Brief an die Leser
Verehrte Leserin,
sehr geehrter Leser,
am Institut für Angewandte Mathematik der Universität Freiburg rechnet Monika Geiben die Strömungsverhältnisse in einem Zweitaktmotor, den es noch gar nicht gibt. Das ist schwierig, denn Temperatur, Druck und chemische Zusammensetzung der Gase schwanken stark in kurzer Zeit und über geringe Entfernung, und der Verbrennungsraum ändert sich mit der Bewegung des Kolbens. Das anspruchsvolle Spiel mit Variablen ist jedoch interessant, insbesondere wirtschaftlich – in diesem Falle für die Kölner Ford-Werke AG; denn wenn es gelingt, die Geometrie so geschickt zu wählen, daß Frisch- und Abgas im wesentlichen getrennte und auch sonst die gewünschten Wege gehen, würde der Motor den Kraftstoff fast so gut nutzen wie ein Viertakter, bei wesentlich geringerem Materialaufwand.
Richtig rechnen hilft indes nicht viel. Man muß die Strömungen (hier ausschnittweise dargestellt durch zunächst kugelförmige, sich dann zu länglichen Gebilden verformende Gasvolumina) sehen können, damit einem vielleicht die optimale Konfiguration einfällt.
Dies ist wieder ein anschauliches und plausibles Beispiel dafür, daß Simulationen unter Umständen die einzige Möglichkeit bieten, komplexe Systeme in ihrer Entwicklung bis in alle Details vorherzubestimmen. So hat der Computer den Bereich experimenteller Forschung immens erweitert: Er erlaubt die Beobachtung hypothetischer Welten. Davon profitieren aber auch die theoretischen Wissenschaften wie die Mathematik selbst; denn mittels Datenverarbeitungsanlagen lassen sich viele dynamische Modelle verfolgen, die mit den klassischen Methoden weder zu bilden noch gar zu analysieren wären.
Was aber, wenn die logische formale Bestätigung von Theoremen mehr und mehr von Rechnern abhängt? Stirbt der Beweis aus? Siehe Seite 88.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1993, Seite 3
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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