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Der Ein-Atom-Laser

Ein neuer Lasertyp vermag die Strahlungsemission eines einzelnen Atoms gezielt zu steuern. Dies eröffnet neue Einsichten in die quantenphysikalische Wechselwirkung zwischen Licht und Materie.


Laser sind seit ihrer Erfindung vor vierzig Jahren fast allgegenwärtig geworden: Lehrer und Fremdenführer nutzen ihren punktscharfen Strahl als optischen Zeigestab, im Supermarkt erfassen die Kassierer damit die Strichcodes auf Verpackungen, und Musikliebhaber können beim Abspielen von Compact Disks (CDs) perfekte Klangqualität genießen. Das Funktionsprinzip ist dabei stets dasselbe: Durch Zusammenwirken einer riesigen Anzahl von Atomen im Lasermedium wird ein intensiver monochromatischer Lichtstrahl erzeugt. Uns ist es aber nun gelungen, einen Laser herzustellen, der mit lediglich einem einzigen Atom auskommt (Bild 1).

Der Ein-Atom-Laser vermag zwar weder Strichcodes zu lesen noch Musik wiederzugeben – mit einem Billionstel Watt liegt seine Leistung millionenfach unter der von CD-Lasern –, doch ist er ein wertvolles Experimentiergerät. Da seine Eigenschaften sich nur quantenmechanisch erklären lassen, können die Forscher mit ihm die Vorhersagen der für atomare und subatomare Wechselwirkungen zuständigen Quantentheorie überprüfen und neue Erkenntnisse über das Wesen der Laserstrahlung gewinnen.



Stimulierte Emission



Jeder Laser besteht im wesentlichen aus zwei Komponenten: einem optischen Resonator – meist zwei exakt justierte Spiegel, zwischen denen Strahlung hin und her reflektiert wird – und einem den Resonator erfüllenden Lasermedium, welches die Strahlung erzeugt und verstärkt. Bei einem Helium-Neon-Laser beispielsweise ist das Medium gasförmig, während es beim Neodym-YAG-Laser aus Neodym-Ionen besteht, die in einen Yttrium-Aluminium-Granat-Kristall eingelagert sind (Bild 2). Die Atome oder Moleküle des Mediums sind dabei nicht völlig gleichartig; sie weisen viele separate Quantenzustände unterschiedlicher Energie auf. Zum Laserprozeß trägt nur ein chemisches Element oder eine Verbindung im Medium bei, und nur ein winziger Bruchteil davon emittiert tatsächlich Laserlicht. Diese Teilchen – sie heißen aktive Atome, im Gegensatz zu den übrigen Hintergrundatomen – wechseln immerfort zwischen zwei Energiezuständen hin und her; bei jedem Wechsel vom höheren zum niedrigeren Niveau emittieren sie ein der Energiedifferenz entsprechendes Lichtquant, ein Photon. Strahlungsverstärkung ist nur bei sogenannter Besetzungsinversion möglich, wenn die Anzahl der aktiven Atome im angeregten Zustand höherer Energie die der nicht angeregten überwiegt.

Angeregt werden die Teilchen durch eine äußere Energiequelle, zum Beispiel eine elektrische Entladung. Sie bleiben aber nicht im energiereichen Zustand, sondern fallen nach einer gewissen Zeit wieder auf das niedrigere Niveau zurück, wobei sie in beliebige Richtungen Lichtquanten abstrahlen. Ein kleiner Bruchteil – in der Regel wenige Millionstel – der durch diese spontane Emission entstandenen Strahlung wird von einem der Resonatorspiegel zurück in das Medium reflektiert. Dort treffen diese Lichtquanten auf weitere angeregte Atome und zwingen sie, zusätzliche Photonen gleicher Richtung, Phase und Wellenlänge zu emittieren; dieser Vorgang, die stimulierte Emission, ist somit für die wichtigste Eigenschaft der Laserstrahlung verantwortlich, ihre Kohärenz. Die zwischen den Resonatorspiegeln eingeschlossene Strahlung wird vom Lasermedium durch stimulierte Emission fortwährend verstärkt (daher der Name Laser, abgekürzt für light amplification by stimulated emission of radiation). Damit ein Teil des Lichts als Laserstrahl nach außen treten kann, macht man einen der beiden Spiegel etwas durchlässig.

Die erforderliche Laseroszillation, also eine stehende Lichtwelle im Resonator, bildet sich nur aus, wenn der Gewinn (englisch gain) – der Intensitätszuwachs bei der Passage durch den Resonator – mindestens den Energieverlust aufwiegt, der durch Unvollkommenheiten der Spiegel und durch andere Faktoren entsteht. Um diese Schwellenbedingung zu erfüllen, muß das Medium eines herkömmlichen Lasers aus enorm vielen Teilchen bestehen: Ein Helium-Neon-Laser mit einem Milliwatt (tausendstel Watt) Emissionsleistung enthält mehrere Billiarden (1015) Neon-Atome und etwa zehnmal so viel Helium. Das Gleichgewicht zwischen Laserverstärkung und -verlusten wird erreicht, wenn rund eine Milliarde Photonen zwischen den Resonatorspiegeln unterwegs sind. Somit sind pro Photon im Resonator mehrere Millionen Neon-Atome und das Zehnfache an Helium-Atomen nötig.

Man kann die erforderliche Atommenge auf unterschiedliche Weise verringern. Zur direkten Verlustminderung sucht man den Reflexionsgrad der Spiegel zu erhöhen; dadurch bleiben die Photonen länger im Resonator und bauen leichter Laseroszillationen auf. Manchmal läßt sich der Gewinn des Lasers steigern, indem die Anzahl der Hintergrundatome gesenkt wird; sie stören die Lichtverstärkung, weil sie mit den aktiven Atomen kollidieren. Doch in der Praxis brauchen selbst die effizientesten Laser mindestens 100000 Atome für jedes im Resonator gespeicherte Photon. Offenbar vermag ein konventioneller Laser nie mit nur einem Atom zu funktionieren.



Atome in Resonatoren



Unser Ein-Atom-Laser nutzt als neue Methode zur Lichtverstärkung die sogenannte quantisierte Rabi-Oszillation. Dabei handelt es sich um ein typisches Phänomen der Hohlraum-Quantenelektrodynamik, die das Verhalten von Partikeln in extrem kleinen Resonatoren beschreibt (Spektrum der Wissenschaft, Juni 1993, Seite 48).

Die Rabi-Oszillation – der periodische Austausch von Energie zwischen Atomen und einem elektromagnetischen Feld – ist die wohl elementarste Wechselwirkung zwischen Licht und Materie. Der Physiker Isaac Isidor Rabi (1898 bis 1988; Nobelpreis 1944) untersuchte den Vorgang erstmals in den dreißiger Jahren. Er bestrahlte Atome mit speziell abgestimmten Radiowellen und stellte fest, daß die Teilchen aus dem Grundzustand in einen angeregten Zustand übergingen, wobei sie Energie aus dem Strahlungsfeld absorbierten. Der Effekt trat auf, weil die Energie der Radiofrequenz-Photonen exakt der Differenz zwischen Anregungs- und Grundzustand entsprach. Doch wenn sämtliche Atome den angeregten Zustand erreicht hatten, konnten sie keine weitere Strahlungsenergie mehr absorbieren, und der Vorgang kehrte sich um: Bei weiterer Bestrahlung begannen die Atome ihre Anregungsenergie an das Radiowellenfeld abzugeben und in den Grundzustand zurückzufallen. Danach fingen sie wieder an, Energie aus dem Feld zu absorbieren, und der Kreislauf begann von neuem.

Bei Rabis Experimenten ließ sich das Verhalten einzelner Atome und Photonen noch nicht beobachten. Weil Strahlungsquanten im Radiobereich sehr geringe Energie haben (verglichen mit dem kürzerwelligen optischen Bereich), enthält bereits eine leistungsschwache Radiowelle enorm viele davon. Zwischen Atomen und Photonen finden so viele Wechselwirkungen statt, daß ihr statistisches Mittel den quantenmechanischen Charakter des individuellen Energieaustauschs völlig überdeckt. Erst Anfang der sechziger Jahre entwickelten Edwin T. Jaynes von der Washington-Universität in Saint Louis (Missouri) und Frederick W. Cummings vom Forschungslabor der Ford Motor Company in Detroit (Michigan) eine Theorie über die Wechselwirkung zwischen einem einzelnen Atom mit zwei Energieniveaus und einem schwachen Lichtstrahl aus nur wenigen Photonen.

Sobald man individuelle Atome betrachtet, stellt sich heraus, daß die Rabi-Oszillationen nicht mehr beliebig häufig aufeinander folgen können: Ihre Frequenz ist selbst quantisiert, ähnlich wie die separaten Energieniveaus der Atome; für die genauen Werte der Quantisierung ist das umgebende Strahlungsfeld ausschlaggebend. Ein Atom mit zwei Energiezuständen kann seine Absorptions-Emissions-Zyklen also nur mit einer durch die Stärke des elektromagnetischen Feldes vorgegebenen Frequenz ausführen.

Aus der Theorie ergibt sich eine erstaunliche Folgerung: Ein einzelnes angeregtes Atom läßt sich zur Emission eines Photons stimulieren, indem man es in einen sehr kleinen Hohlraum sperrt, der als Resonator fungiert. Die Innenwände müssen dazu verspiegelt und so eingestellt sein, daß die vom Atom ausgesandten Photonen mit ihren Wellenlängen exakt hineinpassen und sich aufschaukeln können. Auf diese Weise entsteht eine quantenelektrodynamische Kopplung zwischen Atom und Hohlraum, die das Atom zu viel schnellerer Emission stimuliert als ohne Resonator. Bleibt das Atom im Hohlraum, so absorbiert es das von ihm selbst emittierte Photon wieder und beginnt einen neuen Austauschzyklus. Bei dieser sogenannten Vakuum-Rabi-Oszillation gibt es im Resonator anfangs kein Lichtquant und damit kein elektromagnetisches Feld. Enthält der Hohlraum hingegen schon vor dem Eintritt des angeregten Atoms einige Photonen, so bildet sich die quantisierte Rabi-Oszillation aus, und die Photonen werden noch rascher emittiert und reabsorbiert (Bild 4).

Experimentell realisiert hatte den Effekt erstmals 1984 Herbert Walther am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München; er entwickelte den sogenannten Mikromaser, einen quantenmechanischen Verstärker für Mikrowellenstrahlen. Maser (abgekürzt für microwave amplification by stimulted emission of radiation) funktionieren im Prinzip wie Laser, nur daß sie statt im optischen im Mikrowellenbereich arbeiten. Bei Walthers Experiment wanderten Rydberg-Atome – hochangeregte Atome, deren äußerste Hüllenelektronen auf überdimensional großen Umlaufbahnen kreisen – wie im Gänsemarsch eins nach dem andern durch einen kleinen Hohlraum mit extrem gut reflektierenden Metallwänden. Wenn die Atome auf ein niedrigeres Energieniveau zurückfielen, emittierten sie Mikrowellen-Photonen, auf deren Wellenlänge die Abmessungen des Hohlraums abgestimmt waren; somit diente er – wie beim Laser – als Resonator. Beim Passieren des Hohlraums emittierten die Atome, wie von Jaynes und Cummings vorhergesagt, verstärkt Photonen. Der Resonator vermochte die Photonen zu speichern, weil Walthers Team die Hohlraumwände bis auf eine Temperatur knapp über dem absoluten Nullpunkt kühlte, bei der sie supraleitend wurden und nahezu perfekt reflektierten.

Der Ein-Atom-Laser ist die optische Version des Mikromasers. Atome mit zwei möglichen Energieniveaus werden zunächst angeregt und wandern dann hintereinander durch einen winzigen Resonator, wo sie Infrarot-Photonen mit einer Wellenlänge knapp jenseits des sichtbaren Spektrums emittieren. Das erste Lichtquant entsteht im leeren Hohlraum durch Vakuum-Rabi-Oszillation; danach verstärken quantisierte Rabi-Oszillationen die Strahlung. Mit wachsender Anzahl der Photonen im Hohlraum steigt die Wahrscheinlichkeit, daß ein Atom unterwegs ein zusätzliches Photon emittiert; im Grunde handelt es sich um Verstärkung durch stimulierte Emission wie bei herkömmlichen Lasern (Bild 1).



Der Superresonator



Allerdings kommt beim Ein-Atom-Laser alles darauf an, einen optischen Resonator zu bauen, der ein Photon genügend lange zu speichern vermag, ehe es von einem der beiden Spiegel absorbiert wird oder den Hohlraum verläßt. Wir benutzten einen sogenannten Superresonator aus zwei präzise justierten gekrümmten Spiegeln mit extrem hohem Reflexionsgrad. In den sechziger Jahren hatten Wissenschaftler der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA Ionenstrahltriebwerke für Raumraketen erprobt und dabei entdeckt, daß durch hochenergetische Ionenstrahlen die Wände einer Vakuumkammer mit einer hochgradig reflektierenden Ionenschicht bedeckt werden. In den siebziger und achtziger Jahren beschichtete man damit die Spiegel von Lasergyroskopen. Zwar läßt sich mit dieser Technik ein optimaler Reflexionsgrad erzielen, aber in unserem Resonator schmälern selbst winzigste Unebenheiten den Wirkungsgrad erheblich.

Wenn man freilich nur ein millimetergroßes Stückchen Spiegelfläche nutzt, fallen solche Mängel nicht ins Gewicht, und man erhält perfekte Resonatorspiegel mit bis zu 99,9999 Prozent Reflexionsgrad. (Zum Vergleich: Die vergüteten Spiegel in gewöhnlichen Lasern reflektieren etwa 99 Prozent des einfallenden Lichts, normale Wandspiegel nur 90 Prozent.) Photonen lassen sich in einem solchen Resonator 10000 mal besser speichern als in herkömmlichen Lasern. Die Spiegel in unserer Anordnung wiesen ein Reflexionsvermögen von 99,9997 Prozent auf, und ihr Abstand voneinander betrug nur einen Millimeter. Im Zwischenraum wurden die Photonen rund 250000mal hin und her reflektiert, bevor sie von den Spiegeln absorbiert wurden oder den Resonator verließen.

Leider ist es äußerst schwierig, den Superresonator exakt auf die Wellenlänge der von den Atomen emittierten Photonen abzustimmen. Bei der kleinsten Bewegung der Spiegel geht die Resonanz verloren, und es gibt weder Rabi-Oszillationen noch stimulierte Emission. Darum regelten wir den Spiegelabstand mit Hilfe eines piezoelektrischen Wandlers; ein solcher dielektrischer Kristall übersetzt eine angelegte elektrische Spannung in mechanischen Druck. Eine Rückkopplungsschleife überwachte den Spiegelabstand und korrigierte automatisch jede Abweichung bis auf den zehntausendsten Teil eines Nanometers (eines millionstel Millimeters).

Ebenso entscheidend war die Auswahl einer geeigneten Atomsorte. Sie mußte zwei passende Energieniveaus haben und obendrein relativ wenig Bereitschaft zu spontaner Emission aufweisen, damit die Wechselwirkung zwischen Atom und Resonator nicht gestört würde. Unsere Wahl fiel auf Barium; es emittiert beim Übergang aus dem angeregten in den Grundzustand Photonen mit 791 Nanometern Wellenlänge. Wir verdampften metallisches Barium in einem Ofen und erzeugten auf diese Weise einen feinen Strahl von Atomen mit einer mittleren Geschwindigkeit von 360 Metern pro Sekunde, den wir auf den Zwischenraum zwischen den Spiegeln richteten. Der Resonator war so klein und die Dichte des Bariumstrahls so gering, daß sich zu jedem Zeitpunkt höchstens ein einzelnes Atom im Hohlraum aufhielt.

Kurz vor dem Eintritt in den Hohlraum passierten die Teilchen den Lichtstrahl eines herkömmlichen Titan-Saphir-Lasers, der exakt so abgestimmt war, daß er sie in den angeregten Zustand versetzte. Normalerweise wären die Atome erst wieder nach rund drei Millionstel Sekunden spontan in den Grundzustand zurückgefallen und hätten Photonen mit 791 Nanometern Wellenlänge emittiert. Doch weil der Resonator genau auf diese Wellenlänge abgestimmt worden war, führte er bei einigen Barium-Atomen schon in den 200 Milliardstel Sekunden, die sie zwischen den Spiegeln verbrachten, stimulierte Emission herbei.

Wenn das erste Atom in den leeren Resonator eintrat, erfuhr es mit 23 Prozent Wahrscheinlichkeit eine Vakuum-Rabi-Oszillation und gab ein Strahlungsquant ab. Das nächste Barium-Atom fand dann im Hohlraum bereits ein schwaches elektromagnetisches Feld vor, und die Wahrscheinlichkeit einer Photonenemission stieg auf 42 Prozent. Je mehr Photonen sich im Resonator ansammelten, desto wahrscheinlicher wurden weitere stimulierte Emissionen. Vor allem hatten sämtliche Photonen aufgrund der Gestalt des Resonators gleiche Bewegungsrichtung und Phase. So entstand ein schwacher kohärenter Strahl, der den Hohlraum senkrecht zum Atomstrahl verließ.

Aufgrund der geringen Verluste ließen sich die Photonen fast eine Millionstel Sekunde lang im Resonator speichern – für atomare Verhältnisse eine beträchtliche Zeitspanne. Wir schätzten ihre Anzahl ab, indem wir die durch einen der Spiegel nach draußen dringende Lichtmenge mit einem Hochleistungsdetektor maßen, der 40 Prozent aller auf ihn auftreffenden Photonen zu zählen vermochte.

In unserem Experiment wuchs die Photonenzahl so lange, bis die Verlustrate (aufgrund von Absorption im Resonator oder Entweichen durch die Spiegel nach außen) gleich hoch wurde wie die Photonenemissionsrate der Barium-Atome. Wir konnten die Dichte des Dampfstrahls über die Ofentemperatur regulieren. Bei einer mittleren Teilchenanzahl von 0,1 im Hohlraum – das heißt, wenn sich in nur zehn Prozent der Zeit ein Atom im Resonator aufhielt – sammelten sich kaum Photonen an: Die meisten emittierten Lichtquanten hatten den Resonator schon verlassen, bevor das nächste Atom eindrang. Doch wenn wir die mittlere Teilchenzahl im Resonator auf 0,4 erhöhten, wurde rund eine Million Photonen pro Sekunde abgegeben; das genügte, um die ständige Anwesenheit mindestens eines Photons im Resonator zu gewährleisten. Ein Lichtquant im Hohlraum erhöhte wiederum die Wahrscheinlichkeit zusätzlicher Emissionen: Wenn wir die mittlere Teilchenzahl auf 0,7 steigerten, nahm die Laserleistung auf das Siebenfache zu (Bild 3).



Künftige Laser



Der Wirkungsgrad des Ein-Atom-Lasers ist erstaunlich hoch. Theoretisch steigt bei ausreichend vielen Photonen im Resonator die Wahrscheinlichkeit, daß das Barium-Atom ein weiteres Photon emittiert, auf fast 100 Prozent. Mit unserem Prototyp haben wir 50 Prozent erreicht: Die Hälfte der insgesamt von den Atomen absorbierten Energie wurde in Laserstrahlung umgewandelt. Herkömmliche Laser arbeiten nur mit einem Wirkungsgrad zwischen 1 und 30 Prozent.

Doch eigentlich ist der Ein-Atom-Laser vor allem als Experimentiergerät nützlich. Da seine Strahlung durch typische Quanteneffekte erzeugt wird, lassen sich die Vorhersagen der Theorie überprüfen, indem man im Hohlraum Wechselwirkungen zwischen Atom und Feld arrangiert und den Laser-Output beobachtet. Allerdings eignete sich unser ursprüngliches Gerät dafür nicht besonders, weil die Wechselwirkungen im Resonator nicht gleichförmig waren. In unserem Superhohlraum hatte das elektromagnetische Feld die Form einer stehenden Welle zwischen den Spiegeln, wobei die Amplitude ähnlich wie bei einer klingenden Klaviersaite von Ort zu Ort sinusförmig zu- und abnahm. Darum unterlag ein Atom je nach seiner Flugbahn im Resonator unterschiedlichen elektromagnetischen Einflüssen: Führte sie durch den Bauch der stehenden Welle, so emittierte es ein Photon; beim Weg durch einen Knoten war das Feld hingegen zu schwach, Emission zu stimulieren.

Dieses Problem lösten wir, indem wir den Atomstrahl nicht exakt senkrecht zur Verbindungsachse der beiden Spiegel einfallen ließen, sondern etwas geneigt. Aufgrund des Doppler-Effekts erscheint dem schräg ankommenden Atom die stehende Welle als zwei in entgegengesetzte Richtungen wandernde Wellen etwas unterschiedlicher Frequenz. Der Spiegelabstand läßt sich nun so einstellen, daß nur eine dieser beiden mit den Atomen in Resonanz ist. Dadurch werden die Wechselwirkungen zwischen Atom und Feld gleichmäßiger: Weil alle Atome auf ihrem Weg durch die nicht-stationäre Welle gleichermaßen Regionen hoher und niedriger Feldamplitude durchmessen, ist die Emissionswahrscheinlichkeit für alle praktisch gleich.

Eine weiterer Nachteil unseres ursprünglichen Apparats war die breite Geschwindigkeitsverteilung der aus dem Ofen heraustretenden Barium-Atome. Die schnelleren hatten auf ihrem Weg durch den Resonator weniger Zeit, mit dem Feld in Wechselwirkung zu treten und Photonen zu emittieren. Damit wenigstens die Atome, auf die es uns ankommt, nämlich die angeregten, möglichst gleich schnell den Hohlraum passieren, haben wir die Anregung der Barium-Atome modifiziert. Wir benutzen dafür jetzt zwei konventionelle Laser anstelle von einem und stimmen sie so ab, daß nur Atome einer bestimmten Geschwindigkeit auf das höhere Energieniveau gehoben werden.

Mit diesen Verbesserungen bereiten wir uns darauf vor, das Emissionsspektrum des Ein-Atom-Lasers zu analysieren. Aus früheren Versuchen wissen wir, daß ein einzelnes Atom im Resonator mit einem konventionell erzeugten Laserstrahl in Wechselwirkung tritt, der von außen längs der Spiegelachse durch den Hohlraum gelenkt wird. Ist der Resonator leer, so steigt die Intensität des durchgesandten Strahls steil an, wenn die Frequenz des ihn erzeugenden Lasers sich der Eigenfrequenz des Hohlraums nähert. Das heißt, die Abstimmungskurve des leeren Resonators hat ein einziges Maximum. Doch sobald sich ein Atom darin aufhält, erreicht die Intensität des transmittierten Laserstrahls je einen Spitzenwert ober- und unterhalb der Resonanzfrequenz: Die Abstimmungskurve bekommt zwei symmetrische Maxima, die den Eigenschwingungen des gekoppelten Systems aus Atom und Hohlraum entsprechen.

Auch das Emissionsspektrum des Ein-Atom-Lasers sollte eine zweispitzige Kurve bilden, sofern die Dichte des Barium-Strahls so gering ist, daß die Zeitspanne bis zum Eintritt des nächsten Atoms viel länger ist als die Speicherzeit der Photonen; denn dann verlassen alle Photonen den Resonator, bevor wieder ein Atom eintrifft. Bei immer höherer Dichte des Atomstrahls akkumulieren sich immer mehr Lichtquanten im Hohlraum, bis schließlich das Emissionsspektrum nur noch ein einziges Maximum aufweisen sollte, wie es für Laserstrahlung typisch ist. Doch bisher gibt es kein theoretisches Modell dafür, wie dieser Übergang vor sich geht. Mit den Spektren, die der Ein-Atom-Laser für die Zwischenstufen zu liefern vermag, können wir vielleicht besser verstehen, wie sich aus chaotischer Photonenemission kohärente Laserstrahlung entwickelt.

Ein anderes Vorhaben ist die Erforschung des sogenannten gefangenen Zustands (trapped state); dieses Quantenphänomen tritt auf, wenn ein angeregtes Atom im Hohlraum eine oder mehrere komplette Rabi-Oszillationen erfährt: Es emittiert ein Photon, absorbiert danach wieder eines aus dem Feld und verläßt den Resonator in angeregtem Zustand. Dabei nimmt die Anzahl der Photonen im Strahlungsfeld nicht zu.

Im ursprünglichen Versuchsaufbau waren vollständige Rabi-Oszillationen nicht zu beobachten, weil die Barium-Atome sich dafür zu schnell bewegten: Ihre Aufenthaltsdauer im Resonator reichte nur für ein Sechstel einer Oszillation. Um gefangene Zustände zu untersuchen, müssen wir den Atomstrahl verlangsamen. Das wiederum erfordert eine Erhöhung der Zeitspanne, während der Photonen sich im Hohlraum speichern lassen. Derzeit suchen wir sie auf das Dreifache zu steigern.

Solche Forschungen könnten durchaus von praktischem Nutzen sein. Da bei gefangenen Zuständen die Feldamplitude besonders scharf bestimmt ist, würde sich ein Ein-Atom-Laser in diesem Zustand zur rauscharmen Datenverarbeitung oder zur Präzisionsspektroskopie eignen. Das mit unserem Versuchsgerät gewonnene Wissen könnte außerdem die Entwicklung von Mikrohohlraum-Halbleiterlasern beschleunigen; diese winzigen Strahlungsquellen werden vielleicht eines Tages in optischen Computern eingesetzt werden (Bild 2; siehe auch Spektrum der Wissenschaft, Januar 1992, Seite 76, sowie Mai 1998, Seite 74). Auch glauben viele Wissenschaftler, die Leistung von Halbleiterlasern ließe sich erheblich steigern, wenn man den Prozeß der Photonenemission manipulieren könnte. Somit eröffnet der Ein-Atom-Laser, indem er neues Licht auf die seltsame Welt der Quantenoptik wirft, die Chance subtiler Eingriffe in das Wechselspiel von Materie und Strahlung.

Literaturhinweise

– Photonenzählen im Resonator. Von Oliver Benson, Georg Raithel, Matthias Weidinger und Herbert Walther in: Physikalische Blätter, Band 52, Heft 7/8, Seiten 653 bis 654, 1996.
– Quantenphänomene eines einzelnen Atoms. Von Herbert Walther in: Physikalische Blätter, Band 54, Heft 7/8, Seiten 625 bis 631, 1996.
– Cavity Quantum Electrodynamics. Von Serge Haroche und Daniel Kleppner in: Physics Today, Band 42, Heft 1, Seiten 24 bis 30, Januar 1989.
– The Micromaser: A Proving Ground for Quantum Physics. Von Georg Raithel und anderen in: Cavity Quantum Electrodynamics. Herausgegeben von Paul R. Berman. Academic Press, 1994.
– The Microlaser: A Fundamental Quantum Generator of Light. Von Kyungwon An, Ramachandra R. Dasari und Michael S. Feld in: Atomic and Quantum Optics: High Precision Measurements. SPIE Proceedings Series, Band 2799, Seiten 14 bis 21, 1996


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1998, Seite 48
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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