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Neurotheorie: Sehen, was wahrscheinlich ist

Welche Reize wir im visuellen Arbeitsgedächtnis behalten, ist mit Unsicherheit behaftet. Doch dank der statistischen Fähigkeiten unseres Gehirns können wir abschätzen, welche Erinnerungen verlässlicher sind als andere.
Frauenkopf umgeben von Zahlen

Stellen Sie sich vor, sie lesen irgendwo eine Telefonnummer, wollen sie in Ihr Smartphone eingeben – und bemerken prompt, dass die Zahlen im Kopf schneller verblassen, als Ihnen lieb ist. Während Sie die ersten Ziffern noch im Gedächtnis präsent haben, verschwimmen die hinteren vor dem inneren Auge. Wie war das gleich? Kam die Sechs vor oder nach der Acht?

Um Informationen wie einzelne Zahlen zu bearbeiten, müssen sie lange genug im mentalen Speicher bleiben. Dazu bedarf es einer Fähigkeit, die als visuelles Arbeitsgedächtnis bezeichnet wird. Seine Kapazität ist allerdings begrenzt. Seit Jahren debattieren Wissenschaftler über die genaueren Hintergründe: Finden nur ein paar Elemente auf einmal Platz oder mangelt es eher an Detailreichtum? In anderen Worten: Verteilt sich die Fassungskraft unseres Geistes auf einige wenige, dafür aber kristallklare Erinnerungen oder auf eine Vielzahl schemenhafter Fragmente? Wie man heute weiß, sind die neuronalen Signale, die dem Arbeitsgedächtnis zu Grunde liegen, ziemlich verrauscht. Daher sind seine Inhalte zwangsläufig ungewiss. Für diese Unsicherheit haben wir ein Gefühl – wir sind also in der Lage abzuschätzen, welchen Erinnerungen eher zu trauen ist und welchen nicht.

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Wer entscheidet? Wie das Gehirn unseren freien Willen beeinflusst

Was bedeutet es, ein Bewusstsein zu haben? Haben wir einen freien Willen? Diese Fragen beschäftigt Neurowissenschaft, Philosophie und Theologie gleichermaßen. Der erste Artikel zum Titelthema zeichnet die Entwicklung der neurowissenschaftlichen Forschung nach und zeigt, wie das Gehirn das subjektive Erleben formt. Anschließend geht es im Interview mit dem Neurophilosophen Michael Plauen um die Frage, ob wir frei und selbstbestimmt handeln, oder nur Marionetten unseres Gehirns sind. Die Antwort hat Konsequenzen für unser Selbstbild, die Rechtsprechung und unseren Umgang mit KI. Daneben berichten wir, wie virtuelle Szenarien die traditionelle Psychotherapie erfolgreich ergänzen und vor allem Angststörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen lindern können. Ein weiterer Artikel beleuchtet neue Therapieansätze bei Suchterkrankungen, die die Traumata, die viele Suchterkrankte in ihrer Kindheit und Jugend erfahren haben, berücksichtigen. Zudem beschäftigen wir uns mit der Theorienkrise in der Psychologie: Der Risikoforscher Gerd Gigerenzer erklärt, warum die Psychologie dringend wieder lernen muss, ihre Theorien zu präzisieren.

Spektrum der Wissenschaft – Innerer Dialog – Wie Kopf und Körper miteinander kommunizieren

Über ein fein abgestimmtes System aus neuronalen Netzwerken via hormonelle Steuerung bis hin zu zellulären Dialogen stehen Kopf und Körper in ständigem Austausch. Denn wie in jeder funktionierenden Gesellschaft gilt auch hier: Ohne Kommunikation geht nichts. Dieser innere Austausch ist ebenso komplex wie der soziale – und er läuft rund um die Uhr, meist, ohne dass wir ihn bewusst wahrnehmen. Er spielt auch eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit.

Spektrum Kompakt – Gedächtnis

»Es liegt mir auf der Zunge« – dieses Gefühl kennt wohl jeder. Manches bleibt nie im Gedächtnis hängen, anderes über Jahre hinweg. Erinnern und Vergessen sind komplexe Prozesse, die noch nicht vollständig verstanden sind und von digitalen Helfern, aber auch durch Schlaf beeinflusst werden.

  • Quellen

Knill, D., Pouget, A.: The Bayesian brain: the role of uncertainty in neural coding and computation. Trends in Neuroscience 27, 2004

Li, H.-H. et al.: Joint representation of working memory and uncertainty in human cortex. Neuron 109, 2021

Ma, W. J. et al.: Bayesian inference with probabilistic population codes. Nature Neuroscience 9, 2006

Van Bergen, R. S. et al.: Sensory uncertainty decoded from visual cortex predicts behavior. Nature Neuroscience 18, 2015

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