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Brief an die Leser


Verehrte Leserin,

sehr geehrter Leser,


schwer vorstellbar, wie klein und leer der Himmel noch zu Anfang des Jahrhunderts war. Einzelne Sterne außerhalb des Milchstraßensystems, überhaupt die Myriaden anderer Galaxien, Radio-, Infrarot-, Ultraviolett- und Röntgenquellen, Quasare, Pulsare und Schwarze Löcher, die Expansion des Weltalls und der Urknall – das alles und vieles mehr war unbekannt.

Zu dieser Zeit suchte der amerikanische Geschäftsmann mit Astronomie-Faible Percival Lowell (1855 bis 1916) erst einmal das Sonnensystem zu vervollständigen. Im Jahre 1848 war nämlich aufgrund von Störungen der Uranusbahn der Neptun entdeckt worden, und dessen Bahn wies wiederum Störungen auf – durch einen weiteren großen "Planeten X", wie Lowell überzeugt war. An dem von ihm gegründeten Observatorium wurde zwar 1930 schließlich, durch Vergleich von 160000 Lichtpünktchen auf Photos, Pluto identifiziert. Aber der war Weltsensation und Enttäuschung zugleich, denn der neunte Planet erwies sich als der mickrigste; sein Durchmesser ist kaum halb so groß wie der des innersten Planeten, des Merkur.

Erst 1950 postulierte der Niederländer Jan Hendrik Oort (1900 bis 1992) ein riesiges Gebilde sehr viel weiter draußen: eine nun nach ihm benannte kugelschalenförmige Materiebrockenwolke, die sich fast halbwegs bis zu den nächsten Sternen erstrecken und das Reservoir der Kometen sein soll. Schön, meinte schon im Jahr darauf Oorts Landsmann Gerard Peter Kuiper, der seit 1933 in den USA arbeitete; nur wäre damit nicht die Herkunft der kurzperiodischen Kometen erklärt, die in Sonnennähe jeweils so viel Gas und Staub verlieren, daß es längst keine mehr geben dürfte.

Kuiper (1905 bis 1973), der wohl bedeutendste Planetenforscher unseres Jahrhunderts (so das "Lexikon der Astronomie"), hatte damals bereits unter anderem Kohlendioxid in der Atmosphäre des Mars nachgewiesen sowie den Uranus-Mond Miranda und den Neptun-Mond Nereid gefunden; ebenfalls 1951 veröffentlichte er die plausible Theorie, die Planeten seien durch Kondensation von Gasballungen entstanden (später war er an den meisten wissenschaftlichen Programmen der NASA-Weltraummissionen beteiligt und bereitete Höhenflüge eines 92-Zentimeter-Teleskops zur Aufnahme von Infrarotspektren vor, ein nach seinem Tode überaus erfolgreiches Projekt). Kuipers Votum hatte also Gewicht.

Daß er auch recht hatte mit seiner Hypothese, von der Entstehung des Sonnensystems sei kurz hinter Neptun und Pluto noch ein Ring von Materie übriggeblieben, aus dem hin und wieder ein Objekt als Kometenkern in unsere Nähe katapultiert werde, ist erst jüngst bestätigt worden. Mehr über diese neue Komponente unseres kleinen kosmischen Archipels, eben den Kuiper-Gürtel, finden Sie von Seite 56 an.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1996, Seite 3
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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