Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Selbstverletzungen: Dämpfer fürs Gefühlschaos

Warum fügen sich manche Menschen immer wieder selbst Schnitte und Brandwunden zu? Forscher vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim haben eine mögliche Antwort im Gehirn der Betroffenen gefunden.
Tut gar nicht weh

"Alles dreht sich in meinem Kopf. Die Gedanken überschlagen sich, und die Gefühle sind so stark, dass ich fast zerspringe. Ich halte die Spannung nicht mehr aus. Ich ziehe die Vorhänge zu, stelle meine Lieblingsmusik an, setze mich aufs Sofa und lege Taschentücher, Kompressen und eine Mullbinde bereit. Ich nehme eine Rasierklinge aus der Packung, setze sie auf meinem Arm auf und schließe die Augen. Ich drücke auf die Klinge, spüre, wie sie in meine Haut fährt, aber es ist kein Schmerz da. Dann ziehe ich sie langsam nach unten. Als ich die Augen öffne, sehe ich das rote Blut über meine Haut strömen und werde ruhiger. Langsam fange ich an, den Schmerz wahrzunehmen, in meinem Kopf wird es klarer, die Gedanken ordnen sich wieder. Meine Anspannung nimmt langsam ab."
Diese kurze Schilderung einer Patientin mit Borderline-Persönlichkeitsstörung enthält typische Merkmale von Selbstverletzungen: die hohe Anspannung davor, die reduzierte Schmerzwahrnehmung und die Entspannung danach, verbunden mit einem verspäteten Auftreten von Schmerzempfinden. Die meisten Betroffenen schneiden sich zum Beispiel mit einer Rasierklinge, andere verbrennen sich die Haut mit einer Zigarette oder schlagen mit dem Kopf gegen die Wand.
Fast alle Borderlinepatienten zeigen zumindest gelegentlich solche Verhaltensweisen. Selbstverletzungen treten aber auch bei anderen Erkrankun­gen wie Depressionen, Essstörungen und der Posttraumatischen Belastungsstörung auf, und in manchen Fällen liegt auch gar keine psychia­trische Erkrankung vor. Betroffen sind überwiegend Mädchen und junge Frauen, vermutlich weil sie anders als Männer negative Gefühle eher gegen sich selbst richten.
Warum fügen Menschen ihrem Körper Schaden zu? ...

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Psyche am Limit

In der öffentlichen Wahrnehmung dominiert von den fast 300 psychische Störungen, die im Klassifikationssystem aufgeführt sind, vor allem die Depression. Doch auch jene Erkrankungen mit denen sich »Psyche am Limit« beschäftigt, sind keineswegs selten. Schizophrenie tritt etwa bei einem Prozent aller Menschen auf, Posttraumatische Belastungsstörungen betreffen knapp zwei. Eine Angststörung hat im Schnitt sogar jeder Vierte. Wir zeigen, wie komplex das Thema Ängste, Psychosen, Traumata wie etwa die Borderline-Störung, Multiple Persönlichkeit oder Schizophrenie ist und wollen Verständnis für Betroffene wecken.

Spektrum - Die Woche – Dem Panamakanal geht das Wasser aus

Im Panamakanal herrscht Wassermangel, trotz der aktuellen Regenzeit im Land. Kanalschleusen, geringere Niederschläge und das Wetterphänomen El Niño sind nur ein paar der ausschlaggebenden Faktoren. Lesen Sie in der aktuellen Woche, welche Folgen der anbahnende Schiff-Stau mit sich bringt.

Gehirn&Geist – Bewusstsein: Wie es sich erklären lässt

Der Artikel »Bewusstsein« erklärt, was eine Theorie des Bewusstseins leisten muss. Außerdem im Heft: Populismus: Der Reiz der einfachen Antworten; Erinnerungen: Kann man gezielt vergessen?; Chimären: Mischgehirne aus Tier und Mensch; Immun gegen Alzheimer?

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen und Literaturtipps

Literaturtipps

Knuf, A., Tilly, C.: Borderline: Das Selbsthilfebuch. Balance Buch + Medien, 2012
Fundierter Ratgeber zur Selbst- und Fremdhilfe

Stiglmayr, C., Schmahl, C. (Hg.): Selbstverletzendes Verhalten bei stressassoziierten Erkrankungen. Kohlhammer, Stuttgart 2008
Von den neurobiologischen und psychologischen ­Grund­lagen bis zur Behandlung: ein Rundumschlag für Experten


Quellen

Niedtfeld, I. et al.: Functional Connectivity of Pain-Mediated Affect Regulation in Borderline Personality Disorder. In: PLoS One 7, e33293, 2012

Reitz, S. et al.: Stress Regulation and Incision in Borderline Personality Disorder - A Pilot Study Modelling ­Cutting Behaviour. In: Journal of Personality Disorders 26, S. 605-615, 2012

Resch, F.: Selbstverletzende Jugendliche. Lindauer Psychotherapiewochen, Lindau 2012

Schmahl, C. et al.: Pain Sensitivity is Reduced in Borderline Personality Disorder, but not in Posttraumatic Stress Disorder and Bulimia Nervosa. In: World Journal of Biological Psychiatry 11, S. 364-371, 2010

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.