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Kasten: Chemisches Recycling: Erfolge bei reinen und vermischten Kunststoffabfällen


Die langen Kettenmoleküle von Kunststoffen lassen sich wieder in ihre niedermolekularen Bausteine spalten, die nach Reinigung und Aufarbeitung neuerlich für Kunststoffe verwendet oder zu anderen Verbindungen umgesetzt werden können. Je nach Zusammensetzung und Sortenreinheit des Kunststoffabfalls sowie der chemischen Struktur der Einzelmaterialien gibt es drei prinzipielle Verfahren für dieses chemische Recycling: die Pyrolyse und die Hydrierung (thermische Spaltung unter Luftausschluß beziehungsweise unter Wasserstoffatmosphäre) sowie die chemische Spaltung (Hydrolyse, Alkoholyse, Methanolyse oder Glykolyse, wobei Wasser, Alkohol, Methanol oder Glykol als Spaltmittel dient).

Pyrolyse und Hydrierung

Für unpolare Kunststoffe wie Polyethylen oder Polystyrol (deren molekulare Gruppen keine Ladungen oder Ladungsverschiebungen aufweisen) sowie für gemischte Kunststoffabfälle, wie sie bei der Hausmüllsammlung anfallen, eignen sich speziell Verfahren wie Pyrolyse und Hydrierung. In der Kohleölanlage Bottrop, die Schwerölrückstände aus der Rohölverarbeitung aufbereitet, werden auch solche Kunststoffabfälle durch Hydrierung in ein Öl ausgezeichneter Qualität umgewandelt. Erst vor kurzem wurde die Verwertungskapazität auf 40000 Tonnen jährlich erhöht. Das erhaltene Öl wird von der Ruhröl-Raffinerie Gelsenkirchen unter anderem auch zu Rohstoffen für die Kunststoffherstellung aufgearbeitet. Die BASF plant die Errichtung einer Pilotanlage zur rohstofflichen Verwertung von Altkunststoffen mit einer Kapazität von 15000 Tonnen im Jahr. Ab 1994 sollen dort durch thermische Spaltung von Kunststoffabfällen petrochemische Rohstoffe geliefert werden, die zur Erzeugung von Kunststoffen, Acetylen, Olefinen und Synthesegas genutzt werden können. Im Jahre 1996 soll dann eine großtechnische Anlage zur Verfügung stehen. Damit ist der Weg frei für ein effektives rohstoffliches Recycling von verschmutzten und vermischten Verpackungskunststoffen.

Methanolyse

Bei der chemischen Spaltung ist zunächst die Methanolyse von Polyethylenterephthalat (PET) zu Ethylenglykol und Dimethylterephthalat zu erwähnen, ein inzwischen weit entwickeltes Verfahren für gebrauchte PET-Flaschen. Die daraus gewonnenen Rohstoffe sind von so hoher Reinheit und Qualität, daß sie wieder zur Herstellung von PET eingesetzt werden können, das für den Kontakt mit Lebensmitteln zugelassen ist. Nach prinzipiell gleichem Verfahren läßt sich auch Polybutylenterephthalat (PBT) wieder in seine Bausteine – 1,4-Butandiol und Dimethyl-terephthalat – spalten.

Glykolyse von Polyurethan-Weichschäumen

Bei den Polyurethanen (PU) handelt es sich meist um vernetzte, unschmelzbare Kunststoffe, die als nicht oder nur schwer recycelbar gelten. Versuche bei der BASF Schwarzheide GmbH haben jedoch gezeigt, daß sich die Urethanbindung bei erhöhten Temperaturen mit Hilfe von Glykolen spalten läßt. Dabei werden die Polyurethane in ein Gemisch aus ursprünglichem Polyol und niedermolekularem, flüssigem Polyurethan überführt und zusammen mit frischem Isocyanat wieder zur Herstellung von PU-Hartschäumen oder Beschichtungsmassen für den Unterbodenschutz von Fahrzeugen verwendet.

Hydrolyse von Perlon und Nylon

Praktisch alle großen Faser- und Faservorprodukthersteller nutzen die Polyamid-6-Spaltung; bei diesem alterprobten Verfahren werden die festen Faserabfälle von Perlon (Polyamid 6) in einem Reaktor – unter Zugabe von Phosphorsäure als saurem Katalysator – mit Hilfe von überhitztem Wasserdampf in Caprolactam zurückgespalten, das wieder zur Herstellung der Kunstfaser eingesetzt werden kann. Faserabfälle aus Nylon (Polyamid 66) hingegen wurden früher bei der BASF durch basische Hydrolyse mit Natronlauge nacheinander in Hexamethylendiamin und Natriumadipat (das Natriumsalz der Adipinsäure) gespalten. Daraus ließ sich jedoch die Adipinsäure nicht wiedergewinnen. Inzwischen konnten wir ein neues Konzept entwickeln. Entscheidend daran ist, daß die Adipinsäure nicht durch Behandlung des Natriumadipats mit Mineralsäuren (also anorganischen Säuren), sondern mit Hilfe eines Elektrolyse-Verfahrens freigesetzt wird. Das eigentliche chemische Agens sind hier also Protonen (Wasserstoff-Ionen), die durch elektrolytische Spaltung von Wasser gewonnen werden. Die gleichzeitig entstehenden Hydroxyl-Ionen verbinden sich mit den freigesetzten Natrium-Ionen zu Natronlauge. Somit ist es möglich, beide Bausteine des Nylons – Hexamethylendiamin und Adipinsäure – zurückzugewinnen, ohne daß unverwertbare anorganische Salze anfallen (Bild). Ein weiterer Vorteil ist, daß die gebildete Natronlauge in einem geschlossenen Kreislauf zur Hydrolyse (dem ersten Schritt) wiederverwertet wird. Überdies ist das Verfahren für alle Arten von Nylon-Abfällen verwendbar, also auch für eingefärbte und verstärkte Altteile beispielsweise aus Automobilen. Die prinzipielle Tauglichkeit des neuen Konzeptes wurde im Labormaßstab nachgewiesen. Nun geht es darum, es auf großtechnischen Maßstab zu erweitern.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1993, Seite 108
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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