biomonitore entwickelt. So wurden in einem mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungsvorhaben Testautomaten mit Leuchtbakterien, Algen und Muscheln zur Einsatzreife gebracht.

Beim Muscheltest dienen der Öffnungszustand und die Schalenbewegungen der Zebramuschel (Dreissena polymorpha) als Grundlage für ein digitales Ja-Nein-Signal, das schadstoffbedingte Abweichungen vom Normalverhalten erkennen läßt. Dagegen reagieren Leuchtbakterien der Art Photobacterium phosphoreum) auf Veränderungen ihrer natürlichen Umgebung mit einer Abnah-me der Leuchtintensität (Lumineszenz). Auch Cyanobakterien (Synechococcus) oder Grünalgen (Chlamydomonas rheinhardtii, Chlorella vulgaris) zeigen durch Veränderungen der Fluoreszenz von Chlorophyll a, das im grünen Farbstoff der Zellen enthalten ist, mögliche Schadstoffeinwirkungen an.

Bakterientoximeter arbeiten entweder mit Mischkulturen aus dem natürlichen Aufwuchs gewässerspezifischer Organismen oder mit speziellen Testorganismen, beispielsweise Pseudomonas putida. Bei allen Verfahren dient die Hemmung der Sauerstoffzehrung in der Meßzelle als Kriterium. Ist das Testwasser schadstofffrei, verbrauchen die Bakterien den darin gelösten Sauerstoff relativ gleichmäßig; bei Gegenwart toxischer Stoffe steigt der Sauerstoffgehalt dagegen an, weil die durch das Gift geschädigten Bakterien weniger von dem Gas verbrauchen.

Damit steht heute eine Palette an Biomonitoren zur Verfügung, die ein hohes Maß an Zuverlässigkeit bei der Detektion von Schadstoffen in Gewässern erwarten lassen.


Überwachung des Rheins

Lange Zeit stand der Rhein im Mittelpunkt der Bemühungen um den Gewässerschutz in der Bundesrepublik. Dabei hat Nordrhein-Westfalen zweifellos eine Pionierrolle gespielt. Vorläufiger Höhepunkt seiner Überwachungsmaßnahmen war die Einführung der intensivierten Gewässerüberwachungsorganisation (IN-GO) durch das Landesamt für Wasser und Abfall (LWA) Ende der achtziger Jahre.

Im Rahmen von INGO werden der Rhein und seine Nebenflüsse vor allem unter dem Gesichtspunkt der Trinkwassergewinnung mindestens einmal täglich beprobt und auf Schwermetalle sowie organische Verbindungen untersucht. Ziel ist die schnelle Erfassung von Veränderungen der Wasserqualität durch Unfälle, Leckagen oder unerlaubte Einleitungen.

Aber auch bei dieser hohen Probenahme- und Meßfrequenz können durchaus kurzfristige Stoßbelastungen unentdeckt bleiben. Außerdem vergeht vom Ziehen der Probe bis zum Vorliegen des Ergebnisses – bedingt durch Transport, Aufbereitung und Analyse sowie die Auswertung der Messung – einige Zeit, in der ein Schadstoff schlimmstenfalls beispielsweise schon ins Trinkwasser vorgedrungen sein kann.

Der dynamische Daphnientest bot daher eine geradezu ideale Ergänzung zum INGO-Konzept. Auch wenn die Ursache der Störung damit nicht zu ermitteln ist, kann man doch zumindest vorsorglich beispielsweise die Entnahme von Flußwasser für die Trinkwasseraufbereitung einstellen. Der chemischen Analytik bleibt dann der nötige zeitliche Spielraum, den Schadstoff zu identifizieren.

Dies ist auch deshalb wichtig, weil nur so die Chance besteht, den Verursacher oder die Quelle der Verunreinigung festzustellen. Oft sind gewisse Stoffe oder Stoffgruppen nämlich charakteristisch für bestimmte Einleitungen oder Branchen. So war es möglich, anhand des Stoffspektrums einen Einleiter an der Ruhr als Verursacher erhöhter Frachten an Chlorkohlenwasserstoffen ausfindig zu machen, welche beim dynamischen Daphnientest in der Kontrollstation Fröndenberg Alarm ausgelöst hatten. In einem anderen Fall an der Wupper wäre die Quelle der Wasserverunreinigung durch das Insektizid Isofenphos ebenfalls feststellbar gewesen, auch wenn sich der Schuldige nicht selbst bei den Behörden gemeldet hätte (Bild 2).

Zu den INGO-Meßstellen in Nordrhein-Westfalen, die mit dynamischen Daphnien- oder Fischtests oder beiden ausgestattet sind, gehören drei am Rhein sowie jeweils eine an Wupper, Ruhr und Lippe (Bild 3). Die Testsysteme sind direkt mit dem LWA in Düsseldorf verbunden, so daß es bei Auffälligkeiten unverzüglich Maßnahmen einleiten kann.

Die erste der drei Rhein-Meßstellen befindet sich in Bad Honnef, also an der Grenze zu Rheinland-Pfalz, und dient dazu, die Wassergüte des nach Nordrhein-Westfalen einfließenden Rheins zu überwachen. Die Station Düsseldorf erfaßt die Emissionen aus dem Industriegebiet um Köln sowie aus Leverkusen und Dormagen. In Kleve-Bimmen schließlich, das an der Grenze zu den Niederlanden liegt, geht es vor allem um die Einträge aus dem Ruhrgebiet.

Die Meßstelle Opladen an der Wupper wurde zur Erfassung von Belastungen aus dem Bergischen Land eingerichtet, insbesondere aus einem Betrieb der chemischen Großindustrie in Wuppertal-Elberfeld. Die Station in Fröndenberg an der Ruhr registriert mögliche Beeinträchtigungen der Trinkwassergewinnung durch die vielen meist kleinen oder mittelgroßen Betriebe an der oberen Ruhr und deren Einzugsgebiet. Die Meßstelle Wesel an der Lippe schließlich überwacht den Abfluß aus dem nördlichen Ruhrgebiet.

Zur Zeit werden in den Meßstationen am Rhein zusätzlich zu Daphnien- und Fischtests die neu entwickelten Geräte mit Leuchtbakterien, Algen und Muscheln erprobt. Bei Eignung sollen sie in das INGO-Netz integriert werden.

Bei jedem Biomonitor-Alarm führt das LWA aus aufbewahrten oder frischen Proben weitere Analysen durch, sofern nicht schon die routinemäßige chemische Überwachung auf die Ursache schließen läßt. Dies ist jedoch selten der Fall. Meist weisen erst die Biomonitore auf die Anwesenheit von Schadstoffen hin, wobei es nicht immer gelingt, diese auch zu identifizieren; denn selbst mit modernsten Analyseverfahren können beileibe nicht alle in Gewässern potentiell vorkommenden Substanzen nachgewiesen werden, und teilweise reagieren die Testorganismen schon bei Stoffkonzentrationen, die unter den Nachweisgrenzen der analytischen Verfahren liegen. Im Extremfall können sie sterben, ohne daß die akute Intoxikation des Gewässers analytisch faßbar würde – eine zweifellos unbefriedigende Situation.

Als die ersten Biomonitore installiert worden waren, deuteten die Analytiker chemisch nicht absicherbare Reaktionen der Testorganismen gerne als technisch oder biologisch bedingten Fehlalarm. Nachdem aber eine erweiterte Analytik die biologischen Befunde immer öfter bestätigt hat, werden Biomonitor-Alar-me in Nordrhein-Westfalen heute ebenso ernstgenommen wie etwa das Überschreiten von Grenzwerten. Beispielsweise ziehen sie – auch ohne analytische Untermauerung – in der Regel sofort eine Benachrichtigung der Niederlande nach sich.

In Rheinland-Pfalz sucht man nach Überschreiten der Alarmschwelle beim dynamischen Daphnientest in der Wasserkontrollstation Mainz oder bei dem im Landesamt für Wasserwirtschaft entwickelten Fischwarntest erst die Verunreinigung anhand von Analysedaten zu verifizieren. Einen Alarm können somit nur solche Stoffe auslösen, die routinemäßig analytisch überwacht werden, und das sind dieselben wie in Nordrhein-Westfalen. Trotz dieser sehr konservativen Haltung hat das Landesamt für Wasserwirtschaft für die neue Meßstation in Worms, die zusammen mit Hessen und Baden-Württemberg betrieben werden soll, einen Daphnien- und Fischtest eingeplant, um toxische Belastungen insbesondere aus dem Raum Ludwigshafen erkennen zu können.

Die Hessische Landesanstalt für Umwelt betreibt in Bischofsheim am Main eine Meßstelle vor allem zur Kontrolle der Emissionen aus dem industriellen Ballungsgebiet um Frankfurt. In umfangreichen Untersuchungen hat sie das dort eingesetzte Daphnientestgerät als tauglich zur Gewässerüberwachung befunden. Aus diesem Grunde gibt es konkrete Pläne, einen dynamischen Daphnientest direkt am Ablauf der Kläranlage eines großchemischen Betriebes zu installieren.

In Baden-Württemberg unterhält die Landesanstalt für Umweltschutz am Rhein Kontrollstationen mit Daphnien- und Fischtests in Iffezheim und Karlsruhe sowie zusammen mit der Schweiz in Weil. Während in Karlsruhe und Iffezheim in erster Linie Einleitungen aus dem Elsaß erfaßt werden sollen, deckt die Station Weil vornehmlich die Betriebe der Großchemie um Basel ab.

Auch diese Landesanstalt hat den dynamischen Daphnientest unter den verschiedensten Bedingungen im Labor und im Feldversuch erprobt, bevor er fester Bestandteil des Rheinüberwachungssystems wurde. Von den Testgeräten gemeldete Veränderungen der Wasserqualität nimmt sie ebenso ernst wie die Behörden in Hessen oder Nordrhein-Westfalen – besondere Auffälligkeiten werden grundsätzlich an die Unterlieger weitergemeldet.


Überwachung der Elbe

Im Jahre 1990 vereinbarten die Bundesrepublik Deutschland, die damals noch bestehende Tschechische und Slowakische Förderative Republik sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, ähnlich wie beim Rhein eine Internationale Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) zu gründen. Mit Sitz in Magdeburg hat sie inzwischen ihre Tätigkeit aufgenommen. Sie soll dafür sorgen, daß sich durch Reduzieren oder Vermeiden verunreinigender Einträge der ökologische Zustand des Stroms und seiner Nebenflüsse verbessert. Dafür wurden 18 Meßstationen mit modernen Analysegeräten ausgestattet, darunter sechs auf deutschem Gebiet mit dynamischen Daphnientests (Bild 4). Damit soll zunächst der gegenwärtige Zustand der Gewässerbelastungen dokumentiert und später der Erfolg von Sanierungsmaßnahmen überprüft werden.

Die in den Stationen ermittelten Daten werden über das rechnergestützte Informationsnetz Elbe-Sanierung (INES) gesammelt, verdichtet und – sofern kein Alarm auftritt – einmal in 24 Stunden über Wählleitungen an die jeweiligen Landesdienststellen weitergegeben. Von dort gelangen sie zur Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Elbe in Hamburg. Die Hamburger Meßwerte und die von den Stationen in der Tschechischen Republik in deren Zentrale in Prag gesammelten Daten werden schließlich bei der IKSE-Zentrale in Magdeburg zusammengeführt.

Die sechs deutschen Daphnien-Stationen sind derart verteilt, daß sie jeweils größere Belastungsräume abdecken. In Schmilka an der Elbe werden alle aus der Tschechischen Republik kommenden Einleitungen erfaßt, in Zehren diejenigen aus dem Industriegroßraum Pirna/Dresden/Meißen und in Magdeburg die aus der Saale. Die an der Mulde gelegene Station in Dessau überwacht die Emissionen im Großraum Chemnitz sowie um Bitterfeld und die in Jessen den Einzugsbereich der Schwarzen Elster. Die Berliner Station an der Spree schließlich mißt die Belastungen aus dem industriellen Ballungsgebiet im Osten sowie aus dem Agrargroßraum im Südosten der Stadt. In Magdeburg und Berlin sind zusätzlich Fischtests vorhanden.

Noch haben nicht alle Stationen die Meßtätigkeit voll aufgenommen. Vielfach wird das Bedienungspersonal der Daphnientestgeräte erst eingearbeitet; nur an der Berliner Kontrollstelle finden bereits routinemäßige Messungen statt. Nähere Informationen über den Ausbau- und Betriebszustand in den tschechischen Untersuchungseinrichtungen liegen bisher nicht vor.

Die Hamburger Umweltbehörde setzt seit 1989 zur Überwachung der Elbe in ihren Meßstationen Biomonitore auf Schwimmpontons ein; die eine der beiden unabhängig zu betreibenden Testkammern beherbergt einen dynamischen Daphnien-, die andere einen Fischtest mit zwei Tage alten Guppys. Die Geräte sind mit der Zentrale verbunden, wo ein speziell entwickeltes Programm Auswertungen unter verschiedenen Gesichtspunkten gestattet.

Die Empfindlichkeit der Daphnien zeigte sich bei Schlickumlagerungen im Hafengebiet. Während dieser Arbeiten verzeichnete die Station Seemannshöft einen deutlichen Anstieg der Schwimmaktivität. Offensichtlich reagierten die Wasserflöhe auf die Schadstoffe in den aufgewirbelten Sedimenten.

Über die Arbeitsgemeinschaft Elbe ist Hamburg an das INES-Netz angeschlossen. Damit existiert an der Elbe von der Quelle bis zur Mündung über Landes- und Ländergrenzen hinweg ein modernes leistungsfähiges Gewässergütemeßsystem. Mit seiner elektronischen Vernetzung ist es sogar dem in langen Jahren am Rhein geschaffenen überlegen, wo Informationen über Beeinträchtigungen der Wasserqualität sozusagen noch von Hand zu Hand weitergereicht werden. In absehbarer Zeit dürften Tests mit Algen und Leuchtbakterien die biologische Überwachung abrunden.

In den neuen Bundesländern sind auch für die Oder Kontrollstationen mit Daph-nien vorgesehen. Desgleichen sollen solche Testsysteme in Niedersachsen an der Weser und anderen Flüssen eingeführt werden.

Im übrigen überwachen einige Unternehmen der Großchemie ihre Kläranlagenabläufe oder Kühlwassereinleitungen inzwischen selbst mit dem dynamischen Daphnientest. Das emissionsseitige Bio-monitoring ist ohnehin die beste Lösung, weil so die Schadstoffe unmittelbar am Entstehungsort entdeckt werden. Dadurch lassen sich Störungen beheben, bevor Gewässer belastet werden und irreversibler Schaden entstanden ist.

Dennoch haben die Immissionsmeßstationen auch einen Schutzzweck, wie dies am Rhein zu beobachten ist. Seit Errichtung des dichten Netzes von Meßstellen melden Einleiter innerbetrieblich verursachte erhöhte Stoff-Frachten in ihren Ableitungen sofort selbst den Behörden, weil das Risiko, entdeckt zu werden, inzwischen zu groß geworden ist.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1994, Seite 94
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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