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Das Klima der Zukunft

Meteorologische Meßreihen und Computermodelle erlauben Ausblicke auf die veränderten regionalen Witterungsbedingungen in einer wärmeren Welt.


In den vergangenen 20 Jahren ist der Menschheit bewußt geworden, daß sie durch ihr Wachstum und durch den technologischen Fortschritt wahrscheinlich begonnen hat, einen Klimawandel auf unserem Planeten herbeizuführen. Akribische Vergleiche von Wetterdaten ergaben, daß die mittlere Temperatur an der Erdoberfläche seit dem letzten Jahrhundert um ungefähr ein halbes Grad angestiegen ist (Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1990, Seite 108). Diese Erwärmung führen Klimatologen zumindest teilweise auf menschliche Aktivitäten zurück – insbesondere auf die Verfeuerung fossiler Brennstoffe zur Elektrizitätsgewinnung und zum Antrieb von Kraftfahrzeugen. Da Bevölkerung, nationale Volkswirtschaften und Industrialisierung allesamt weiter wachsen werden, dürfte die globale Mitteltemperatur bis zum Jahr 2100 um zusätzliche 1,0 bis 3,5 Celsiusgrade ansteigen.

Wie diese Erwärmung die Umweltbedingungen – und damit das Leben – auf unserem Planeten beeinflussen wird, gehört zu den drängendsten Fragen der Gegenwart. Leider ist sie auch eine der schwierigsten. Die Auswirkungen des allgemeinen Temperaturanstiegs werden sehr vielschichtig und keineswegs einheitlich sein. Von besonderem Interesse für die Menschen sind die Folgen für das Klima in einzelnen Regionen, die lokalen Wetterbedingungen und insbesonde-re die Häufigkeit von Extremereignissen wie Temperaturrekorden, Hitzewellen, Starkniederschlägen oder Dürren, die Landwirtschaft und Ökosysteme schwer schädigen und ganze Gesellschaften erschüttern könnten.

Studien über die Witterungsänderungen seit Beginn der globalen Erwärmung im letzten Jahrhundert und anspruchsvolle Klimasimulationen im Computer führen zum gleichen Ergebnis: daß sich der Temperaturanstieg stark auf das lokale Wetter auswirken wird. Beispielsweise werden vermutlich längere und ausgeprägtere Hitzewellen auftreten. Gesundheitliche Probleme und erhöhte Sterberaten unter Alten und Kranken wären die Folge. Hinzu kämen wirtschaftliche Schäden etwa durch die Aufwölbung von Straßenbelägen oder durch den großen Stromverbrauch für die Klimati-sierung, der die Stromnetze überlasten könnte – bis hin zum Zusammenbruch der Elektrizitätsversorgung.

Auch die Niederschlagsverteilung würde beeinflußt. In einigen Gebieten gäbe es mehr, in anderen weniger Regen und Schnee. Dadurch könnten sich Wüsten und Überschwemmungsgebiete verlagern sowie vermehrt Dürren und Flutkatastrophen auftreten. Dies würde nicht nur die Erosion beschleunigen, sondern auch bestehende Umweltprobleme verschärfen – etwa was die Wasserqualität, Abwasserreinigung und Überlastung der Kanalisation bei Gewitterregen betrifft. All dies unterstreicht, wie wichtig es ist, die Folgen menschlicher Einwirkungen auf das Weltklima abzuschätzen.



Zwei Verfahrensweisen


Im wesentlichen gibt es zwei sich ergänzende Methoden zur Untersuchung von Klimaänderungen. Zum einen liegen seit rund einem Jahrhundert, also seit Beginn der globalen Erwärmung um durchschnittlich ein halbes Celsiusgrad, ausführliche meteorologische Aufzeichnungen vor. Die Analyse dieser Meßdaten ergibt allmählich ein recht genaues Bild davon, wo und wann in der Vergangenheit extreme Witterungs- oder Klimabedingungen aufgetreten sind. Dabei interessiert vor allem der Zusammenhang zwischen den Extremwerten und der Mitteltemperatur.

Die zweite Methode ist die numerische Simulation der globalen Klimaverhältnisse. Dabei ahmt man mit komplizierten Programmen auf Hochleistungsrechnern die entscheidenden Vorgänge in Atmosphäre und Ozeanen nach und gewinnt so Einblick in die Zusammenhänge zwischen menschlichen Aktivitäten und Klimaentwicklung.

Beispielsweise erhöht die Nutzung fossiler Brennstoffe die Konzentration bestimmter sogenannter Treibhausgase in der Lufthülle, was als bedeutendste anthropogene Ursache der globalen Erwärmung gilt. Diese Gase, zu denen Kohlendioxid, Methan, Ozon, halogenierte Kohlenwasserstoffe und Stickoxide gehören, lassen ähnlich wie die Glaswände eines Treibhauses das Sonnenlicht durch, halten aber die bei dessen Absorption am Erdboden entstehende Wärmestrahlung zurück. Daher ist ihre Anreicherung in der Atmosphäre gleichbedeutend mit steigenden Temperaturen (Bild 3 oben).

Von allen Treibhausgasen, die durch menschliche Aktivitäten verstärkt freigesetzt werden, hat das Kohlendioxid den weitaus größten Einfluß auf die globale Strahlungsbilanz (die Differenz zwischen der von der Erdoberfläche absorbierten und in den Weltraum zurückgestrahlten Wärmemenge). Das hängt unter anderem an seiner langen Verweildauer in der Atmosphäre. Im Durchschnitt bleibt ein Kohlendioxid-Molekül mehrere Jahrhunderte in der Lufthülle, bevor es sich im Meer löst oder von einer Pflanze aufgenommen wird. Außer der Nutzung fossiler Treibstoffe trägt auch das Abholzen der tropischen Regenwälder zur Kohlendioxid-Emission bei, weil der in den Bäumen gebundene Kohlenstoff beim Verrotten oder Verbrennen in Kohlendioxid umgewandelt wird. Eine natürliche Quelle des Gases sind alle tierischen Lebewesen, die es mit der verbrauchten Atemluft abgeben.

Den zweitwichtigsten Einfluß auf die irdische Strahlungsbilanz übt die Menschheit wahrscheinlich durch Aerosole aus. Darunter versteht man winzige feste Partikel, die fein zerstäubt in der Atmosphäre schweben und manchmal mit einem Flüssigkeitsfilm überzogen sind. Sie entstehen gleichfalls bei Verbrennungsprozessen, können aber auch aus natürlichen Quellen stammen, vor allem aus Vulkanen. Indem sie Sonnenlicht absorbieren oder reflektieren, wirken sie einer Erwärmung der Erdoberfläche entgegen. Im Gegensatz zu Kohlendioxid bleiben sie aber nur sehr kurz in der Atmosphäre – im Durchschnitt weniger als eine Woche. Deshalb konzentrieren sie sich in der Nähe ihrer Quellen und üben dort den stärksten Einfluß aus. Generell lassen sich die Strahlungseffekte der Aerosole zur Zeit noch nicht so genau abschätzen wie die der Treibhausgase.

Globale Klimamodelle, die Atmosphäre und Ozean berücksichtigen, können einige grundsätzliche Anhaltspunkte geben, wie die Anreicherung der Treibhausgase in der Luft das Wettergeschehen sowie das Auftreten extremer Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse beeinflussen sollte. Weil aber die Leistungsfähigkeit selbst der schnellsten Supercomputer begrenzt ist und wir noch zu wenig über das Zusammenspiel der verschiedenen atmosphärischen, klimatischen, terrestrischen und ozeanischen Vorgänge wissen, lassen sich wichtige Details auf den Skalen, in denen sie auftreten, nicht exakt modellieren. Beispielsweise haben Wolken große Bedeutung für die Strahlungsbilanz, aber die physikalischen Prozesse, die zu ihrer Bildung führen und ihre Eigenschaften bestimmen, spielen sich in Größenbereichen ab, die zu klein sind, um direkt in globale Simulationen einbezogen zu werden.



Häufigere Hitzewellen


Mit am besten untersucht sind bis-her Temperaturextreme, da sie sich auf die Gesundheit, die Sterblichkeit, den Strombedarf für die Klimatisierung und andere Dinge auswirken, die den Menschen unmittelbar betreffen. Rein statistisch betrachtet, sollte selbst eine kleine Zunahme der Mitteltemperatur die Zahl der heißen Tage sprunghaft ansteigen lassen (Bild 2 oben).

Vor allem das Studium der jahrzehntelangen Aufzeichnungen von Wetterdaten verhalf zu wertvollen Erkenntnissen über das Auftreten von Extremtemperaturen. Numerisch lassen sich solche Ereignisse nur schlecht simulieren, weil sie besonders empfindlich von ungewöhnlichen Luftströmungen abhängen und dadurch unter Umständen einem Trend folgen, der dem der Mitteltemperatur zuwiderläuft. Beispielsweise ist in der früheren Sowjetunion das jährliche Temperaturminimum um 1,5 Celsiusgrade angestiegen, das Maximum dagegen unverändert geblieben.

Am Klimadatenzentrum der amerikanischen National Oceanic and Atmos-pheric Administration (NOAA) wurde deshalb ein rein statistisches Modell entwickelt, das Wahrscheinlichkeitsaussagen zu den täglichen Höchst- und Tiefsttemperaturen liefert. Es benutzt dazu drei Parameter, die sich aus meteorologischen Meßdaten oder Computersimulationen entnehmen lassen: den Mittelwert der Temperatur, ihre tägliche Schwankungbreite (Varianz) und ihre Korrelation zwischen aufeinanderfolgenden Tagen, was ein Maß für die Beharrungstendenz einer Wetterlage ist. Anhand dieser drei Größen berechnet das Modell die Dauer und das Ausmaß von Temperaturextremen.

Die Vorhersagen sind teils überraschend, beispielsweise die für Chicago. Dabei wurde angenommen, daß die Mitteltemperatur im Januar um vier Celsiusgrade steigt (was bis Ende des nächsten Jahrhunderts durchaus der Fall sein könnte), die beiden anderen Parameter dagegen unverändert bleiben. Daraus ergibt sich eine beträchtliche Variabilität in den wöchentlichen Temperaturen. So würden weiterhin Tage mit einer Minimaltemperatur unter -18 Grad Celsius auftreten, und solche Kälteperioden könnten sehr wohl auch längere Zeit andauern. Andererseits aber sollte es im Frühjahr und Herbst deutlich seltener Nachtfröste geben. Und für den Sommer werden erwartungsgemäß häufigere Hitzewellen mit teils mörderischen Temperaturen vorhergesagt. Wenn die mittlere Julitemperatur nur um drei Celsiusgrade zunimmt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die gefühlte Temperatur (in die auch die Luftfeuchtigkeit und Windstärke eingeht) zumindest einmal in diesem Monat 49 Grad Celsius übersteigt, von 5 auf 25 Prozent.

Die Zunahme der jährlichen Tiefsttemperaturen ist vor allem für die Landwirtschaft von Bedeutung. Nach meteorologischen Daten aus der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts sind die Temperaturminima auf den Kontinenten doppelt so schnell geklettert wie die Maxima. Dadurch hat sich die frostfreie Periode in vielen Teilen der USA verlängert, so daß sie beispielsweise im Nordosten jetzt elf Tage früher als in den fünfziger Jahren beginnt; ein ähnlicher Trend zeigt sich in der australischen Provinz Queensland (Bild 3 unten). Dies kann in Gegenden, in denen die Temperatur ohnehin nur selten unter den Gefrierpunkt absinkt, für viele landwirtschaftliche Produkte günstiger sein, aber es fördert auch die Vermehrung von Unkräutern und Schädlingen.

Warum die Tiefst- und Höchsttemperaturen unterschiedlich schnell ansteigen, ist immer noch nicht ganz klar. Möglicherweise liegt es daran, daß in vielen Gebieten Bewölkung und Feuchtigkeit zugenommen haben. Wolken sorgen für kühlere Tage, indem sie das Sonnenlicht reflektieren, und für wärmere Nächte, weil sie die Abstrahlung von Wärme in den Weltraum hemmen. Und wenn der Boden durch zusätzliche Niederschläge und einen überwiegend bedeckten Himmel besonders feucht ist, kann es sich auch bei schönem Wetter tagsüber nicht so aufheizen, weil ein Teil der Sonnenenergie für das Verdunsten der Feuchtigkeit aufgebraucht wird.

Wie stark die Temperaturen von Tag zu Tag variieren werden, läßt sich noch schlechter vorhersagen als die Häufigkeit von Extremereignissen. Nach meteorologischen Daten hat diese Variabilität in den mittleren Breiten der Nordhalbkugel im Zuge der Klimaerwärmung weithin abgenommen. Dies steht in Einklang mit den Ergebnissen einiger Computersimulationen. Die Schwankungsbreite hängt von der Jahreszeit und der geographischen Lage ab; außerdem wird sie von der Oberflächenbeschaffenheit beeinflußt, also zum Beispiel davon, ob eine Schneedecke vorhanden oder der Boden sehr feucht ist.

Für die mittleren Breiten ergaben die Wetteranalysen auch einen Zusammenhang zwischen der Variabilität der Temperatur von einem Tag zum anderen und der Häufigkeit und Stärke von Stürmen sowie ihren Zugbahnen. Auf diesem Teil des Globus wandern Tiefdruckgebiete in rascher Folge ostwärts, und das lokale Wetter wird primär dadurch bestimmt, welchen Weg diese Wirbel nehmen und wie ausgeprägt sie sind.

Die Beziehungen zwischen der Sturmhäufigkeit und der globalen Mitteltemperatur sind komplex. Auf einer wärmeren Erde wäre das Temperaturgefälle zwischen tropischen und polaren Regionen wahrscheinlich geringer, weil die Computermodelle für die hohen Breiten eine stärkere Erwärmung vorhersagen. Da Stürme ihre Gewalt aus Temperaturgegensätzen beziehen, sollten sie sich abschwächen. Andererseits würde sich der Temperaturunterschied in der höheren Atmosphäre verstärken und den gegenteiligen Effekt haben. Welcher Einfluß dominiert, läßt sich schwer abschätzen. Auch anthropogene Aerosole können die Sturmhäufigkeit beeinflussen; denn sie kühlen die Erdoberfläche regional ab und verändern dabei die horizontalen Temperaturunterschiede, welche die Zugbahn der Stürme bestimmen.



Mehr Niederschlag


Die diffizile Beziehung zwischen Tiefdruckwirbeln und der Temperaturverteilung ist einer der Gründe, warum sich Klimaänderungen nur schwer simulieren lassen. Die Hauptfaktoren des Klimas – Temperatur, Niederschlag und Luftströmungen – sind so eng miteinander verwoben, daß es unmöglich ist, sie einzeln zu betrachten. So transportiert der bekannte Kreislauf von Verdunstung und Niederschlag nicht nur Wasser, sondern auch Energie. Beim Verdunsten von Feuchtigkeit am Erdboden wird Wärme verbraucht und in der oberen Atmosphäre, wo der Wasserdampf zu Wolken kondensiert, wieder freigesetzt. Die Wolken strahlen diese Wärme dann teilweise in den Weltraum ab.

Unabhängig vom Gehalt der Atmosphäre an Treibhausgasen empfängt die Erde stets die gleiche Menge an Sonnenenergie und gibt sie wieder ins All ab. Enthält die Luft mehr Treibhausgase, ist die Erdoberfläche jedoch besser isoliert, so daß sie weniger Wärme direkt in den Weltraum abstrahlt. Dadurch heizt sie sich auf, und die Verdunstung nimmt zu. So gelangt die Wärme, wie gerade geschildert, in die oberen Atmosphärenschichten und wird von dort verstärkt ins All abgestrahlt. Zugleich fällt wegen der höheren Verdunstung im globalen Mittel mehr Niederschlag.

Die Niederschlagsmengen nehmen jedoch nicht überall und gleichmäßig über das ganze Jahr hinweg zu. Entscheidend sind vielmehr die örtlichen Bedingungen und das Muster der atmosphärischen Zirkulation, von der die Feuchtigkeit transportiert wird. Beispielsweise sagen die meisten Modelle bei einem verstärkten Treibhauseffekt geringere Niederschläge für Südeuropa im Sommer voraus. In dieser Region stammt ein beträchtlicher Teil des Regens aus der lokalen Verdunstung; Wasserdampf, der nicht an Ort und Stelle wieder ausregnet, wird in andere Gebiete abtransportiert. Bei einem wärmeren Klima würde der Boden schon im Frühjahr austrocknen, so daß im Sommer weniger Feuchtigkeit für Verdunstung und Niederschläge üb-rig wäre.

Generell prognostizieren die meisten Modelle ausgedehntere Niederschläge im Winter in den hohen Breiten; denn durch die stärkere Verdunstung in äquatornäheren Regionen sollte mehr Feuchtigkeit polwärts transportiert werden. Tatsächlich haben seit der Jahrhundertwende parallel zum globalen Temperaturanstieg die Niederschläge in den gemäßigten Regionen der Nordhalbkugel zugenommen, und zwar überwiegend in der kalten Jahreszeit. Dagegen regnet es über tropischen und subtropischen Landmassen seit einigen Jahrzehnten immer weniger; dies zeigt sich besonders deutlich im Sahel und ostwärts bis Indone-sien (Bild 4).

Im hohen Norden Amerikas (jenseits des 55. Breitengrades) und in den eurasischen Subpolarregionen, wo die Temperaturen während der meisten Zeit des Jahres deutlich unter dem Gefrierpunkt liegen, haben die Schneefälle in den letzten Jahrzehnten zugenommen, und dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Im südlichen Kanada und in den nördlichen USA ist das Verhältnis von Schnee zu Regen zurückgegangen. Weil die Niederschläge insgesamt jedoch zugenommen haben, hat sich an der Gesamtschneemenge wenig geändert.

In Übergangsregionen wie den mittleren USA und Mitteleuropa, die nicht während der gesamten kalten Jahreszeit unter einer geschlossenen Schneedecke liegen, wird es als Folge der globalen Erwärmung immer weniger schneien – und in einigen Gebieten schließlich überhaupt nicht mehr. Interessanterweise ist die schneebedeckte Fläche in Frühjahr und Sommer nach 1986 geradezu sprunghaft um fast zehn Prozent geschrumpft. Dies hat wesentlich zu einem früheren Beginn der Vegetationsperiode in den mittleren und hohen Breiten beigetragen.

Außer der Gesamtniederschlagsmenge ist das Auftreten von sintflutartigen Regenfällen von besonderem Interesse, da sie Überschwemmungen und Erdrutsche auslösen und dabei nicht nur große Schäden verursachen, sondern auch Menschen in Gefahr bringen können. Wird es öfter "Wolkenbrüche" geben?

Ob Niederschläge auftreten, hängt im wesentlichen von der relativen Luftfeuchte ab: dem Verhältnis der aktuel-len Wasserdampfkonzentration zu ihrem Sättigungswert unter den jeweiligen Temperatur- und Druckbedingungen in der Atmosphäre. Wenn die relative Luftfeuchte 100 Prozent erreicht, kondensiert das Wasser zu Wolken und ermöglicht Niederschläge. Nach dem Ergebnis von Computersimulationen sollte sich die Verteilung der relativen Luftfeuchte bei einer globalen Erwärmung kaum ändern.

Allerdings nimmt der absolute Wasserdampfgehalt der Atmosphäre sehr wohl zu, weil die Aufnahmefähigkeit der Luft für Feuchtigkeit sehr schnell mit der Temperatur ansteigt: Der Sättigungswert erhöht sich um etwa sechs Prozent pro Grad Celsius. Dadurch wird sich in einem wärmeren Klima die Niederschlagshäufigkeit (die davon abhängt, wie oft die relative Luftfeuchte 100 Prozent erreicht) weniger ändern als die Niederschlagsmenge (die dadurch bestimmt wird, wieviel Wasserdampf in der Luft enthalten ist). Die Niederschläge werden also im Mittel ergiebiger.

Dafür gibt es schon jetzt etliche Anzeichen. So fallen in den USA heute zehn Prozent der jährlichen Niederschläge bei sehr heftigen Schauern mit Regenmengen von mindestens 50 Millimetern am Tag. Dieser Anteil lag zu Beginn dieses Jahrhunderts noch bei weniger als acht Prozent.

Paradoxerweise steht dennoch zu erwarten, daß der Boden in Nordamerika, Südeuropa und verschiedenen anderen Regionen in den nächsten Jahrzehnten trockener wird – mit weitreichenden Folgen unter anderem für die Ernteerträge, die Grundwasservorräte, die Ökosysteme von Flüssen und Seen sowie eventuell für die Fundamente von Bauwerken. Der Grund ist, daß in den Schönwetterphasen bei höheren Temperaturen mehr Feuchtigkeit verdunstet und die heftigen Niederschläge von den ausgetrockneten und verhärteten Böden ablaufen. Mehrere Klimamodelle sagen deshalb größere Dürren voraus.

Dies wird durch die bisherigen Erfahrungen allerdings nicht bestätigt. Untersuchungen der Häufigkeit und Intensität von Dürren in diesem Jahrhundert legen vielmehr nahe, daß zumindest in den frühen Phasen einer globalen Erwärmung andere Faktoren gegenüber dem Austrocknungseffekt des wärmeren Wetters dominieren. Beispielsweise hat die Zunahme der Wolkenbedeckung in den letzten Jahrzehnten in den USA und in der ehemaligen Sowjetunion bewirkt, daß weniger Wasser verdunstet. Im westlichen Rußland sind die Böden sogar feuchter geworden.



Wird es stürmischer?


Obwohl Dürren und Hitzewellen langfristig beträchtliche Kosten verursachen, sind die Folgen weniger offensichtlich als bei einem anderen extremen Wetterphänomen: den tropischen Wirbelstürmen. Auf dem Atlantik als Hurrikane und im westlichen Nordpazifik als Taifune bezeichnet, können sie in den Küstenregionen des angrenzenden Festlandes und auf Inseln große Verwüstungen anrichten. Im August 1992 forderte der Hurrikan "Andrew" zum Beispiel 54 Todesopfer, machte 250000 Menschen obdachlos und verursachte in der Karibik und an der Südostküste der USA Sachschäden in Höhe von 30 Milliarden Dollar (Bild 5). Allerdings haben tropische Zyklonen nicht überall nur negative Folgen. In einigen ariden Gebieten tragen sie entscheidend zur Wasserversorgung bei. So sind sie im nordwestlichen Australien für 20 bis 50 Prozent der jährlichen Niederschläge verantwortlich.

Frühere Betrachtungen über die möglichen Auswirkungen eines verstärkten Treibhauseffekts führten oft zu dem Schluß, daß die tropischen Wirbelstürme in Häufigkeit und Stärke zunehmen sollten. Da Zyklonen eine warme Oberfläche mit unbeschränktem Feuchtenachschub benötigen, bilden sie sich nur über Ozeanen mit einer Wassertemperatur von mindestens 26 Grad Celsius. Weil durch die globale Erwärmung auch die Oberflächentemperatur der Meere ansteigt, sollten folglich mehr tropische Wirbelstürme entstehen.

Aber neuere Untersuchungen mit Klimamodellen und Analysen historischer Meßdaten zeigen, daß diese Überlegung zu kurz greift. Die Entwicklung von Zyklonen hängt nämlich auch von der vertikalen Temperaturverteilung, Instabilitäten in den Luftströmungen, Variationen der Windgeschwindigkeit mit der Höhe und weiteren Faktoren ab. In der Tat sind die Verhältnisse so kompliziert, daß Klimasimulationen nur bedingt Aussagen über die künftige Häufigkeit und Stärke von Zyklonen erlauben. Ein Problem besteht darin, daß die numerischen Modelle noch nicht die erforderliche räumliche Auflösung haben, um den sehr aktiven Kernbereich eines Wirbelsturms genau genug nachzubilden.

Auch die historischen Daten helfen kaum weiter. So erwies es sich als unmöglich, für den gesamten Globus zu einer verläßlichen Aussage über Trends im Auftreten tropischer Zyklonen im 20. Jahrhundert zu gelangen. Dies lag unter anderem an Umstellungen in den Beobachtungssystemen (etwa der Einführung von Wettersatelliten Ende der sechziger Jahre) und Änderungen in der Besiedlung einzelner tropischer Gebiete.

Allerdings haben Wettererkundungsflugzeuge seit den vierziger Jahren zuverlässige Informationen über die Hurrikane auf dem Nordatlantik geliefert. Deren Analyse durch Christopher W. Landsea vom Laboratorium für Atlantische Ozeanographie und Meteorologie der NOAA ergab, daß die Stärke und Anzahl tropischer Wirbelstürme in dieser Region abgenommen hat. Die Jahre von 1991 bis 1994 waren sogar extrem ruhig; und auch die ungewöhnlich aktive Saison 1995 reichte nicht aus, den Abwärtstrend umzukehren. Dagegen scheint die Anzahl der Taifune im nordwestlichen Pazifik zugenommen zu haben.

Insgesamt dürften weltweit nicht deutlich mehr tropische Wirbelstürme auftreten. In einigen Regionen könnte ihre Zahl zunehmen, in anderen zurückgehen. Und all diese Änderungen werden sich vor dem Hintergrund einer großen natürlichen Variabilität von Jahr zu Jahr und von einer Dekade zur nächsten abspielen.

Die von heftigen Regenfällen begleiteten Sturmtiefs der mittleren Breiten sind gewöhnlich ausgedehnter als die tropischen Zyklonen. Sie lassen sich deshalb besser in numerischen Modellen erfassen. Einige Simulationen gibt es – darunter eine, die Ruth Carnell und ihre Kollegen am Hadley-Centre des britischen Wetterdienstes in Bracknell erst kürzlich durchgeführt haben. Danach treten bei einer Zunahme des Treibhauseffekts weniger Sturmtiefs über dem Nordatlantik auf, doch erreichen sie eine größere Intensität (haben einen niedrigeren Kerndruck). Die Ergebnisse der verschiedenen Modellrechnungen sind allerdings nicht einheitlich.

Auch die Analysen meteorologischer Daten erlauben keine eindeutigen Schlußfolgerungen. Einigen Untersuchungen zufolge hat es seit dem Ende der achtziger Jahre mehr winterliche Sturmtiefs auf dem Nordatlantik gegeben als je zuvor in den letzten 100 Jahren (Spektrum der Wissenschaft, Juli 1994, Seite 32). Außerdem zeigt sich seit einigen Jahrzehnten ein Trend zu stärkeren Winden und höheren Wellen auf dem nördlichen Nordatlanktik. Für die Nordsee dagegen fanden Hans von Storch und sei-ne Kollegen am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg keinen Hinweis auf einen Anstieg der Sturmtiefhäufigkeit. Insgesamt lassen die vorliegenden Informationen über die außertropischen Zyklonen vermuten, daß es ähnlich wie bei den tropischen Wirbelstürmen wenig Grund gibt, eine globale Zunahme zu erwarten, daß aber regionale Veränderungen nicht auszuschließen sind.



Vorgaben für die Politik


Zwar bedeuten solche Lücken in den Prognosen, daß wir das irdische Klimasystem noch nicht vollständig verstehen; dennoch zeigt die Summe der gesicherten Aussagen, daß menschliche Aktivitäten das gobale Wettergeschehen bereits erkennbar beeinflußt haben. Um bestehende Ungewißheiten besonders in kleineren Dimensionen zu verringern, gilt es, die Möglichkeiten der numerischen Modellierung zu verbessern und die genauen Wetterbeobachtungen fortzusetzen.

Neue Initiativen wie das Globale Klimabeobachtungssystem GCOS (Global Climate Observing System) und detaillierte Untersuchungen wesentlicher Klimaprozesse sind dabei ebenso wichtig wie leistungsfähigere Supercomputer. Dennoch sind wir vermutlich nie vor Überraschungen sicher. Beispielsweise könnten sich die Meeresströmungen im Nordatlantik plötzlich ändern und binnen weniger Jahre oder Jahrzehnte zu einer dramatischen Abkühlung in Europa und im östlichen Nordamerika führen.

Einer der größten Unsicherheitsfaktoren bei der Vorhersage anthropogener Klimaänderungen ist die Menge der künftigen globalen Emissionen an Treibhausgasen, Aerosolen und anderen klimawirksamen Stoffen. Die Festlegung dieser Emissionen ist jedoch keine Aufgabe der Wissenschaftler, es ist eine politische Frage von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Menschheit.

Literaturhinweise

Die Weltwettermaschine. Satellitentechnik, Wettervorhersage und Klimaveränderungen. Von William James Burroughs. Birkhäuser, Basel 1995.

Die Klima-Diskussion. Der Bericht des Europäischen Forums für Wissenschaft und Umwelt. Herausgegeben vom European Science and Environment Forum (ESEF). Böttiger, Wiesbaden 1996.

Klima. Gestern – Heute – Morgen. Von Sylvie Joussaume Springer, Berlin 1996.

Globale Erwärmung. Fakten, Gefahren und Lösungswege. Von John Hough-ton. Springer, Berlin 1997.

Risiko Klima. Der Treibhauseffekt als Herausforderung für Wissenschaft und Politik. Herausgegeben von Jürgen Kopfmüller und Reinhard Coenen. Campus, Frankfurt 1997.

Luftverschmutzung und Klimaänderung. Auswirkungen auf Flora, Fauna und Mensch. Von Alan R. Wellburn. Springer, Berlin 1997.

Klimaänderung und Treibhauseffekt. Von A. Frank, und L. Stäudel. Schroedel, Hannover 1998.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1998, Seite 80
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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