Braune Zwerge
Lange Zeit waren diese kühlen Himmelskörper nur hypothetisches Bindeglied zwischen Planeten und Sternen. Doch neuere Himmelsdurchmusterungen zeigen, dass es die so genannten Braunen Zwerge nicht nur gibt, sondern dass sie wohl ebenso häufig sind wie gewöhnliche Sterne.
Braune Zwerge sind gewisser maßen stellare Fehlzünder. Gewöhnliche Sterne leuchten, weil die nukleare Fusion von Wasserstoff zu Helium in ihrem Kern gewaltige Mengen an Energie freisetzt. Damit diese Reaktion einsetzen kann, muss eine Tem-peratur von mindestens drei Millionen Kelvin herrschen. Im Zentrum eines Sterns ist es umso heißer, je höher der Gravitationsdruck dort ist. Deshalb muss ein Stern zum Zünden der Wasserstoff-Fusion eine Mindestmasse haben. Diese entspricht ungefähr der 75fachen Masse des Riesenplaneten Jupiter beziehungsweise sieben Prozent der Sonnenmasse. Braune Zwerge sind nun gerade solche Himmelskörper, die einerseits massereicher sind als die großen Gasplaneten, die andererseits aber diesen Mindest-wert verfehlen.
Jahrzehntelang galten Braune Zwerge als das fehlende Bindeglied zwischen Planeten und Sternen: Man glaubte, dass es sie gibt, doch gelang es nicht, sie nachzuweisen. Im Jahr 1963 überlegte sich der Astronom Shiv Kumar von der Universität von Virginia in Charlottesville, dass die interstellaren Gas- und Staubwolken, deren gravitativer Kollaps neue Sterne entstehen lässt, eigentlich auch viele Himmelskörper geringerer Masse hervorbringen müssten. Diese hypothetischen Objekte wurden zunächst "Schwarze Sterne" oder "Infrarotsterne" genannt, bevor 1975 der Astrophysiker Jill C. Carter – heute Forschungsdirektor am Seti-Institut in Mountain View (Kalifornien) – den Begriff "Braune Zwerge" vorschlug. Die-ser Name ist leicht irreführend, denn Braune Zwerge leuchten in Wirklichkeit rötlich. Der Begriff "Rote Zwerge" war jedoch bereits für "richtige" Sterne mit weniger als einer halben Sonnenmasse vergeben.
Mitte der achtziger Jahre begannen die Astronomen, intensiv nach Braunen Zwergen zu suchen. Doch erst 1995 gelang ihnen der erste eindeutige Nachweis eines solchen Himmelskörpers. Diese Entdeckung spornte die Forscher weiter an, und inzwischen sind bereits Dutzende von Braunen Zwergen identifiziert. Doch zahlreiche Fragen bleiben noch offen: Wie häufig sind Braune Zwerge? In welchem Massenbereich treten sie auf? Gibt es einen lückenlosen Übergang zwischen Sternen und Riesenplaneten? Sind alle Braunen Zwerge auf die gleiche Art und Weise entstanden?
Die Suche nach Braunen Zwergen gestaltete sich so kompliziert, weil diese Objekte kaum leuchten. Sie entstehen auf gleiche Weise wie Sterne und Pla-neten, nämlich durch den gravitativen Kollaps einer Gaswolke. In dieser Phase senden alle solche Himmelskörper Infrarotstrahlung aus, denn durch das Zusammenziehen der Materiekeime wird Gravitationsenergie in Wärmeenergie umgewandelt. Ist die Masse eines sich verdichtenden Keims groß genug, heizt er sich dabei so weit auf, dass die Kerne des Wasserstoffs zu Heliumkernen zu verschmelzen beginnen. Diese Fusionsreaktion übernimmt fortan die Rolle des Energielieferanten. In dem noch jungen Stern stellt sich bald ein stabiler Zustand zwischen Gravitations- und Strahlungsdruck ein, sodass er für Millionen oder gar Milliarden Jahre mit unveränderter Helligkeit strahlt.
Lichtschwache Begleiter gesucht
Einem Braunen Zwerg fehlt diese kontinuierliche Zufuhr nuklearer Energie. Irgendwann kann er nicht weiter schrumpfen, sodass seine Energiequelle versiegt und er abzukühlen beginnt. Infolgedessen lässt die Emission von Infrarotstrahlung langsam nach (siehe Kasten auf Seite 60). Einige Astrophysiker vermuteten, dass diese Objekte einen bedeutenden Anteil an der noch geheimnisvollen Dunklen Materie haben könnten, die im Universum offenbar mehr als das Zehnfache der Masse der leuchtenden Materie ausmacht.
Eine Strategie, nach Braunen Zwergen zu suchen, ergibt sich aus dem Umstand, dass über die Hälfte der Sterne unserer Galaxis in Doppelsystemen vorkommen, bei denen zwei Sterne ihren gemeinsamen Schwerpunkt umkreisen. Darum suchten manche Astronomen die Umgebung bekannter Einzelsterne nach möglichen lichtschwachen Begleitern ab. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass nicht erst große Himmelsareale zu durchmustern sind.
Ein erster Erfolg schien sich 1984 einzustellen: Forscher am Steward-Observatorium der Universität von Arizona in Tucson meldeten die Entdeckung eines schwachen Begleiters von VB8, einem massearmen Stern in 21 Lichtjahren Entfernung von der Sonne. Die Eigenschaften des Objekts passten zu denen eines Braunen Zwergs. Doch leider konnten andere Astronomen die Entdeckung nicht bestätigen. Wie sich herausstellte, hatte das Messinstrument den Beobachtern einen Streich gespielt.
Als nächster Kandidat wurde GD165B gehandelt. Diesen lichtschwachen, rot leuchtenden Begleiter eines Weißen Zwergsterns entdeckten Eric Becklin und Benjamin Zuckerman von der Universität Kalifornien in Los Angeles 1988. Weiße Zwerge sind kleiner, heißer und deutlich massereicher als Braune Zwerge; sie sind ausgebrannte Kerne von Sternen mittlerer Masse. Bisher ließ sich allerdings nicht eindeutig klären, ob GD165B ein Brauner Zwerg oder ein massearmer "richtiger" Stern ist, denn seine Masse liegt genau im Grenzbereich zwischen beiden Objektklassen.
Wenn man die Suche auf Begleiter von Sternen konzentriert, muss man den Braunen Zwerg nicht einmal direkt beobachten, um ihn nachzuweisen. Seine Anwesenheit lässt sich auch indirekt erschließen, und zwar mit derselben Methode, mit der nach extrasolaren Planeten gefahndet wird. Der Zentralstern führt eine periodische Bewegung um den Schwerpunkt des Sternsystems aus, die sich über den Doppler-Effekt im Spektrum als periodische Verschiebung der Spektrallinien offenbart. Mit dieser Methode lassen sich Braune Zwerge sogar noch leichter nachweisen als Planeten, die eine weitaus kleinere Masse haben.
Dennoch: Als Geoffrey W. Marcy von der San Francisco State University und der Universität von Kalifornien in Berkeley Ende der achtziger Jahre 70 Sterne geringer Masse auf potenzielle Begleiter untersuchte, fand er keinen einzigen Braunen Zwerg. Mitte der neunziger Jahre entdeckte Marcy in einer weiteren Untersuchung von 107 sonnenähnlichen Sternen zwar ein halbes Dutzend Riesenplaneten – was ihm den Ruf eines erfolgreichen "Planetenjägers" einbrachte –, aber keinen eindeutigen Hinweis auf einen Braunen Zwerg. Deshalb mutmaßten die Astronomen, diese Himmelskörper seien viel seltener als große Gasplaneten und Sterne.
Je jünger, desto heller
Nur eine einzige der frühen Untersuchungen mit der Doppler-Methode lieferte einen Kandidaten für einen Braunen Zwerg: 1988 untersuchte David W. Latham vom Harvard-Smithsonian-Zentrum für Astrophysik in Cambridge (Massachusetts) 1000 Sterne und entdeckte einen Begleiter, der mindestens elfmal so schwer wie Jupiter ist. Genauer lässt sich die Masse des Begleiters noch nicht eingrenzen, sodass er durchaus ein massearmer normaler Stern sein könnte. Dieser messtechnische Nachteil der Doppler-Methode wird sich erst beheben lassen, wenn die Positionen der Doppelsternkomponenten mit hoher Genauigkeit gemessen und daraus die Bahnparameter des Systems abgeleitet werden können.
Doch manche Astronomen folgen inzwischen einer weiteren Suchstrategie. Weil Braune Zwerge kurz nach ihrer Entstehung am hellsten sind, sollten sie in jungen Sternhaufen am ehesten zu finden sein. Die Mitglieder eines solchen Haufens sind alle zur selben Zeit aus einer interstellaren Gas- und Staubwolke entstanden, unterscheiden sich aber erheblich in ihrer Lebensdauer. Während sonnenähnliche Sterne etwa zehn Milliarden Jahre lang Wasserstoff in Helium verbrennen können, haben die massereichsten Sterne wegen ihrer höheren Temperatur ihren Brennstoffvorrat bereits nach nur wenigen Millionen Jahren verbraucht. Die Lebensdauer der Sterne ist etwa umgekehrt proportional zum Quadrat ihrer Masse. Aus dieser Beziehung können die Astronomen das Alter des Sternhaufens ermitteln: Sie identifizieren einfach den massereichsten Stern in dem Haufen, der seine Energie noch aus der Fusion von Wasserstoff bezieht.
In den so als jung klassifizierten Sternhaufen müssen die Wissenschaftler dann nach den lichtschwächsten und rötesten – und damit kühlsten – Objekten Ausschau halten. Aus den gemessenen Leuchtkräften und Farben können die Astronomen anhand ihrer bewährten Sternentwicklungsmodelle die zugehörigen Massen ermitteln und so Kandidaten für Braune Zwerge herausfiltern.
Mehrere Forscherteams haben solche Untersuchungen durchgeführt. Dabei fanden sie einige vielversprechende Kandidaten, so etwa in einem Sternentstehungsgebiet im Sternbild Stier und in dem Sternhaufen der Plejaden, dem Siebengestirn. Doch keiner von ihnen erwies sich letztlich als Brauner Zwerg. Einige der Kandidaten entpuppten sich als rote Riesensterne, die mehrere tausend Lichtjahre hinter den betreffenden Haufen stehen und nur deshalb so lichtschwach erscheinen. Andere wiederum sind normale Sterne geringer Masse, die ebenfalls nicht zu den Haufen gehören. Die anfänglichen Erfolgsmeldungen fanden ein breites Echo in der Presse, die späteren Widerrufe nahmen die Medien allerdings kaum wahr. Die astronomische Fachwelt beurteilte deshalb alle später entdeckten Kandidaten für Braune Zwerge noch skeptischer, und es setzte sich immer mehr die Meinung durch, dass diese Objekte tatsächlich sehr selten seien.
Mehrfach Fahndungserfolge bei den Plejaden
Im Jahr 1992 schlugen Rafael Rebolo, Eduardo L. Martin und Antonio Magazzu vom Astrophysikalischen Institut der Kanarischen Inseln auf Teneriffa eine pfiffige Methode vor, mit der sich Braune Zwerge von Sternen geringer Masse unterscheiden lassen. Das Kriterium ist das Vorhandensein beziehungsweise das Fehlen von Lithium im Spektrum des Objekts. Übersteigt nämlich die Temperatur im Zentralbereich eines Himmelskörpers einen bestimmten Wert, so haben die Wasserstoffkerne – die Protonen – so viel kinetische Energie, dass sie die im Gasgemisch vorhandenen Lithiumkerne zerstören (siehe Kasten rechts). Selbst in massearmen Sternen ist es so heiß, dass das anfänglich vorhandene Lithium nach längstens 100 Millionen Jahren auf diese Weise verschwunden ist. In Braunen Zwergen mit weniger als 60 Jupitermassen hingegen, in denen niemals Kernfusion einsetzt, bleibt der ursprüngliche Lithiumvorrat gänzlich erhalten. Darum ist der Nachweis von Lithium bei einem hinreichend alten Himmelskörper ein verlässliches Indiz für eine Masse im substellaren Bereich.
Die Spektrallinien des Lithiums sind bei kühlen roten Objekten recht ausgeprägt. Die Forschergruppe auf Teneriffa untersuchte alle bekannten kühlen Himmelskörper, von denen hinreichend gute Spektren aufgenommen werden konnten. Doch keiner von ihnen zeigte die Linien. Im Jahr 1993 setzten Marcy, James Graham und ich das neu gebaute 10-Meter-Keck-Teleskop auf dem Mauna Kea in Hawaii ebenfalls für die Suche nach Lithium-Linien ein. Dank unseres leistungsfähigen Teleskops konnten wir sogar noch lichtschwächere Objekte untersuchen als die Teneriffa-Gruppe. Doch auch wir fanden zunächst nichts. Erst die Plejaden brachten eine Wende.
Ein britisches Astronomenteam hatte gerade eine der umfangreichsten Durchmusterungen dieses Sternhaufens durchgeführt und dabei auch äußerst lichtschwache Sterne erfasst. Mehrere davon waren aussichtsreiche Kandidaten für substellare Massen. Die Forschergruppe hatte gezeigt, dass diese Objekte dieselbe Eigenbewegung am Himmel aufweisen wie die übrigen Sterne des Haufens. Damit waren sie eindeutig als Mitglieder der Plejaden identifiziert, wodurch auch ihr Alter bekannt war. Wir uns nahmen sofort den lichtschwächsten Kandidaten vor, ein Objekt mit der Katalogbezeichnung HHJ 3. Doch das gesuchte Lithium fand sich nicht.
Dann wies uns der Astronom John Stauffer vom Smithsonian-Zentrum auf ein noch unscheinbareres Objekt hin: auf PPl 15, das als Nummer 15 im Palomar Pleiades Survey gelistet ist. Hier hatten wir schließlich Erfolg: PPl 15 war der erste Himmelskörper, in dessen Spektrum Lithium nachgewiesen werden konnte. Seine Masse musste demnach im substellaren Bereich liegen. Anhand des Alters der Plejaden von 120 Millionen Jahren konnten wir zeigen, dass die Masse nur wenig kleiner ist als der für einen Stern erforderliche Mindestwert. Unseren Befund stellten wir im Juni 1995 auf einer Konferenz der American Astronomical Society vor.
Im gleichen Jahr berichteten auch andere Forschergruppen von ihren Fahndungserfolgen. Das Team auf Teneriffa hatte inzwischen selbst einen Teil der Plejaden durchmustert und dabei zwei Objekte entdeckt, die sogar noch lichtschwächer als PPl 15 sind: Teide 1 und Calar 3, benannt nach den großen spanischen Sternwarten auf dem Berg Teide auf Teneriffa und auf dem Calar Alto in Andalusien. Die Massen beider Himmelskörper sollten gerade unterhalb der kritischen Grenze von 60 Jupitermassen liegen. Ende 1995 begann ich eine Kooperation mit den spanischen Astronomen, und mit dem Keck-Teleskop konnten wir tatsächlich in beiden Kandidaten Absorptionslinien des Lithiums nachweisen. Viele unserer Fachkollegen blieben anfangs noch skeptisch, doch weitere Forschungen zeigten, dass Braune Zwerge tatsächlich real und nicht nur ein hypothetisches Konstrukt sind.
Zur selben Zeit hatte nämlich eine gänzlich andere Suchmethode spektakuläre Früchte getragen. Ein Astronomenteam vom California Institute of Technology in Pasadena und von der Johns Hopkins University in Baltimore (Maryland) hatte mit dem 1,5-Meter-Teleskop auf dem Mount Palomar nach Braunen Zwergen als Begleitern von nahen massearmen Sternen Ausschau gehalten. Mit einem speziellen Instrument blendeten die Wissenschaftler den größten Teil der Strahlung der Primärkomponente aus, sodass lichtschwache Begleiter leichter zu entdecken waren. Auf diese Art hatte das Team bereits 1993 einige Kandidaten für Braune Zwerge gefunden. Um sicher zu gehen, dass es sich nicht um ferne Hintergrundsterne handelt, führten die Forscher ein Jahr später Kontrollmessungen durch. Weil die untersuchten Sterne unserer Sonne relativ nahe sind, verschieben sie sich innerhalb einer solchen Zeitspanne merklich gegenüber dem Fixsternhintergrund. Während ein Begleiter an dieser Bewegung teilnimmt, bleibt die Position ferner Sterne unverändert. Auf diese Weise zeigte sich, dass der massearme Stern Gliese 229 tatsächlich über einen Begleiter verfügt. Dieser, Gliese 229B genannt, ist nur ein Tausendstel so hell wie die ohnehin schon lichtschwache Primärkomponente Gliese 229A. Allein deswegen muss die Masse des Begleiters deutlich unter der unteren Grenze für Sterne liegen.
Methan in der Atmosphäre lieferte den Beweis
Bevor die Forscher ihre Entdeckung im Oktober 1995 auf einer Tagung in Cambridge vorstellten, nahmen sie ein Infrarotspektrum von Gliese 229B auf. Darin entdeckten sie die Signatur von Methan. Diese einfache Kohlenwasserstoffverbindung ist ein wesentlicher Bestandteil in den Atmosphären der großen Gasplaneten; sie kann aber nicht in den heißen Oberflächenschichten von Sternen existieren. Der Nachweis von Methan ist also ein zuverlässiges Indiz dafür, dass Gliese 229B kein Stern ist.
Auf derselben Tagung stellte das Team aus Teneriffa einige neue Kandi-daten für Braune Zwerge in den Plejaden vor – was darauf hinwies, dass diese Objektklasse unerwartet häufig ist. Zudem berichtete eine Gruppe, die Michel Mayor von der Genfer Sternwarte leitete, von der Entdeckung des ersten extrasolaren Planeten, eines Gasriesen, der den Stern 51 Pegasi umkreist. Gleichsam mit einem Paukenschlag hatte also ein neues Kapitel in der langjährigen Suche nach substellaren Himmelskörpern begonnen.
Die meisten Astronomen werten Gliese 229B als das erste zweifelsfreie Beispiel für einen Braunen Zwerg. Denn dieses Objekt hat nur ein Millionstel der Leuchtkraft unserer Sonne, und seine Oberflächentemperatur liegt unter 1000 Kelvin – deutlich niedriger als die 1800 Kelvin, die selbst die masseärmsten Sterne schon erreichen. Gliese 229B hat solch eine niedrige Temperatur, da er bereits einige Milliarden Jahre alt ist. Sein genaues Alter ist unbekannt, was zu einer leichten Unsicherheit bezüglich seiner Masse führt. Aber wahrscheinlich vereint er 30 bis 40 Jupitermassen. Im Gegensatz dazu liegen PPl 15, Teide 1 und Calar 3, die Kandidaten in den Plejaden, im Bereich zwischen 50 und 70 Jupitermassen. Ihre Oberflächentemperaturen sind – hauptsächlich auf Grund ihres deutlich geringeren Alters – mit 2600 bis 2800 Kelvin ebenfalls viel höher.
Nach diesen ersten Erfolgen schien der Damm gebrochen: Nun gab es Neuentdeckungen in rascher Folge. Mehrere Teams konzentrierten sich erneut auf die Plejaden. Die Forscher von Teneriffa, zu denen inzwischen Maria Rosa Zapatero Osorio vom dortigen Astrophysikali-schen Institut gestoßen war, spürten den mit nur 35 Jupitermassen bislang kleinsten Braunen Zwerg in diesem Sternhau-fen auf. Noch wichtiger war allerdings eine Fleißarbeit dieses Teams – die erste brauchbare Abschätzung der Gesamtzahl von Braunen Zwergen in den Plejaden: Die Forscher zählten in einem kleinen Ausschnitt des Haufens alle guten Kan-didaten und extrapolierten das Ergebnis auf den gesamten Sternhaufen. Demnach gibt es darin etwa so viele Braune Zwer-ge wie gewöhnliche Sterne. Sollte dieser Befund allgemein gelten, so gäbe es al-lein in unserem Milchstraßensystem etwa 100 Milliarden Braune Zwerge. Doch auch wenn die Häufigkeiten vergleichbar sind, wäre die Gesamtmasse der Braunen Zwerge immer noch we-sentlich kleiner als die gewöhnlicher Sterne. Somit können diese "Fehlzün-der" keinen maßgeblichen Anteil an der mysteriösen Dunklen Materie ausma-chen. Dieses Rätsel ist also nach wie vor ungelöst.
Andere Astrophysiker konzentrierten sich auf die mögliche Massenverteilung der Braunen Zwerge: Gibt es eine untere Massengrenze, oder – bei etwa 13 Jupitermassen – einen kontinuierlichen Übergang zu den gasförmigen Riesenplaneten? Eine deutliche Lücke zwischen den beiden Objektklassen würde auf zwei verschiedene Entstehungsmechanismen hinweisen. Um dieser Frage nachzugehen, eignen sich sehr junge Sternhaufen, in denen selbst die masseärmsten Braunen Zwerge noch hell genug sein sollten, um beobachtet werden zu können. Eine Gruppe japanischer Forscher durchforstete das Sternentstehungsgebiet im Sternbild Stier, das Teneriffa-Berkeley-Team dasjenige im Orion. Demnach scheint es tatsächlich Braune Zwerge zu geben, die gerade oberhalb der Grenze von 13 Jupitermassen liegen – was für eine kontinuierliche Verteilung der Massen von substellaren Himmelskörpern und für einen einheitlichen Entstehungsmechanismus spricht (siehe da-zu Kasten oben).
Im Jahr 1997 meldeten Mayor und sein Team etwa zehn Kandidaten für Braune Zwerge, die sie mit der Doppler-Methode in einer Untersuchung von 600 sonnenähnlichen Sternen entdeckt hatten. Erstaunlicherweise unterstützte diese auf den ersten Blick erfolgreiche Ausbeute die Annahme eines Defizits von Braunen Zwergen in der Massenverteilung der Himmelskörper. Denn das Team hatte mehr Objekte unterhalb der 13-Jupitermassen-Grenze gefunden als da-rüber, obwohl die Entdeckungswahrscheinlichkeit für planetare Begleiter geringer ist. Später hatte eine Analyse der astrometrischen Daten des Satelliten Hipparcos sogar ergeben, dass es sich bei mehr als der Hälfte der von Marcy gefundenen Kandidaten nicht um Braune Zwerge, sondern um massearme Sterne handelt. Je mehr Sterne Marcy und seine Kollegen untersuchen, desto mehr bestätigt sich, dass Braune Zwerge als Begleiter von sonnenähnlichen Sternen unterrepräsentiert sind.
Könnte es vielleicht sein, dass Braune Zwerge eher als Begleiter von Sternen vorkommen, die kleiner als die Sonne sind? Rebolo und seine Mitarbeiter entdeckten 1998 solch einen Kandidaten: Er ist relativ kühl und umkreist den jungen massearmen Stern G196-3. Setzt man eine gemeinsame Entstehung voraus, so muss der Braune Zwerg ebenfalls jung sein. Seine geringe Temperatur kann dann nur auf eine geringe Masse von vielleicht dem 20fachen des Jupiters zurückzuführen sein. Zudem sind inzwischen einige Braune Zwerge als Partner von Sternen bekannt, die sich gerade erst bilden. Und schließlich sind sogar die ersten Doppelsysteme identifiziert, die aus zwei Braunen Zwergen bestehen: Martin und ich fanden heraus, dass PPl 15 in Wirklichkeit ein enges Paar mit einer Umlaufperiode von sechs Tagen ist. Gemeinsam mit dem deutschen Astrophysiker Wolfgang Brandner, der an der Universität von Hawaii forscht, konnten wir ein enges Paar von Braunen Zwergen fotografieren. Durch wiederholte Beobachtung in den nächsten zehn Jahren sollte es gelingen, die Bahndynamik dieses ungewöhnlichen Doppelsystems zu bestimmen. Daraus ließen sich die bisher nur aus den Helligkeiten und Temperaturen indirekt abgeleiteten Massen mit direkt ermittelten Werten vergleichen.
Die geschilderten Befunde legen nahe, dass das scheinbare Defizit an Braunen Zwergen nur darauf zurückzuführen ist, dass sie eher als Begleiter von massearmen und nicht von massereichen Partnersternen auftreten. Dies ist möglicherweise auf die Entstehungsmechanismen von Doppelsystemen zurückzuführen, die bisher nur unbefriedigend verstanden sind. Aber offenbar gibt es ein Prinzip, das ein Massenverhältnis von mehr als zehn zwischen den Komponenten eines Doppelsystems unwahrscheinlicher macht.
Weitere Braune Zwerge fanden die Astronomen, indem sie willkürlich ausgewählte Felder des Himmels absuchten. Zwar verlieren sich diese kühlen Objekte dort leicht unter den zahllosen Sternen unseres Milchstraßensystems, doch je empfindlicher die elektronische Kamera für schwach leuchtende, rote Sterne ist, desto höher ist der Anteil von Kandidaten für Braune Zwerge darin. Der endgültige Nachweis kann dann über die Identifikation von Lithium im Spektrum erfolgen. Auf diese Weise entdeckte Maria Teresa Ruiz von der Universität von Chile 1997 den ersten Braunen Zwerg "im Feld". Sie nannte ihn Kelu-1, nach einem indianischen Wort für Rot. Etwa zeitgleich fanden Wissenschaftler von der Europäischen Südsternwarte in Chile, die mit dem Projekt Denis (Deep Near Infrared Survey) den Südhimmel im nahen infraroten Spektralbereich durchmustern, drei weitere Kandidaten. In einem davon wurde kurz darauf Lithium nachgewiesen. Solche einzeln stehenden Braunen Zwerge sind für spektroskopische Untersuchungen besonders gut geeignet, denn es gibt in der Regel keinen nahen Stern, dessen Licht das Spektrum "verunreinigt". So konnten die Forscher feststellen, dass die Atmosphären der Braunen Zwerge keine Spektrallinien von Titanoxid und Vanadiumoxid zeigen, wie sie bei vielen massearmen Sternen beobachtet werden. Offenbar treten diese Verbindungen bei Braunen Zwergen nicht auf, weil die schweren Metalle an Staubkörnern mit hoher Schmelztemperatur gebunden sind. Typisch für Braune Zwerge sind hingegen die Linien der nicht ionisierten Alkaliatome Natrium, Kalium, Rubidium, Cäsium und manchmal Lithium.
Im Rahmen einer Infrarot-Durchmusterung des gesamten Himmels bei einer Wellenlänge von zwei Mikrometern (Two Mikron All-Sky Survey oder kurz 2Mass genannt) entdeckten Wissenschaftler der Universität von Massachusetts etwa hundert Kandidaten für kühle Braune Zwerge. In zwanzig von ihnen wurde Lithium nachgewiesen. Die meisten davon haben Oberflächentemperaturen zwischen 1600 und 2200 Kelvin – sie müssen somit jünger als etwa eine Milliarde Jahre sein.
Ältere, das heißt kühlere und damit leuchtschwächere Braune Zwerge sind im Feld viel schwerer zu finden. Die Jagd nach ihnen verlief bis zum Sommer 1999 erfolglos. Doch dann spürte der Sloan Digital Sky Survey – ein amerikanisch-japanisches Projekt, an dem auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg mitwirken und das am Apache Point Observatory in New Mexico durchgeführt wird – zwei Braune Zwerge auf, deren Atmosphären Methan enthalten. Dies lässt auf eine Oberflächentemperatur unter 1300 Kelvin und somit auf ein Alter über ein bis zwei Milliarden Jahren schließen. Nahezu zeitgleich gab das 2Mass-Team die Entdeckung von vier ähnlichen Objekten bekannt. Da die meisten Braunen Zwerge unseres Milchstraßensystems wohl vor mehr als wenigen Milliarden Jahren entstanden sind, sollten die meisten von ihnen Methan enthalten. Bisher konnten die Astronomen also quasi nur die Spitze des Eisbergs sehen. In der Tat lassen die Durchmusterungen 2Mass und Denis auf etwa ähnliche Häufigkeiten von Braunen Zwergen und massearmen Sternen schließen – was sich mit dem etwas älteren Ergebnis für die Plejaden deckt.
Das erste Kapitel in der Entdeckungsgeschichte der Braunen Zwerge ist nunmehr vollendet: Die Suchmethoden haben sich bewährt, und es gibt genügend Kandidaten für weiterführende Studien. Den Forschern wird es in den nächsten Jahren gelingen, die statistischen Grundparameter der Braunen Zwerge empirisch enger einzugrenzen: ihre Häufigkeit, ihre Massenverteilung und ihre räumliche Verteilung im Milchstraßensystem. Die Theoretiker werden des weiteren Modelle dafür entwerfen, wie einzeln stehende Braune Zwerge und solche in Doppelsystemen entstehen können und welche Prozesse im Laufe der Jahrmilliarden währenden Abkühlung in den Atmosphären ablaufen. Es ist schon bemerkenswert, dass eine Klasse von Himmelskörpern, die genauso zahlreich ist wie die der Sterne, sich bis vor kurzem solchen grundlegenden Untersuchungen entzogen hat.
Literaturhinweise
Brown Dwarfs and Extrasolar Planets. Von R. Rebolo, E.L. Martin und M. R. Zapatero Osorio (Hg.) in: Astronomical Society of the Pacific Conference Series, Bd. 134 (1998).
Brown Dwarfs: A possible Missing Link Between Stars and Planets. Von S. R. Kulkarni in: Science, Bd. 276, S. 1350–1354 (1997).
Planet Quest: The Epic Discovery of Alien Solar Systems. Von Ken Croswell. Free Press, 1997.
Die Suche nach Braunen Zwergen
Weil Braune Zwerge nur wenig Strahlung aussenden, erfordert die systematische Suche nach ihnen spezielle Strategien. Ein Ansatz ist, die unmittelbare Umgebung von nahen Sternen nach lichtschwachen Begleitern abzusuchen. Damit haben die Astronomen das Objekt Gliese 229B gefunden (links). Auch in Sternhaufen, die sich erst vor wenigen Millionen Jahren aus interstellaren Gaswolken gebildet haben, sollten Braune Zwerge relativ leicht zu entdecken sein, denn kurz nach ihrer Entstehung leuchten sie am hellsten.
Besonders gründlich haben die Forscher den 120 Millionen Jahre alten Haufen der Plejaden untersucht . Einer der darin gefundenen Braunen Zwerge ist das Objekt PPl 15 (Mitte). Auch das Absuchen großer Himmelsareale mit Teleskopen, die das schwache Glimmen im Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums registrieren, kann erfolgreich sein. Auf diese Weise fanden die Astronomen 1997 erstmals einen isoliert im All stehenden Braunen Zwerg, Kelu-1.
Werden und Vergehen der Braunen Zwerge
Sowohl Braune Zwerge als auch Sterne bilden sich durch den gravitativen Kollaps von interstellaren Gas- und Staubwolken. Solche Wolken enthalten vorwiegend Wasserstoff und Helium. Doch es sind auch kleine Anteile von Lithium und Deuterium darin enthalten, die sich bereits im Urknall gebildet haben. Sterne früherer Generationen tragen mit den Produkten der in ihnen abgelaufenen Kernreaktionen zwar ebenfalls zum Elementecocktail der Wolken bei, doch Lithium und Deuterium werden in Sternen nicht erzeugt, sondern vernichtet.
Anfangs folgt die Entwicklung von Braunen Zwergen und Sternen demselben Schema: Während sie unter dem Druck ihrer eigenen Schwerkraft immer kompakter werden, steigt in ihrem Inneren die Temperatur. Bei den Sternen, aber auch bei den Braunen Zwergen reicht die so erzeugte Hitze, um eine Fusionsreaktion des Deuteriums zu zünden, durch die Helium-3 entsteht. Die freigesetzte Wärme verhindert für wenige Millionen Jahre die weitere Kontraktion der jungen Himmelskörper und lässt sie heller leuchten. Dann ist das Deuterium verbraucht, und der Kollaps setzt sich fort. Aber nur Sterne und Braune Zwerge, die schwerer als 60 Jupitermassen sind, erhitzen sich dabei im Zentrum stark genug, um die Lithium-Reaktion mit Protonen zu zünden. In leichteren Objekten bleibt also die anfängliche Lithium-Menge erhalten, in schwereren wird sie ebenfalls in wenigen Millionen Jahren umgewandelt.
Bei allen Braunen Zwergen setzt sich die Kontraktion fort, bis ein quantenmechanischer Effekt, die Entartung des Elektronengases, einen stabilen Gegendruck aufbaut: Wegen der hohen Temperatur im Zentralbereich sind alle Atome vollständig ionisiert, und es bildet sich ein Elektronengas hoher Dichte aus. Nun können wegen des Pauli-Prinzips der Quantenmechanik höchstens zwei Elektronen – mit entgegengesetztem Spin – ein und denselben Energiezustand besetzen. Die Zustände geringer Energie sind vollständig besetzt und ein großer Teil der Elektronen muss hochenergetische Zustände besetzen. Der Druck, der in solch einem entarteten Elektronengas herrscht, ist unabhängig von der Temperatur; er hängt nur vom äußeren gravitativen Druck ab. Aus diesem Grund haben alle Braunen Zwerge unabhängig von ihrer Masse und ihrem Alter nahezu dieselbe Größe: etwa die des Planeten Jupiter.
In Sternen entartet das Zentrum nicht. Vielmehr erzeugt die Wärme aus der Wasserstofffusion den Gegendruck zur Schwerkraft. Die Kontraktion stoppt, und es stellt sich ein Gleichgewicht mit konstanten Werten von Größe, Leuchtkraft und Temperatur ein. Bei Braunen Zwergen mit hoher Masse setzt für kurze Zeit ebenfalls eine Wasserstofffusion ein, sie kommt jedoch immer wieder zum Erliegen und bleibt schließlich ganz aus. Sobald die Entartung bei Braunen Zwergen für eine stabile Größe sorgt, kann die durch Abstrahlung verlorene Wärme nicht mehr durch gravitative Energie kompensiert werden – die Leuchtkraft nimmt allmählich ab, bis die Braunen Zwerge nach Milliarden von Jahren praktisch kein sichtbares Licht mehr produzieren. Daher ist es für die Astronomen umso schwieriger, Braune Zwerge zu entdecken, je älter diese sind.
Was Planeten und Braune Zwerge unterscheidet
Gibt es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den größten Planeten und den kleinsten Braunen Zwergen? Nach herkömmlicher Sichtweise ist das Unterscheidungskriterium die Entstehungsgeschichte: Die großen Gasplaneten bilden sich demnach in den Gas- und Staubscheiben, die junge Sterne umgeben. Zunächst verklumpt der Staub, der aus Ruß, Mineralien und Eis besteht, zu kilometergroßen Brocken, so genannten Planetesimalen, die sich wiederum zu Kugeln von Mond- bis mehrfacher Erdgröße zusammenballen. Letztere sind schwer genug, um innerhalb von wenigen Millionen Jahren ebenfalls das Gas der Scheibe gravitativ an sich zu binden. Diese Vorstellung basiert auf den Beobachtungen unseres eigenen Planetensystems, in dem sich die Gasplaneten relativ weit von der Sonne entfernt auf nahezu kreisförmigen Bahnen bewegen.
Dass es auch Planetensysteme mit ganz anderer Entstehungsgeschichte geben könnte, hat die Entdeckung der ersten extrasolaren Riesenplaneten nahe gelegt. Die meisten von ihnen haben einen relativ geringen Abstand zu ihrem Zentralgestirn und bewegen sich auf exzentrischen Bahnen. Einige Theoretiker haben sogar postuliert, es müsse Planeten geben, die durch enge Vorbeiflüge an schwereren Planeten oder Nachbarsternen aus ihrem System herausgeschleudert wurden und nun allein durch die Galaxis treiben. Dieser Umstand macht es für Beobachter schwierig, zwischen Planeten und Braunen Zwergen hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichte oder ihres Entstehungsortes zu unterscheiden. Man findet Braune Zwerge allein, paarweise oder als Begleiter von Sternen. Dasselbe könnte für große Planeten gelten.
So gewinnt eine andere Sichtweise immer mehr Anhänger unter den Forschern: Planeten unterscheiden sich von Braunen Zwergen dadurch, dass sie keinerlei nukleare Reaktionen hervorgebracht haben. Die Grenze zwischen beiden Objektklassen liegt dann ungefähr bei 13 Jupitermassen – denn darüber erfolgt in der Kontraktionsphase eine Deuteriumfusion. Aber auch wenn die Definition der Begriffe über die Masse sehr praktisch ist, hat sie dennoch einen Nachteil: Sie erklärt nämlich nicht, warum es weniger Braune Zwerge als Planeten gibt, die sonnenähnliche Sterne umkreisen. Dieser Befund spricht eben doch für Unterschiede in der Entstehungsgeschichte.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2000, Seite 28
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