Chronik der Technik (CD-ROM)
Bertelsmann Electronic Edition,
München 1996.
CD-ROM, DM 148,-.
München 1996.
CD-ROM, DM 148,-.
Dieses BEE-BOOK (Bertelsmann Encyclopedic Electronic Book) soll ein "Informationsmedium neuer Dimension" sein. Dokumentiert wird die Entwicklung der Technik von den frühen Hochkulturen (um 3000 vor Christus) bis zur Gegenwart. Das reiche Bildmaterial (33 Videos, 30 Dia-Shows, 33 Animationen und immerhin 2000 Standbilder) wird ergänzt durch 4000 Einträge zu technischen Entwicklungen – dem Titel entsprechend chronologisch geordnet – und mehr als 2000 Textbeiträge, die ausführlich die naturwissenschaftlichen und technischen Errungenschaften und ihre historischen Zusammenhänge darstellen. Alle Beiträge sind gut durch Querverweise (hyperlinks) verknüpft.
Die Auswahl der Themen ist umfassend, die Texte sind klar und verständlich. Doch hier sollen weniger die Inhalte des 1988 veröffentlichten Buches diskutiert werden, sondern ihre Umsetzung auf das neue Medium CD-ROM.
Das Hauptmenü, das sich wenig ansprechend grau in grau präsentiert, stellt mehrere Optionen zur Verfügung: Im Zentrum steht die Chronik, eine in Epochen gegliederte Übersicht der letzten 5000 Jahre. Die Einteilung ist gelegentlich fragwürdig; zum Beispiel bedeutet "Frühe Neuzeit" nicht wie üblich Renaissance, sondern Barock, 1600 bis 1750. Nicht günstig finde ich zudem die alphabetische Auflistung innerhalb der Epochen statt einer zeitlichen. Eine weitere Option ist die thematische Gliederung in Technik, Physik, Chemie und Mathematik – jeweils in weitere Unterpunkte differenziert. Ein Glossar bietet Erklärungen technischer Begriffe.
Allerdings ist Lesen von Texten am Bildschirm mühsam. Die Abbildungen dazu muß man eigens aufrufen. So wirkt dieser Teil nicht multimedial aufbereitet.
Zum Zurechtfinden in der Datenfülle stellt die CD – intuitiv einleuchtend – eine Spalte mit virtuellen Schaltknöpfen (buttons) zur Verfügung. Angenehm ist hier die Taste "Bisher", mit der man die bereits angesehenen Bildschirmseiten wieder aufrufen kann. Für die Suche gibt es drei Möglichkeiten: im Register die Stichwörter, die Personennamen (Biographien von rund 150 Naturwissenschaftlern und Technikern) und die Nobelpreisträger (in Physik und Chemie 1901 bis 1994) sowie eine Volltext-Recherche und schließlich im Chronik-Teil noch die Jahreszahlen.
Die schön konzipierten "Dia-Shows" enthalten Bilder ausgezeichneter Qualität. Die Abbildungs-Unterschrift ist wahlweise zu- oder abschaltbar. Der Sprechertext ist verständlich – wenn auch manchmal etwas zu plakativ – formuliert und gibt einen guten Überblick zu Themen wie "Wissenschaftliche Großchemie" oder "Einheit von Kunst, Technik und Wissenschaft" in der Renaissance-Zeit. Die alphabetische Gliederung ist ungeschickt; zum Beispiel findet sich "Die britische Textilindustrie" unter "D". Alle Dia-Shows lassen sich auch nach Epochen sortiert abrufen.
Manche zu allgemein formulierten Titel führen in die Irre. "Naturwissenschaften im Aufschwung" handelt von der griechischen Mathematik, Optik und Zeitmessung. Entsprechendes gilt für "Technik im Alltag". Bei "Massenkommunikation" hätte ich mehr als nur Zeitungen und Telephon erwartet, ähnliches gilt für "Der Krieg als Anstoß zu technischen Entwicklungen", wo nur Beispiele aus der Antike gegeben werden.
Folgende Videos (Dauer jeweils rund 45 Sekunden) fand ich besonders informativ: Blaufärben, Glasherstellung mit der Sandkernmethode, Feldbewässerung und Papierschöpfen.
Viele Animationen sind recht einfach bis enttäuschend: Man beobachtet passiv, wie sich eine Schraube dreht, oder hört den Ton eines vorbeifahrenden Autos zur Erklärung des Doppler-Effekts. Der Benutzer würde sicherlich gerne mehr eingreifen, vielleicht Randbedingungen variieren und dann einen veränderten Ablauf beobachten. Ein bißchen kann er das nur in wenigen Fällen: bei additiver und subtraktiver Farbmischung, "Klangfiguren" (dem Entstehen von Mustern auf sandbestreuten Platten bei der Anregung mit drei verschiedenen Frequenzen), "Monochord" (Erzeugung von Tönen in Abhängigkeit von der Länge einer schwingenden Saite) und besonders beim wirklich interaktiven Zusammenbau eines Grammophons.
Gut gefallen haben mir auch die interaktiven Illustrationen der Ariane-Rakete, des Airbus, des Space Shuttle oder des britischen Luftkissenbootes Hovercraft: Man klickt auf eine Verkleidung, die daraufhin verschwindet und den Blick auf das Innere freigibt; es folgt eine weitere Erläuterung. Einiges wäre zu verbessern: Bei der Animation zur Spiegelreflex-Kamera sollte nach dem Drücken des Auslösers auch wirklich der Spiegel hochklappen; bei der Satelliten-Animation sollte sich nicht nur die Erdkugel drehen, sondern die Satelliten müßten sich auch um die Erde bewegen, damit der Unterschied zwischen geostationären und anderen Satelliten klarer wird.
Die CD läuft unter Windows 3.11; sie wurde erfolgreich mit dem Windows in OS/2 getestet. Die Installation war problemlos; drei Installationsarten – je nach Platz auf der Festplatte – sind wählbar. Obwohl ich die Maximal-Installation und die empfohlene Konfiguration (ein 486er mit 66 Megahertz und 8 Megabyte Arbeitsspeicher, Auflösung 800×600 mit 256 Farben) benutzte, ist die Arbeitsgeschwindigkeit nicht sehr befriedigend. Zwei der drei Computer, mit denen ich das Programm getestet habe, stürzten nach dem Anschauen einiger Animationen ab und konnten nur durch die Radikalmaßnahme Reset-Taste wieder aktiviert werden. Auf einem Computer konnten die Dia-Shows nicht geladen werden, obwohl die Videos und Einzelbilder funktionierten.
Mit ihrer Fülle von Informationen ist diese CD ein guter Einstieg und ein nützliches Nachschlagewerk zur Entwicklung nicht nur der Technik, sondern auch der Naturwissenschaft. Aber Multimedia lebt in erster Linie vom gelungenen Zusammenspiel der Komponenten Klang, Text, Photo, Video und besonders Interaktion. Hier hätte ich wesentlich mehr erwartet. Man merkt der CD-ROM zu sehr ihren Ursprung an: Wenn die Animationen, die bewegten Bilder und das Quiz durchgespielt sind, blättert man doch lieber wieder im Buch.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1996, Seite 124
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben