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Chip-Diagnostik mit Elektronentomographie

Schnittbilder des menschlichen Körpers und räumliche Darstellungen einzelner Organe unterstützen den Arzt bei der Diagnostik. Warum diese Verfahren nicht auch für die Qualitätssicherung in der Halbleiterfertigung nutzen?


Computertomographen offerieren Einblicke in den Körper des Menschen. Mathematische Algorithmen rekonstruieren diese Bilder aus radiologischen Daten. Daß sie auch den inneren Aufbau von Halbleiterschaltungen sichtbar machen können, demonstriert die Elektronentomographie: Statt einen fehlerhaften Chip Schicht um Schicht mittels Ionenstrahlätzung abzutragen, um die unerwünschten Strukturen zu entdecken, prüft ihn die Qualitätssicherung nun berührungslos, ohne Schaden anzurichten.

Die Rohdaten liefert ein handelsübliches Rasterelektronenmikroskop (REM): Ein Elektronenstrahl tastet schrittweise die Probe ab, die Wechselwirkung der Ladungsträger mit dem Material setzt unter anderem Sekundärelektronen und Rückstreuelektronen frei, die ein Detektor sammelt; aus diesen Meßwerten wird ein Bild der Oberfläche bestimmt.

Erhöht das System die Strahlenergie in Schritten von etwa 100 Elektronenvolt von 5 auf 30 Kiloelektronenvolt, dringen die Primärelektronen bis zu drei Mikrometer (tausendstel Millimeter) in die Probe ein – tief genug für heutige Halbleiterbauelemente. Ein spezieller Detektor weist nur rückgestreute Elektronen nach, deren Richtung und Energie Aufschlüsse über ihre Entstehungstiefe und das rückstreuende Material gibt.

Diese Daten ermöglichen eine räumliche Rekonstruktion mit hoher Auflösung: Bei einer typischen 5000fachen Vergrößerung bildet das System die planaren, einige hundert Nanometer (millionstel Millimeter) feinen Strukturen derzeitiger Chip-Technologie präzise ab. In der Tiefe erreicht es sogar eine Auflösung von 5 Nanometern; die verschiedenen Schichten herkömmlicher Chips reichen wenige hundert Nanometer in die Tiefe. Ein Hersteller der Mikroelektronik-Industrie testet derzeit das System in der Praxis.

Das dargestellte Beispiel demonstriert bereits künftige Einsatzmöglichkeiten der Elektronentomographie. Es zeigt den Tunnelübergang aus einer Niob/Aluminiumoxid/Niob-Struktur eines Josephson-Kontakts. Reines Niob erscheint hier grau und gelb, Aluminium und Aluminiumoxid grün. Zwar mißt die Übergangsschicht gerade mal 10 Nanometer Dicke, doch das ist kein Problem für den Elektronentomographen. Ketten aus mehreren Tausend solcher Josephson-Kontakte werden derzeit in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig produziert und dienen dort als "Spannungsnormale": Bei Bestrahlung mit Mikrowellen von 70 bis 100 Gigahertz liefern sie eine elektrische Spannung von 10 Volt auf 0,5 Nanovolt (millionstel Volt) genau. Die Anforderungen an die Fertigung sind hoch, doch der Elektronentomograph gibt Sicherheit über die Qualität dieses Bauelements, das bereits in den Bereich der Quantenelektronik hineinreicht


Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1999, Seite 98
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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