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Das Beschichten großer Flächen mit hohen Raten


Eine bewährte Oberflächentechnik ist die physikalische Dampfphasen-Abscheidung, für die sich auch im Deutschen der Begriff PVD-Technik (nach englisch physical vapor deposition) eingebürgert hat. Im Unterschied zu den in den vorigen Beiträgen beschriebenen chemischen Verfahren liegt das Beschichtungsmaterial hier nicht bereits gasförmig, sondern als Festkörper vor; es muß also zunächst durch Verdampfen oder Zerstäuben mobilisiert werden, damit es sich dann auf dem Substrat niederschlagen kann.

Bei vielen speziellen Anwendungen in Optik und Elektronik erweisen sich die großen Potenzen der PVD-Technik leicht. Sind jedoch große Flächen in Mengen zu beschichten, steht sie in Konkurrenz zu anderen Verfahren; sie wird immer nur dann bevorzugt werden, wenn hervorragende Gebrauchseigenschaften der Produkte besonders wirtschaftlich zu erzielen sind. Generell gilt: Je höher die Beschichtungsrate, desto geringer die Kosten. Das bestimmt die Richtung der gegenwärtigen Entwicklung.


Etablierte Verfahren

Zu den gängigen Prozessen (Bild 1) gehört das Bedampfen von Kunststoff-Folien für Verpackungen von Lebensmitteln mit Barriereschichten, meist aus Aluminium. Diese sollen Gase und Dämpfe wie Sauerstoff, Wasserdampf und Aromen weder ein- noch ausdringen lassen (Spektrum der Wissenschaft, Februar 1995, Seite 84).

Insgesamt werden in der Welt etwa 1000 Aluminium-Rollcoater betrieben, die je Anlage zehn Millionen Quadratmeter Folie pro Jahr beschichten. Zum Verdampfen nutzt man Boote genannte schiffchenförmige Tiegel. Dieses Verfahren ist einfach und zuverlässig.

Eine weitere PVD-Anwendung von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sind beschichtete Glasfassaden. Die aufgebrachten Materialsysteme tragen außer zur ästhetischen Wirkung wesentlich dazu bei, Heizenergie zu sparen.

Weltweit produzieren etwa 200 Glascoater jeweils eine bis mehrere Millionen Quadratmeter Glastafeln pro Jahr. Dieser Markt expandiert sehr stark. Freilich sind die Qualitätsanforderungen hoch, denn das Auge ist empfindlich: Die optischen Eigenschaften müssen auf wenige Prozent konstant sein.

Verschiedene Varianten des sogenannten Magnetronsputterns haben sich in diesem Bereich weltweit durchgesetzt. Bei der Beschichtung durch Zerstäuben – Sputtern – wird festes Schichtmaterial durch Beschuß mit Ionen abgetragen und unter Einwirkung eines Plasmas auf das Substrat übertragen. Weil die Zerstäubungs- und damit auch die Beschichtungsrate mit der Plasmadichte steigt, erzeugt man mit dem sogenannten Magnetron eine Gasentladung in einem ringförmigen Magnetfeld. Als Trägergas dient häufig Argon; bei reaktiver Prozeßführung wird beispielsweise Sauerstoff oder Stickstoff als Partner für chemische Reaktionen beigemischt.

Die aus der Kathode austretenden Elektronen werden im wesentlichen quer zu den elektrischen Feldlinien auf Kreisbahnen gezwungen. Auf ihrem Weg stoßen sie mit dem Gas zusammen und regen es an beziehungsweise ionisieren es dabei. So entsteht in Kathodennähe ein besonders dichtes Plasma. Die entstandenen positiv geladenen Teilchen sind so massereich, daß sie dem Einfluß des Magnetfeldes kaum unterliegen, und werden zur Kathode hin beschleunigt (die Spannung von einigen hundert Volt fällt auf weniger als einen Millimeter ab, die elektrische Feldstärke ist entsprechend hoch).

Aus der Kathode, die als Reservoir für das Beschichtungsmaterial dient, werden durch den Ionenbeschuß Atome und Molekülfragmente herausgeschlagen (Bild 2 links). Dabei erhalten sie eine kinetische Energie bis zu 100 Elektronenvolt. Diese Teilchen durchfliegen die Vakuumkammer und schlagen sich auf dem gegenüberliegenden Substrat nieder.

Ein besonderer Vorteil ist die hohe Beschichtungsrate, also die Produktivität des Verfahrens. Etwa ein Fünftel der Schichtmaterial-Teilchen wird bei der Passage durch das Plasma ebenfalls von den Elektronen ionisiert beziehungsweise angeregt. Diese zusätzliche Energie übertragen sie auf das Substrat. Das erhöht die Beweglichkeit der Atome in der aufwachsenden Schicht, so daß Lücken gefüllt werden, bevor sich nachfolgende Partikel abscheiden; dichtere Schichten sind das Ergebnis.


Vielversprechende Prozesse in der Entwicklung

Alle PVD-Anwendungen mit hohem Durchsatz sind im Vergleich zum Glascoaten und zum Aluminium-Rollcoaten noch sehr eingeschränkt. Ursachen sind vor allem die vorerst hohen Beschichtungskosten und der gegenwärtig noch unzulängliche Stand der Prozesse. Das stellt die Entwickler vor neue Anforderungen.

Beim Magnetronsputtern beispielsweise arbeitet man konventionell im Gleichstrombetrieb und mit nur einem Magnetron, hält also während des Betriebs die Spannung an den Elektroden nach Betrag und Richtung konstant. Die abgestäubten Teilchen schlagen sich aber an allen Oberflächen, also auch als sogenannte wilde Schichten nieder. Isolierende Verbindungen bedecken beispielsweise nach einiger Zeit die Anode und machen sie funktionsunfähig. Damit ist die Dauer des ununterbrochenen Beschichtens begrenzt und die Reinigung spannungsführender Teile in kurzen Abständen unumgänglich.

Der Schlüssel für die Lösung ist eine Pulstechnik, auf die unser Institut erhebliche Forschungskapazität konzentriert hat: Seite an Seite werden zwei Magnetrons abwechselnd als Anode und Kathode geschaltet. Übliche Pulsfrequenzen liegen bei 30 bis 100 Kilohertz. Ansätze wilder Schichten werden damit sogleich wieder abgestäubt und die Anoden quasi blankgeputzt.

Mit Puls-Magnetron-Sputtern (PMS) ausgerüstete Glascoater erreichten bereits eine ununterbrochene Betriebszeit von ein bis zwei Wochen statt konventionell nur rund vier Stunden. Isolierende Schichten aus Silicium-, Aluminium- oder Titanoxid können damit erstmals im industriellen Maßstab hergestellt werden. Wir erwarten aufgrund des Interesses von Unternehmen bereits in dieser Phase der Prozeßentwicklung, daß wohl bei mehr als einem Viertel aller Magnetronsputter-Anlagen bald die PMS-Technik eingesetzt werden dürfte.

Nochmals um Größenordnungen höhere Beschichtungsraten lassen sich mit der Bedampfungstechnik erreichen, bei der etwa ein Elektronenstrahl das Material erhitzt. Einstweilen schwankt die Schichtdicke bei großen Flächen um etwa fünf Prozent – zu stark, insbesondere wenn es auf optische Eigenschaften ankommt. Für Korrosions- und Abrasionsschutz mit Schichtdicken von Mikrometern (tausendstel Millimetern) für extrem billig zu produzierende Verpackungsmittel hat die Hochrate-Verdampfung aber einen wachsenden Markt.

Hohe Bedampfungsraten minderten zudem bislang meist die Gebrauchseigenschaften des Produkts, weil die Schichten häufig porös und locker sind und eine unerwünschte Stengelstruktur aufweisen. Plasmaaktivierung vermag das Ergebnis wesentlich zu verbessern. Wohl ist diese Möglichkeit seit Jahrzehnten bekannt und wird auch vielfältig industriell genutzt, jedoch nicht bei großen Flächen und hohen Raten. Es liegt nahe, die Magnetronentladung dafür zu nutzen; man spricht von magnetron activated deposition (MAD). Nach ersten Erfahrungen mit Aluminiumschichten, sollen damit nun in reaktiver Prozeßführung auf Kunststoff-Folien Barriereschichten aus Aluminiumoxid hergestellt werden; dabei verdampft man Aluminium und führt Sauerstoff zu, so daß sich das Oxid abscheidet.

Noch höhere Plasmadichten als mit dem Magnetron lassen sich mittels sogenannter Hohlkathoden erreichen (hollow cathode activated deposition, HAD). Eine weitere Steigerung ermöglicht schließlich die Kombination der Hochrate-Elektronenstrahlverdampfung mit der Bogenentladung (spotless activated deposition, SAD). Dieser Prozeß eignet sich zum großflächigen Beschichten von Metallbändern.

Die Ergebnisse unserer Forschung sind mithin vielversprechend. Das plasmaaktivierte Hochrate-Bedampfen großer Flächen wird in wenigen Jahren industriell anwendbar sein.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1996, Seite 94
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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