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'Das keltische Jahrtausend' - Ausstellung in Rosenheim

Erstmals dokumentiert die bayerische Prähistorische Staatssammlung öffentlich die Ergebnisse der Ausgrabungen im Oppidum von Manching bei Ingolstadt zusammen mit anderen Zeugnissen der keltischen Kultur.

Die Kelten, von den Griechen auch Galater, von den Römern Gallier genannt, sind neben den Germanen das zweite große Urvolk im prähistorischen Europa nördlich der Alpen, das nicht nur Altertumswissenschaftler immer wieder fasziniert. Geschichtlich sind sie erst seit einem Zusammenstoß mit der Welt der klassischen Antike in Oberitalien bezeugt – am 18. Juli 387 vor Christus schlugen sie an der Allia, einem Nebenfluß des Tibers, ein römisches Heer vernichtend; anschließend gelang es ihnen sogar, Rom (mit Ausnahme des Kapitols) einzunehmen und sieben Monate lang zu besetzen. Aber den archäologischen Befunden zufolge scheint sicher, daß die Kelten bereits im frühen ersten vorchristlichen Jahrtausend in vielen ihrer späteren Siedlungsgebiete andere alteuropäische Kulturen verdrängt oder assimiliert haben.

Ihre kulturellen Wurzeln reichen bis zu den spätbronzezeitlichen Urnenfelderkulturen zurück (um 1200 bis 750 vor Christus), denen offenbar neue religiöse Vorstellungen gemeinsam waren; dazu gehörte auch die Sitte, die Toten zu verbrennen und in großen Friedhöfen zu bestatten. In der folgenden Hallstatt-Zeit (bis 480 vor Christus) war die Ausbildung einer Führungsschicht bedeutsam: Kleine, burgähnliche Siedlungen kontrollierten die jeweils umliegende Region und den Fernhandel.

Die anschließende La-Tène-Zeit (benannt nach einem Fundort bei Marin in der westlichen Schweiz) ist zunächst durch keltische Wanderungen bestimmt, die in ihrem Ausmaß der germanischen Völkerwanderung des frühen Mittelalters vergleichbar, aber nicht in großen Strömen gerichtet waren; aus dem archäologischen Material ist vielmehr auf ein wirres Hin und Her zu schließen. Kulturell kennzeichnend ist das Aufkommen eines charakteristischen Kunststils mit vegetabiler Ornamentik, geometrischen Mustern und Vexierbildern (Bild 2). Die Entwicklung gipfelte in der Oppida-Zivilisation, der Anlage großer Städte im 2. und 1. Jahrhundert vor Christus.

In der Rosenheimer Ausstellung vermitteln die Rekonstruktion eines Teils des Oppidums bei Manching (Bild 1) und der Nachbau des östlichen Stadttores einen lebensnahen Eindruck solch eines frühen mitteleuropäischen urbanen Gemeinwesens. Hinzu kommen zahlreiche Einzelfunde und Fundkomplexe aus ganz Europa, von denen manche ebenfalls erstmals allgemein zugänglich sind, so zwei Kalksteinplastiken aus der Nähe des Fürstengrabes von Vix bei Châtillion-sur-Seine.

Die Gründungen griechischer und etruskischer Kolonien im Kontaktgebiet zum keltischen Siedlungsraum, zum Beispiel Massalia (das heutige Marseille), beschleunigten den wirtschaftlichen Aufschwung. Schon für das 6. bis 4. Jahrhundert vor Christus sind massenhafte Importe von Luxusgütern aus dem Mittelmeergebiet nachgewiesen, darunter Bronzegefäße, Wein in Amphoren, Möbel, Schmuck und als Seltenheiten kleine Glasfläschchen, in denen sich Parfüm oder Salböl befand.

Spätestens gegen Ende des 3. Jahrhunderts vor Christus hatte die keltische Zivilisation Einheitlichkeit all ihrer bestimmenden Faktoren erreicht: Die Stämme waren territorial konsolidiert, ihre Oppida zentrale Marktorte mit uniformer Sachkultur, die Handels- und Verkehrssysteme sowohl kleinräumig im bäuerlichen Umland als auch überregional fixiert. Den Gütertausch löste nun die Geldwirtschaft ab (Bild 3).

Anlage und Versorgung der Städte sowie die Entwicklung des Handwerks bedingten allerdings weit stärkere Eingriffe in die Umwelt als zuvor. Da Holz der wichtigste Baustoff und Energieträger war, trugen Großsiedlungen wie das Oppidum bei Manching zur Entwaldung großer Landstriche bei. Auch dies sind Themen der Rosenheimer Ausstellung.

Die Darstellungen von Kultplätzen und Heiligtümern geben zudem einen Überblick über Riten und Glaubensvorstellungen der Kelten: Zusammen mit der Stammesführung bestimmte die Priesterkaste der Druiden die soziale Organisation.

Im 1. Jahrhundert vor Christus standen die Kelten praktisch an der Schwelle zur Hochkultur – lediglich der allgemeine Gebrauch der Schrift als Grundlage einer komplexen Verwaltung fehlte. So hatten die Römer nur wenig Schwierigkeiten, die Gallier nach den caesarischen Kriegen ihrem Verwaltungssystem einzugliedern.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1993, Seite 113
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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