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Wunder der Schmiedekunst: Damaszenerklingen

Orientalische Schmiede schufen einst Stahlklingen von unübertroffener Güte. Das Abendland kam nie hinter das Geheimnis ihrer Kunst. Der Autor und ein Schmied haben es nun gelüftet.


Von der Bronzezeit bis ins 19. Jahrhundert dienten Schwerter als Waffen. Ihre Qualität konnte über den Ausgang einer Schlacht entscheiden. Heere mit Damaszenerschwertern, denen die abendländischen Ritter zuerst bei den Kreuzzügen begegneten, hatten waffentechnisch einen klaren Vorteil.

Damaszenerklingen wurden ursprünglich in Damaskus – daher ihr Name – und später auch andernorts im islamischen Orient hergestellt. Sie zeichneten sich durch zwei Eigenschaften vor europäischen Schwertern aus. Ihre Oberfläche zierte ein wellenförmiges Muster, das heute unter dem Namen Damast bekannt ist. Aber was noch wichtiger ist: Die Schneide war unglaublich scharf. Angeblich konnten Damaszenerschwerter in der Luft schwebende seidene Taschentücher zerteilen, wozu ihre europäischen Gegenstücke niemals fähig gewesen wären. Dies verschaffte ihnen einen legendären Ruf.

Trotz vieler Bemühungen kam das Abendland nie hinter das Geheimnis der Herstellung dieses Stahls, der für Schwerter, Dolche, Äxte und Speerspitzen verwendet wurde. Auch die besten europäischen Metallurgen und Klingenschmiede vermochten ihn nicht zu kopieren, selbst nachdem sie sich Muster besorgt und sie eingehend untersucht hatten. Im Ursprungsland ging die Kenntnis seiner Herstellung gleichfalls verloren; nach gängiger Expertenmeinung stammen die letzten Damaszenerschwerter hoher Qualität aus dem frühen 19. Jahrhundert. Nun aber gelang es einem begabten Schmied und mir, das Geheimnis dieses Stahls zu lüften.

Natürlich stehen wir mit diesem Anspruch nicht allein, aber wir konnten als Erste den Beweis dafür erbringen, indem wir originalgetreue Kopien der kostbaren Waffen anfertigten. Damit eine Theorie über die Herstellung von Damaszenerklingen und -dolchen glaubhaft ist, müssen die Replikate aus den gleichen Ausgangsmaterialien wie die Originale gemacht werden. Außerdem sollten die fertigen Waffen das gleiche Damastmuster aufweisen und dieselbe chemische und mikroskopische Struktur haben.

Ausgangsmaterial für echte Damaszenerklingen waren kleine, aus Indien importierte Stahlblöcke. Sie hatten die Form von Hockey-Pucks mit rund zehn Zentimetern Durchmesser und knapp fünf Zentimetern Höhe. Seit etwa 1800 sind sie unter dem Namen Wootz-Barren oder Wootz-Kuchen bekannt. Außer Eisen enthalten sie rund 1,5 Gewichtsprozent Kohlenstoff, dazu geringe Mengen anderer Verunreinigungen wie Silizium, Mangan, Phosphor und Schwefel. Wie englische Reisende schon früh aus Indien berichteten, wurden die Damaszenerklingen mit ihrem charakteristischen Damastmuster aus solchen Wootz-Kuchen durch wiederholtes Erhitzen und Hämmern direkt hergestellt.

Das Damastmuster lässt sich auch anders erzeugen. Kunstschmiede können Schichten mit hohem und niedrigem Kohlenstoffgehalt abwechselnd zu einem komplizierten Verbundwerkstoff zusammenfügen. Dieses Hammer- oder Musterschweißen hat im Westen eine lange Tradition, die bis ins alte Rom zurückgeht. Ähnliche Techniken finden sich auch in Indonesien und Japan. Das resultierende Gefüge ist jedoch völlig anders als bei "Wootz"-Klingen, um die es in diesem Artikel ausschließlich gehen soll.

Schon 1824 verkündete Jean Robert Bréant in Frankreich, er hätte das Geheimnis der muslimischen Klingenschmiede gelüftet. Wenig später erhob der Russe Pavel Anosoff denselben Anspruch. Im 20. Jahrhundert gab es ähnliche Behauptungen – zuletzt von Oleg D. Sherby und Jeffrey Wadsworth (siehe "Damascus Steels", Scientific American, Februar 1985). Aber in keinem Fall ließen sich mit den vorgeschlagenen Methoden Schwerter herstellen, die in Aussehen wie Gefüge den alten Originalen in zufriedenstellendem Maße gleichen.

Den Versuchen, die alten Wootz-Klingen nachzuahmen, stand lange Zeit ein gravierendes Hindernis entgegen. Damaszenerwaffen von Museumsqualität sind wertvolle Kunstgegenstände und werden ungern der Wissenschaft zum Studium ihres Gefüges geopfert. 1924 übergab jedoch ein berühmter europäischer Sammler, Henri Moser, vier Schwerter an den Schweizer Materialforscher B. Zschokke, der sie zur chemischen Analyse und Prüfung der Mikrostruktur zerschnitt. Die restlichen Stücke gingen an das Bernische Historische Museum (Sammlung Moser Charlottenfels), das mir kürzlich einige für Studienzwecke überließ.

Als ich die kostbaren Exemplare untersuchte, fand ich darin rundliche Teilchen aus Eisencarbid (Fe3C), das auch unter dem Namen Zementit bekannt ist. Sie haben im Allgemeinen einen Durchmesser von sechs bis neun Mikrometern und sind zu Bändern oder Lamellen mit Abständen von 30 bis 70 Mikrometern angeordnet, die parallel zur Klingenoberfläche verlaufen.

Beim Ätzen der Klingen erscheinen die Carbidbereiche als weiße Linien in der dunklen Stahlmasse. Ähnlich wie die gewellten Wachstumsringe eines Baums die Maserung von Holzbrettern verursachen, rufen Wellen in den Carbidbändern die komplexen Linienmuster auf den Klingenoberflächen hervor. Die Carbidteilchen sind extrem hart, und man vermutet, dass die Schichten starren Zementits in einer weicheren Grundmasse von elastischem Stahl den Damaszenerwaffen die günstige Kombination aus harter Schneide und einer federnden Biegsamkeit verleihen.

Meine ersten Versuche, die Mikrostruktur von Wootz-Klingen nachzuahmen, unternahm ich in einem normalen Universitätslabor. Bald merkte ich jedoch, dass ich Hilfe von einem Praktiker mit Erfahrung in der Kunst des Schmiedens scharfer Waffen brauchte. Alfred H. Pendray erwies sich als dieser Mann. Er hatte sich unabhängig von mir mit dem Rätsel der Damaszenerklingen beschäftigt und aus kleinen Stahlbarren, die er in einem gasbetriebenen Ofen herstellte, Klingen geschmiedet, deren Mikrostrukturen denjenigen der hochwertigen Vorbilder oft erstaunlich nahe kamen.

Pendray lernte das Hufschmiedehandwerk in jungen Jahren von seinem Vater und entwickelte mit zähem, geduldigem Fleiß ein tiefes Verständnis der Kunst des Stahlschmiedens. Meine Zusammenarbeit mit ihm begann 1988. Zunächst erwies es sich als schwierig, meine theoretischen Vorstellungen mit seinen praktischen Erfahrungen in Einklang zu bringen. Daher fuhr ich 1993 mit einem meiner Studen-ten an der Iowa State University in Ames zu Pendrays Schmiede in der Nähe von Gainesville (Florida); dort installierten wir ein Thermoelement und ein Infrarot-Strahlungsthermometer – beides computergesteuert –, um die Temperaturen bei den verschiedenen Schmelz- und Schmiedeprozessen aufzunehmen.

Zuerst versuchten wir, nach der von Wadsworth und Sherby beschriebenen Methode Klingen herzustellen; aber entweder erhielten wir nicht die richtige Mikrostruktur oder keine Damastmuster auf der Oberfläche. Daraufhin arbeiteten wir über mehrere Jahre hinweg ein neues Verfahren aus. Mit ihm kann Pendray nun routinemäßig Wootz-Damaszenerstahlklingen reproduzieren. Dabei gelingt ihm sogar das Muster, das einige der prächtigsten alten muslimischen Klingen ziert und als Mohammeds Leiter bekannt ist. Die Wellenlinien entlang der Klinge ordnen sich darin zu Sprossen an, auf denen die Gläubigen symbolisch zum Himmel aufsteigen können.

Unser Verfahren ähnelt der Methode, wie sie von früheren Forschern beschrieben wurde – mit einigen wichtigen Unterschieden. Wir erzeugen einen kleinen Stahlbarren einer bestimmten Zusammensetzung in einem geschlossenen Schmelztiegel, der anschließend in Klingenform geschmiedet wird. Der Erfolg hängt dabei von drei Faktoren ab:

- der Mischung von Eisen, Kohlenstoff und anderen Elementen (wie Vanadium und Molybdän, hier kurz Fremdelemente genannt) im Stahl,

- der Hitze des Schmelztiegels und der Dauer der Befeuerung,

- der Temperatur und dem handwerklichen Geschick bei den wiederholten Schmiedevorgängen.

Schon lange hatten wir den Verdacht, dass Fremdelemente eine Schlüsselrolle bei der Lamellenbildung spielen; wir wussten nur nicht, welche. Silizium, Schwefel und Phosphor, wohlbekannte Bestandteile von Wootz-Stählen, ließen sich rasch ausscheiden. Aber welche anderen Elemente kamen in Frage?

Zum Durchbruch verhalf uns ein glücklicher Zufall: Wir probierten unter anderem Sorel-Metall als Komponente für den Barren aus. Dabei handelt es sich um eine hochreine Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit etwa 3,9 bis 4,7 Prozent Kohlenstoff, die aus dem großen Bergwerk Lac Tio am Sankt-Lorenz-Strom in Quebec (Kanada) stammt. Das Erz dieser Lagerstätte enthält Spuren von Vanadium, weshalb auch das daraus hergestellte Sorel-Metall mit 0,003 bis 0,014 Prozent des Elements behaftet ist. Anfänglich achteten wir nicht auf diese Beimischung; denn wir hielten sie für zu gering, um einen Einfluss zu haben. Nachdem wir jedoch zwei Jahre auf der Stelle getreten waren, mussten wir unsere Ansicht revidieren. Offenbar konnten auch winzige Verunreinigungen eine entscheidende Rolle spielen.

Das zeigten Experimente mit Stahl, der etwa 1,5 Prozent Kohlenstoff und nur rund 0,003 Prozent Vanadium enthielt. Wenn wir diese Legierung fünf- oder sechsmal auf ein bestimmtes Temperaturniveau erhitzten und auf Raumtemperatur abkühlen ließen, entstanden genau die Bänder aus Carbidpartikeln, die beim Schmieden die charakteristischen Oberflächenmuster produzieren. Molybdän hat denselben Effekt – in geringerem Ausmaß gilt das auch für Chrom, Niob und Mangan. Andere Elemente wie Kupfer und Nickel fördern die Carbidbildung dagegen nicht.

Um die Rolle der Verunreinigungen zu ergründen, untersuchten wir alte und neue Klingen mit der Elektronenstrahlmikroanalyse. Dabei zeigte sich, dass Fremdelemente wie Vanadium, die in den Barren nur 0,02 Prozent oder weniger ausmachen, an bestimmten Stellen angereichert sind. Offenbar sondern sie sich auf mikroskopischer Ebene aus dem Eisen ab, während der flüssige Stahl erkaltet und fest wird.

Wie kommt es zu dieser Mikrosegregation? Stahl mit 1,5 Prozent Kohlenstoff kristallisiert aus der Schmelze in einer Form (Modifikation), die Austenit genannt wird. Beim langsamen Abkühlen und Erstarren schiebt sich dabei eine Front von kristallisiertem Austenit in die Flüssigkeit hinein; sie ist keine ebene Fläche, sondern gleicht einem Wald aus kleinen Tannenbäumen – wissenschaftlich Dendriten genannt (nach griechisch dendron, Baum). Austenit kann weniger Atome von Kohlenstoff und anderen Verunreini-gungselementen aufnehmen als flüssiges Eisen; daher reichern sich beim allmählichen Erstarren des Metalls in Form von wachsenden Dendriten die Kohlenstoff- und Fremdatome in der verbleibenden Flüssigkeit an. In den Regionen zwischen den Tannenbaum-Ästen, die als Letzte erstarren, kann ihre Konzentration daher recht hoch werden.

Während die dicht nebeneinander aufgereihten Dendriten immer weiter in die Schmelze vordringen, sammeln sich an der Grenze zwischen ihnen also die Fremdatome in einer Reihe von erstarrten Tröpfchen, ähnlich einer Perlenkette. Beim mehrfachen Erhitzen und Abkühlen des Barrens bilden diese Anreicherungen dann offenbar die Keimzellen für das schnurartige Wachstum von harten Zementitpartikeln, die für die helleren Lamellen im Stahl sorgen.

Dafür gibt es einen überzeugenden Anhaltspunkt. Der Abstand zwischen den Spitzen der Dendriten beträgt etwa einen halben Millimeter, und er verringert sich, wenn der Barren beim Schmieden gestaucht wird. Der derart verkleinerte Abstand entspricht ziemlich genau dem zwischen den Lamellen im Damaszenerstahl.

Der zweite entscheidende Faktor ist die richtige Temperatur beim Schmieden. Nur so erhält man die gewünschte Mischung von Austenit- und Zementitpartikeln. Die niedrigste Temperatur, oberhalb welcher der gesamte Stahl als Austenit vorliegt, heißt A-Temperatur. Bei Stählen mit mehr als 0,77 Prozent Kohlenstoff spricht man speziell von Acm-Temperatur. Wird sie unterschritten, erscheinen im austenitischen Stahl mit der Zeit in zufälliger Verteilung Zementitteilchen, wie ich sie in den Klingen von Moser sah.

Die Entstehung der charakteristischen Lamellen war eines der größten Geheimnisse der Damaszenerklingen: Wieso ordnen sich die Carbidteilchen in Bändern an, wenn man die Stahlbarren schmiedet? Um das Rätsel zu lösen, untersuchten wir systematisch Querschnitte der Pucks auf ihrem Weg zur fertigen Klinge. Dazu erhitzten wir sie dicht unter die Acm-Temperatur und hämmerten sie anschließend. Dabei kühlte sich der Barren um etwa 200 Grad ab, und der Anteil an Zementitteilchen stieg entsprechend. Wir wiederholten diesen Zyklus von Erhitzen und anschließendem Hämmern mit Abkühlen mehrfach. Wie wir feststellten, waren etwa fünfzig solcher Schmiedevorgänge erforderlich, um den Barren auf eine Breite von 45 und eine Dicke von fünf Millimetern zu bringen, was den Maßen einer Klinge in Originalgröße entspricht.

Die Entstehung der Lamellen stellen wir uns folgendermaßen vor. Während der ersten Zyklen – bis etwa zum zwanzigsten – bilden sich die harten Carbidteilchen mehr oder weniger zufällig. Aber mit jedem zusätzlichen Zyklus haben sie die Tendenz, sich an den Grenzen zwischen den Dendriten anzuordnen. Woran liegt das? Beim Erhitzen des Stahls lösen sich immer ein paar Carbidteilchen auf. Die Atome der Fremdelemente hemmen diesen Vorgang, sodass in ihrer Umgebung größere Zementitpartikeln zurückbleiben. Bei jedem Zyklus wachsen diese Teilchen – aber sie tun das nur langsam, weshalb zur Ausprägung der Lamellen viele Zyklen nötig sind. Weil sich die Fremdelemente in den Bereichen zwischen den Dendriten anreichern, konzentrieren sich die Carbidteilchen ebenfalls dort.

Unserer Theorie zufolge verursacht also die Absonderung der Verunreinigungselemente die Mikrosegregation der Zementitpartikeln und damit die Lamellenbildung. Um das zu beweisen, zeigten wir zunächst, dass die Lamellen verschwinden, wenn die Mikrosegration der Carbidteilchen unterbunden wird. Dazu nahmen wir kleine Stücke von alten und modernen Klingen mit guter Lamellenstruktur und erhitzten sie auf etwa 50 Grad Celsius über die Acm-Temperatur. Dabei lösten sich alle Carbidteilchen im Austenitstahl. Dann schreckten wir die Klingen in Wasser ab. Als Resultat der schnellen Abkühlung erhielten wir die so genannte Martensit-Phase von Stahl. Sie ist sehr hart und fest und enthält keine Carbidteilchen. Mit diesen waren aber auch die Lamellen verschwunden.

Um die Zementitpartikeln wiederzugewinnen, erhitzten wir die Klingen mehrfach bis 50 Grad unterhalb der Acm-Temperatur und ließen sie anschließend langsam an der Luft abkühlen. Dies gab den Zementitkristallen Zeit zu Wachstum und Segregation. Schon nach dem ersten Erwärmungs-Abkühlungs-Zyklus erschienen die Carbidteilchen wieder. Zwar waren sie zunächst noch zufällig verteilt, aber nach einem oder zwei zusätzlichen Zyklen begannen sie sich bereits wieder in Schichten anzuordnen, die nach sechs bis acht Zyklen deutlich ausgeprägt waren.

In einem anderen Versuch erhöhten wir die Temperatur weit über den Acm-Punkt bis auf 1200 Grad Celsius, also knapp unter dem Schmelzpunkt von Stahl, und behielten sie 18 Stunden lang bei. Danach schreckten wir die Probe wiederum mit Wasser ab. Diesen Stahl konnten wir anschließend so vielen thermischen Zyklen unterwerfen, wie wir wollten: Die Zementitbänder kamen nicht wieder. Wie Rechnungen bestätigten, hatten sich bei dieser Hochtemperaturbehandlung die Fremdelemente durch Diffusion gleichmäßig im Stahl verteilt, und das anschließende Abschrecken gab ihnen keine Gelegenheit, sich erneut abzusondern.

Schließlich führten Pendray und ich auch sorgfältig kontrollierte Experimente mit Barren ganz ohne Fremdelemente durch. Noch so viele Erwärmungs-Abkühlungs-Zyklen erzeugten bei diesen Proben keine Ansammlungen von Carbidteilchen oder gar Lamellen. Diese erschienen erst nach Zugabe der Fremdelemente und der üblichen Behandlung.

Höhepunkt unserer Nachschöpfung der Damaszenerklinge war die Beantwortung einer weiteren Frage: Wie entsteht das berühmte Muster von Mohammeds Leiter? Hier stützen unsere Untersuchungen eine frühere Theorie, wonach die islamischen Schmiede die Sprossen durch Einkerbungen hervorbrachten. Nachdem wir die Klinge fast bis zur endgültigen Dicke geschmiedet hatten, ritzten wir quer dazu kleine Rillen ein. Danach schmiedeten wir den Stahl weiter, um die Furchen aufzufüllen. Dabei verringert sich besonders an den Kanten der Rillen der Abstand zwischen den hellen und dunklen Linien auf der Oberfläche. Indem wir zwischen den Einkerbungen zusätzlich flache Löcher in die Klinge bohrten, konnten wir auch eine Rosette zwischen den Sprossen erzeugen, die sich auf älteren Krummsäbeln findet und als Rosenmuster bekannt ist.

Warum ging das Wissen um die Herstellung des Damaszenerstahls vor etwa zwei Jahrhunderten verloren? Vielleicht enthielten nicht alle indischen Eisenerze die zur Bildung von Carbid-Lamellen notwendigen Fremdelemente. Die vier Klingen aus der Sammlung Moser waren durchweg mit Spuren von Vanadium "verunreinigt". Möglicherweise wurde für die Stahlbarren aus Indien jedoch irgendwann ein anderes Eisenerz verwendet, sodass ihnen die nötigen Fremdelemente fehlten.

Dann konnten die orientalischen Schmiede und ihre Söhne auf einmal keine Klingen mit diesen wunderbaren Mustern mehr herstellen, und sie wussten wahrscheinlich nicht einmal warum. Dauerte dieser Zustand an, so lässt sich leicht vorstellen, dass nach einer oder zwei Generationen das Geheimnis der legendären Damaszenerschwerter verloren ging. Erst jetzt wurde dank einer Partnerschaft zwischen Wissenschaft und Handwerk die alte Kunst wieder entdeckt.

Literaturhinweise


Archaeotechnology: The Key Role of Impurities in Ancient Damascus Steel Blades. Von J. D. Verhoeven, A. H. Pendray und W. E. Dauksch in: JOM: A Publication of the Minerals, Metals and Materials Society, Bd. 50, Nr. 9, S. 58, 1998.

On Damascus Steel. Von Leo S. Figiel. Atlantis Arts Press, 1991.

Damascus Steels. Von Oleg D. Sherby und Jeffrey Wadsworth in: Scientific American, 2/85, S. 94.


Wie das Damastmuster entsteht


Wenn verflüssigter Damaszenerstahl erstarrt, schiebt sich auf der mikroskopischen Ebene eine Front von kristallisierendem Metall in die Schmelze hinein. Sie ist nicht glatt, sondern hat die Form von aneinander gereihten "Tannenbäumen", so genannten Dendriten.

Elemente wie Vanadium, die als Verunreinigungen vorhanden sind, passen schlecht in das Kristallgitter des erstarrenden Stahls und reichern sich daher in der Restschmelze zwischen den Dendriten an. Sobald sich auch diese verfestigt, sondern sich die Fremdatome in tropfenartigen "Perlen" ab, die wie auf einer Schnur aneinander gereiht sind. Wird der Stahl beim nachfolgenden Schmieden immer wieder erhitzt und langsam abgekühlt, bilden die Verunreinigungen die Keime für das Wachstum von harten Eisencarbidteilchen, welche die hell gefärbten Lamellen in der Damaszenerklinge erzeugen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2001, Seite 62
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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The Key Role of Impurities in Ancient Damascus Steel Blades -> http://www.tms.org/Verhoeven-9809.html
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