Datenautobahn aus der Steckdose
Jede Steckdose kann als Tor zum Internet dienen, doch noch müssen einige technische Hürden genommen werden.
Wer betreibt die größten Netzwerke? Antwort: die Energieversorger. Daß aus Stromnetzen ein Kommunikationsverbund wird, soll ein Verfahren namens Powerline Communication (PLC) möglich machen. Über Stromkabel telephonieren, Geräte fernsteuern und im Internet surfen – Stecker in die Steckdose und los geht es. Wer am Stromnetz hängt, wäre zudem auch automatisch schon "online", ohne jede Anmeldeprozedur. Der Vorteil ist offensichtlich: Ohne zusätzliche Installationen gewinnen sowohl Betreiber als auch Kunden einen wertvollen Zusatznutzen. Das Stromnetz liegt in jedem Haushalt, und anders als beim Telephon gibt es Steckdosen in praktisch jedem Zimmer.
Die Idee ist bestechend, aber keineswegs neu. Schon seit Jahrzehnten werden einfache Signale wie die Ein- beziehungsweise Ausschaltbefehle für die Straßenbeleuchtung in das Stromnetz gespeist und von speziellen Empfängern wieder herausgefiltert. Doch erst die Entwicklung komplexer Verfahren zur Frequenzmodulation und hochintegrierter, dabei kostengünstiger Mikrochips machte in den letzten Jahren den Weg für hohe Datenübertragungsraten frei: Ein Mbit/s und mehr soll PLC erreichen, das wäre rund 15mal schneller als ISDN (64 kbit/s).
Diese Art der Datenübertragung wird seit 1998 von Tesion, einer Tochter des Stromversorgers Energie Baden-Württemberg (EnBW), inzwischen in 200 Haushalten getestet. Im letzten Jahr startete auch die RWE in der Nähe von Düsseldorf eine Versuchsanlage. Doch bislang war der hauseigene Stromzähler die Endstation. Zur Übertragung der Daten zum Endgerät mußte ein zusätzliches Koaxial-Kabel verlegt werden. Die Firma Siemens entwickelt derzeit ein durchgängiges PLC-System bis zur Steckdose des Anwenders.
Das Verfahren stellt enorm große Anforderungen an die Signalverarbeitung, denn Stromnetze unterliegen weit mehr als die Leitungsverbünde der Telekommunikation zahlreichen Störquellen: Transformatoren und geöffnete Schalter wirken als Sperren; Verzweigungen und Ringleitungen dämpfen die Signale; elektrische Leiter haben oft sehr unterschiedliche Wellenwiderstände, so daß Übergänge die Datenströme reflektieren. Oft liegen sowohl die Frequenzen als auch die Signalhöhe des von diesen allgegenwärtigen Komponenten verursachten Rauschens im selben Bereich des Spektrums wie die zu übertragenden Signale.
Die Lösung: Synchronisieren von Sender und Empfänger, mehrfaches Übertragen der Signale auf mehreren Trägerfrequenzen. Bei 6 bis 8 Mbit/s dürfte aber letztlich Schluß sein. Ob das Interesse der Energieversorger ausreicht, dann noch mit PLC in den Telekommunikationsmarkt einzusteigen, muß sich noch erweisen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 2000, Seite 87
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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