Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Hirnforschung: Blockierte Erinnerungen

Vergessen halten wir meist für ein Problem. Doch Unwichtiges auszublenden, schafft Platz fürs Wesentliche! Ein Areal im Stirnhirn hemmt dabei gezielt den Abruf unliebsamer Details.
Ausradiert
Es war so ziemlich das Unfairste, was ich während meines Psychologiestudiums erlebt habe. In seinen Vorlesungen schweifte einer meiner Psychologieprofessoren öfter mal ab. Besonders gern erging er sich in Schilderungen unbedeutender Probleme der statistischen Auswertung und beendete diese Exkurse ins Reich der Zahlen regelmäßig mit dem Satz: "So detailliert brauchen Sie das nicht zu wissen – das frage ich in der Prüfung sowieso nicht ab." Nur: Im mündlichen Examen kam schließlich genau dieses Thema dran!

Das ist nicht nur deshalb unfair, weil es den Studierenden auch die gewissenhafteste Prüfungsvorbereitung vermasselt. Zudem verletzt es basale psychologische Mechanismen. Laut einer Vielzahl von Studien vergessen wir etwas nämlich automatisch schneller, wenn uns jemand sagt, wir bräuchten es uns ohnehin nicht zu merken. Dahinter steckt das schlichte ökonomische Prinzip, Dinge, die uns irrelevant erscheinen, möglichst wenig zu beachten.

Täglich prasseln derart viele Informationen auf uns ein, dass unsere Wahrnehmung notgedrungen selektieren muss. Nur ein Bruchteil der mit den Sinnesorganen aufgenommenen Reize gelangt ins Bewusstsein. Reize aus der Umwelt wecken gleichzeitig Erinnerungen. Im Idealfall dringen dabei nur relevante Gedächtnisinhalte in unser Bewusstsein. Wenn wir zum Beispiel einen neuen PIN-Kode für unsere Bankkarte bekommen, wäre es schön, wenn uns am Geldautomaten eben nur der neue Kode einfällt und nicht der alte.

Wie in diesem Fall sei es sehr oft sinnvoll, sich an bestimmte Dinge nicht mehr erinnern zu können, erklärt Karl-Heinz Bäuml, Psychologe an der Universität Regensburg. Das betreffe veraltete Geheimzahlen oder Telefonnummern genauso wie negative Erlebnisse.

Bäuml untersucht seit Jahren solche "gerichteten Vergessensprozesse". Bei seinen Experimenten ...

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Wer entscheidet? Wie das Gehirn unseren freien Willen beeinflusst

Was bedeutet es, ein Bewusstsein zu haben? Haben wir einen freien Willen? Diese Fragen beschäftigt Neurowissenschaft, Philosophie und Theologie gleichermaßen. Der erste Artikel zum Titelthema zeichnet die Entwicklung der neurowissenschaftlichen Forschung nach und zeigt, wie das Gehirn das subjektive Erleben formt. Anschließend geht es im Interview mit dem Neurophilosophen Michael Plauen um die Frage, ob wir frei und selbstbestimmt handeln, oder nur Marionetten unseres Gehirns sind. Die Antwort hat Konsequenzen für unser Selbstbild, die Rechtsprechung und unseren Umgang mit KI. Daneben berichten wir, wie virtuelle Szenarien die traditionelle Psychotherapie erfolgreich ergänzen und vor allem Angststörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen lindern können. Ein weiterer Artikel beleuchtet neue Therapieansätze bei Suchterkrankungen, die die Traumata, die viele Suchterkrankte in ihrer Kindheit und Jugend erfahren haben, berücksichtigen. Zudem beschäftigen wir uns mit der Theorienkrise in der Psychologie: Der Risikoforscher Gerd Gigerenzer erklärt, warum die Psychologie dringend wieder lernen muss, ihre Theorien zu präzisieren.

Spektrum Kompakt – Gedächtnis

»Es liegt mir auf der Zunge« – dieses Gefühl kennt wohl jeder. Manches bleibt nie im Gedächtnis hängen, anderes über Jahre hinweg. Erinnern und Vergessen sind komplexe Prozesse, die noch nicht vollständig verstanden sind und von digitalen Helfern, aber auch durch Schlaf beeinflusst werden.

Spektrum - Die Woche – Neue Strompreisregelung in Deutschland?

Der Stromausfall in Spanien und Portugal zeigt, wie wichtig ein stabiles Netz ist. In der aktuellen Ausgabe von »Spektrum - Die Woche« informieren wir über die mögliche neue Strompreisregelung in Deutschland. Was bedeutet sie und wer profitiert?

  • Quellen
Benoit, R. G., Anderson, M. C.: Opposing Mechanisms Support the Voluntary Forgetting of Unwanted Memories. In: Neuron 76, S. 450 – 460, 2012

Hanslmayr, S. et al.: Prefrontally Driven Downregulation of Neural Synchrony Mediates Goal-Directed Forgetting. In: The Journal of Neuroscience 32, S. 14742 – 14751, 2012

Lyoo, I. K. et al.: The Neurobiological Role of the Dorso - lateral Prefrontal Cortex in Recovery from Trauma. In: Archives of General Psychiatry 68, S. 701 – 713, 2011

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.