Der nächste Schritt zum Fusionskraftwerk
Schon seit dem Jahre 1987 arbeitet ein internationales Team von Physikern und Ingenieuren an der Planungeines Fusions-Testreaktors nach dem so genannten Tokamak-Prinzip (siehe Glossar). Darin soll Energie durch die nukleare Verschmelzung ("Kernfusion") von Wasserstoff-Atomkernen gewonnen werden – ein Prozess, der im Prinzip der Energieproduktion unserer Sonne ähnelt.
Der solare Fusionsreaktor wird durch die Eigengravitation unseres Heimatsterns zusammengehalten. Für eine irdische Energienutzung bieten dabei die Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium die günstigsten Eigenschaften, die durch ein geeignetes Magnetfeld ein-geschlossen werden müssen. Seit den fünfziger Jahren bauen Fusionsforscher immer größere Experimentier-Anlagen – zuletzt den derzeit größten Joint European Torus Jet in Culham bei Oxford. Nach den Vorstellungen der Fusionsforscher soll noch während des nächsten EU-Rahmenprogrammes – also zwischen 2003 und 2006 – mit dem Bau des "nächsten Schrittes" begonnen werden.
Dieses Reaktorprojekt firmiert unter der Bezeichnung "Iter", International Tokamak Experimental Reactor. Der Anstoß zu den Entwurfsarbeiten war 1985 erfolgt, noch während des Kalten Krieges, in Verhandlungen zwischen Reagan und Gorbatschow. Neben den USA und der damaligen UdSSR schlossen sich diesen Arbeiten direkt die Staaten der EU und Japan an; weiter assoziierten sich für die Untersuchungen die Schweiz, Schweden und Kanada mit der EU. 1992 berichtete Spektrum der Wissenschaft über das Projekt (R. W. Conn et al., 6/92, S. 62).
Nach ursprünglichem Plan sollte Iter der einzige Zwischenschritt zu einem Demonstrationskraftwerk ("Demo") sein, konsistent mit einem Szenario, das den kommerziellen Einsatz von Fusionskraftwerken als eine Option für die Energieversorgung nach der Mitte dieses Jahrhunderts vorsieht. Für die Auslegung des Experimental-Reaktors war gefordert worden:
- Zündung und Aufrechterhalten eines selbstständig brennenden Plasmas (siehe Glossar) über mindestens tausend Sekunden, sowie – in einem anderen Betriebszustand – auch die Demonstration eines stationären Betriebes, jedoch dann mit einer kleineren Energieausbeute aus Fusionsreaktionen;
- Integration aller für einen Fusionsreaktor relevanten Technologien in einer Anlage;
- eine bestimmte, reaktornahe Ausbeute von Neutronen aus den Fusionsreaktionen, um Gefäßwände und andere Materialien zu testen, die einmal dem hohen Wärme- und Neutronenfluss eines Reaktors standhalten müssen.
Die Planungsarbeiten an Iter wurden 1998 mit der Vorlage baureifer Projektunterlagen abgeschlossen, dem Iter-FDR (final design report). Die wesentlichen Parameter dieses Entwurfes sind in der Tabelle (Seite 89) aufgeführt.
Bereits in diesem Stadium war die Industrie eng in die Konstruktion eingebunden worden, nicht zuletzt bei der Abschätzung der Errichtungskosten: Diese wurden in den europäischen Staaten, Japan und USA parallel, aber unabhängig voneinander ermittelt. Die resultierenden Voranschläge lagen in allen drei Fällen eng beisammen, mit einem Mittelwert von 6,7 Milliarden Euro. Diese Kostenangabe hatte sich übrigens – inflationsbereinigt – zwischen Beginn und Ende der Entwurfsarbeiten nicht verändert.
Die Planung von Iter wurde detailliert ausgeführt: So wurden für sieben als kritisch eingestufte Komponenten der Anlage Prototyp-Elemente gebaut und für Tests bereitgestellt. Dies geschah meist gemeinschaftlich von zwei Partnern und mit einem Aufwand von circa 400 Millionen Euro. So wurde etwa ein Segment der ringförmigen Reaktionskammer ("Torus") in der Originalgröße von 20 Metern Durchmesser und 10 Metern Höhe gefertigt. Damit sollte demonstriert werden, dass ein solches Plasmagefäß, das wie aus Tortenstücken zusammengeschweißt wird, auch mit der nötigen Präzision von maximal 3 Millimetern gefertigt werden kann.
Die USA zogen sich zurück
Bei Planungsende hatten sich jedoch die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wesentlich verschlechtert. Keines der Partnerländer konnte bis zu diesem Zeitpunkt einen Standortvorschlag vorlegen. Russland war zwischenzeitlich in eine schwere ökonomische Krise geraten. Und nach wirtschaftli-chen Rückschlägen hatte selbst Japan ein bis 2001 terminiertes Moratorium für den Bau großer Forschungsanlagen beschlossen.
Die USA kämpften zwar nicht mit wirtschaftlichen Problemen; doch hatten sie inzwischen ihre Forschungsprioritäten neu geordnet. Energievorsorge über die kommenden fünfzig Jahre hinaus – der Zeitspanne also, in der ein Fusionsreaktor baureif sein könnte – zählte demnach nicht mehr zu den vordringlichen Aufgaben der Amerikaner. Ohne ein klar definiertes nationales Ziel änderten jedoch auch viele Fusionsforscher der USA ihre Prioritäten: Sie präferierten nun die weitere Arbeit an kleinen, mehr grundlagenorientierten Experimenten am eigenen Standort. Ein Großexperiment, das außerdem vermutlich irgendwo im Ausland errichtet werden würde, verlor für sie an Attraktivität.
Die Konsequenz ließ nicht auf sich warten. 1998 zogen sich die Vereinigten Staaten aus dem Iter-Projekt zurück. Damit sahen auch die verbliebenen Partner keine Chance mehr, das von dem Entwurfsteam vorgelegte Projekt unter den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen zu bauen. Aus diesem Grund wurde eine neue Arbeitsgruppe eingerichtet. Sie bekam den Auftrag, die physikalischen und technischen Anforderungen für Iter vor dem Hintergrund der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage zu überprüfen und einen neuen, kostengünstigeren Vorschlag zu erarbeiten, der gleichwohl die strategischen Ziele der Fusionsforschung berücksichtigte.
Die ursprünglichen Vorgaben für die Iter-Planung waren sehr ambitioniert und leiteten sich nicht eindeutig aus der Forderung nach einem einzigen Zwischenschritt auf dem Weg zu einem Demonstrationskraftwerk her. Im Bewusstsein gemeinsamer Stärke hatten die Forscher damals beschlossen, diesen Zwischenschritt so groß wie möglich zu machen. Das war auch objektiv zu rechtfertigen, da es in jedem Fall schwierig werden wird, auch den späteren Schritt von Iter zu Demo noch gemeinsam zu gehen – ein Phänomen, das unvermeidlich auftritt, sobald eine Technologie sich der Marktreife nähert und Nationalinteressen stärker ins Spiel kommen.
In diesem zweiten Schritt werden nämlich dann die technologischen Detaillösungen für einen kommerziellen Fusionsreaktor entwickelt werden; damit tritt wirtschaftlicher Wettbewerb gegenüber dem gemeinsamen wissenschaftlichen Interesse in den Vordergrund. Jetzt aber zwang die reduzierte Zahl der Partnerländer sowie die verschlechterte finanzielle Situation die Partner, beim ersten Schritt kürzer zu treten.
Wo konnte im Iter-Design "gespart" werden, ohne die wissenschaftlich-technischen Ziele zu gefährden? Bei der Untersuchung möglicher Einsparpotenziale kam die Arbeitsgruppe übereinstimmend zu folgendem Schluss: Am wenigsten würde es sich auf den zu erwartenden Erkenntnisgewinn, den man für einen Reaktorbau benötigte, auswirken, wenn man beim Iter auf einen "voll gezündeten" Betrieb verzichtet, wenn also das nuklear brennende Plasma nicht ausschließlich durch Energie aus Kernfusionsreaktionen erhitzt und am Brennen gehalten würde.
Ausschlaggebend für die Wirtschaftlichkeit eines Fusionsreaktors ist die so genannte "Leistungsvervielfältigung", genannt Q, die das Verhältnis der erzielten Fusionsleistung zu der von außen (extern) zugeführten Heizleistung angibt. Ein Fünftel der Fusionsleistung fällt in der Form energiereicher Helium-Atomkerne ("Alphateilchen") an, der restliche Teil als Neutronen. Diese elektrisch neutralen Teilchen entweichen ungehindert aus dem Plasma. Anders die elektrisch geladenen Alphateilchen: In Kollisionen übertragen sie ihre Energie auf die Elektronen und die Wasserstoff-Ionen des Plasmas und heizen es auf.
Ein Zustand selbstständigen Brennens ist erreicht, sobald die Alphateilchen-Heizung die Plasmatemperatur konstant hält. (Die Leistungsverstärkung Q wird dann formell unendlich groß.) In der Praxis wird man jedoch zur Steuerung des Kraftwerkes immer einen gewissen Prozentsatz der Heizleistung von außen zuführen. In einem Reaktor vom Tokamak-Typ ist außerdem vom Prinzip her eine dauernde Leistungszufuhr nötig, um den Plasmastrom zeitlich unbegrenzt aufrechterhalten zu können. Selbst in einem Reaktor wird daher die gewonnene Fusionsenergie nur rund 50-mal so groß sein wie die von außen in das Plasma eingespeiste Zusatzenergie (entsprechend Q = 50).
Reduzierter Neutronenfluss
Die Iter-Arbeitsgruppe konnte sich auch leicht über eine weitere Vereinfachung verständigen, nämlich beim Neutronenfluss. Dieser geht von dem brennenden Plasma aus, durchdringt die Wände des Reaktorgefäßes sowie alle anderen Reaktormaterialien und beschädigt sie letztlich. Der Grund: Selbst der für den alten Iter-Entwurf gewählte Wert hätte nicht ausgereicht, um realistische Bestrahlungstests von Materialien durchzuführen.
Dazu war und ist die parallele Errichtung einer eigenen Bestrahlungsanlage nötig, an der Materialien mit ausreichenden Flüssen und passender Neutronenenergieverteilung getestet werden können – Materialien mit einer geringen, schnell abklingenden Aktivierung sowie einer hohen Resistenz der mechanischen und thermischen Eigenschaften gegen Neutronenbestrahlung.
Um auch weiterhin die einzige notwendige Zwischengeneration vor dem Demonstrationsreaktor darzustellen, wurden für Iter jedoch die folgen-den Zielstellungen als unverzichtbar angesehen:
- Die physikalischen Aspekte der thermonuklearen Plasmaheizung sollen an dieser Anlage ausreichend untersucht werden.
- Die einzelnen "Entladungen" müssen von ausreichender Zeitdauer sein, um sicherzustellen, dass sich alle Profile auf ihren stationären Endzustand eingestellt haben.
- Die charakteristischen Kenngrößen des Plasmas sollen nahe genug an dem erwarteten Operationspunkt eines Fusionsreaktors bleiben, um eine gesicherte Auslegungsbasis für den Demo zu ermöglichen.
- Alle wesentlichen technologischen Komponenten eines Fusionsreaktors sollten weiterhin vorhanden bleiben, um den Nachweis ihrer Kompatibilität mit einem thermonuklearen Plasmabetrieb liefern zu können.
Diese Auswahl an Zielstellungen entsprach der Anwendungsorientierung der Fusionsforschung mit dem Ziel, ein energieliefernden Reaktor zu entwickeln. In vergleichbarem Finanzrahmen wäre es wahrscheinlich sogar möglich gewesen, das Ziel der thermonuklearen Zündung beizubehalten. Dafür hätte man allerdings die Reaktorähnlichkeit der wichtigen Plasmaparameter und der verwendeten Technologien (zum Beispiel supraleitende Spulen) opfern und sich in der Pulslänge auf die Zündphase der Entladung beschränken müssen.
Für ein derartiges "Zündexperiment" hätte man nämlich die Tatsache ausnützen können, dass bei tieferen Temperaturen, die mit Flüssigstickstoff-Kühlung erreichbar sind, Kupfer eine wesentlich höhere elektrische Leitfähigkeit und auch bessere mechanische Eigenschaften als bei Zimmertemperatur besitzt.
Allerdings erhitzen sich hierbei die Magnetfeldspulen – im Gegensatz zum echt supraleitenden Zustand – sehr schnell, sodass jede einzelne Entladung bereits nach wenigen Sekun-den abgebrochen werden müsste. Ein ausschließlich auf Zündung ausgelegtes Experiment hätte man aber so möglicherweise kompakter – und damit kostengünstiger – bauen können.
Will man die physikalischen Aspekte der thermonuklearen Heizung eines Plasmas untersuchen, muss diese Heizung eindeutig über alle anderen von außen zugeführten Heizungen dominieren. Denn für den Fusionsreaktor ist nur die Selbstheizung aus der Kernfusion relevant. Diese Forderung kann man als erfüllt betrachten, wenn die Fusionsheizung doppelt so viel zur Plasmaheizung beiträgt, wie die restliche, von außen zugeführte Energie. Entsprechend der Definition des Leistungs-Vervielfältigungsfaktors Q entspricht diese Forderung einer Auslegung der Anlage auf Q=10; das heißt, die Anlage produziert zehnmal so viel Energie aus Kernfusionen wie als Heizenergie zugeführt wird. Diese Vorgabe bestimmte die charakteristischen Abmessungen des neuen Iter-Entwurfes.
Der wesentliche Parameter, mit dem von existierenden zu größeren und leistungsfähigeren Anlagen extrapoliert wird, ist die so genannte Energie-Einschlusszeit. Wie bereits bei der alten Iter-Auslegung wurde dazu auf Erfahrungswerte von neun Tokamaks mit Iter-ähnlichem Plasmaquerschnitt zurückgegriffen. So liegen die beiden Iter-Entwürfe im physikalischen Parameterraum nun ziemlich eng beisammen. Dies genau war die Absicht für das abgespeckte Iter-Design: Gemeinsam mit den Resultaten anderer Fusionsexperimente sollte daher auch der reduzierte Iter eine ausreichend gesicherte Auslegungsbasis für den nächsten Schritt zum Demo bilden.
Durch die reduzierten Anforderungen gegenüber der ursprünglichen Iter-Planung ließ sich die Anlage nun deutlich kleiner planen: So schrumpfte der Außendurchmesser der Plasmakammer von rund 22 Metern auf 16,4 Meter. Die neue Anlage erhielt auch einen eigenen Namen: Iter-Feat, englisch für Meisterleistung (alternativ: Fusion Energy Amplifier Tokamak).
Bei der Auslegung von Iter-Feat konnte man natürlich die Ergebnisse der experimentellen und theoretischen Untersuchungen seit der Festlegung der Entwurfsparameter des "großen" Iters vor rund sechs Jahren nutzen. Sie haben vor allem eine Bestätigung der bereits vorher bekannten Trends und damit eine Reduktion der Unsicherheiten gebracht.
So wagte man es jetzt, die bereits früher vorhergesagte Verbesserung des Energieeinschlusses bei mehr vertikal gestreckten und gleichzeitig mehr dreieckig verformten Querschnitten des Plasmas stärker als bisher auszunutzen, was allein schon eine gewisse Reduktion in der Anlagengröße erlaubte.
Die Chance auf Zündung bleibt erhalten
Trotz eines reduzierten Leistungsvervielfältigungsfaktors wurde jedoch das zweite physikalische Ziel des ursprünglichen Iter-Entwurfes voll beibehalten: die Demonstration eines stationären Betriebes. Dieses Ziel hatte in der Zwischenzeit nicht nur an Bedeutung, sondern auch an Realisierungswahrscheinlichkeit gewonnen. Im letzten Jahrzehnt war es nämlich gelungen, in Tokamaks Entladungen zu "züchten", in denen sich im Plasmainnern lokal eine Art Dämmschicht gegen Abkühlung und Energieverlust ausbildete. Die Entdeckung dieses neuen Operationsregimes bedeutet auch, dass Iter-Feat, trotz seiner reduzierten Dimensionen, weiter eine Chance zur Erreichung eines voll gezündeten Zustandes besitzt.
Wahrscheinlich kann erst Iter selbst die Messpunkte liefern, die beurteilen lassen, wie nützlich dieser Effekt für einen Reaktor wirklich sein wird. Konsequenterweise wurde daher Iter-Feat so ausgelegt, dass er sein Basisziel auch ohne die unsichere Extrapolation dieses neuartigen Experimentierbereichs erreichen kann.
Ein Rohentwurf von Iter-Feat legte das Projektteam im Dezember letzten Jahres vor. Wesentlich beschleunigt wurden diese Planungsarbeiten durch die Erfahrung mit dem ursprünglichen Iter-Entwurf – ebenso durch die Prototypen, die zu den sieben kritischen Komponenten entwickelt wurden. Am Ende präsentierte das Projektteam einen neuen Kostenvorschlag: Danach belief sich der Bau des Iter-Feat auf 3,5 Milliarden Euro. Gegenüber dem alten Iter-Entwurf entsprach dies einer Einsparung von 45 Prozent! Damit nicht genug: Von der jetzt – bis Ende 2000 – weiterlaufenden Detailplanung wird noch eine weitere Kostenreduktion erwartet.
Wie sieht nun der weitere Plan aus? Der Zeitrahmen für die Umsetzung des Projekts hängt nur zu einem Teil von den technischen Notwendigkeiten ab. Sobald Geldgeber und Strahlenschutz-Behörden die Errichtung der Anlage genehmigt haben, würden weitere acht Jahre bis zur Inbetriebnahme vergehen.
Während der ersten zwei Betriebsjahre würden die Forscher im Iter-Feat ausschließlich mit leichten Wasserstoff (Protonen) oder Helium-Atomkerne (Alphateilchen) als Betriebsgas arbeiten. Denn zunächst müssen am Iter-Feat alle Komponenten ausreichend getestet und Betriebserfahrung gewonnen werden, ohne auf Strahlung aus dem Plasma oder nukleare Aktivierung der Anlage Rücksicht nehmen zu müssen.
Die strahlenschutzrechtliche Genehmigung kann erst nach der Auswahl des Standortes eingeleitet werden. Sie hängt zudem von der Gesetzgebung des Standorts beziehungsweise des Sitzlandes ab. Experten erwarten dafür einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren.
Der größte Unsicherheitsfaktor im Zeitplan bis zur Inbetriebnahme liegt jedoch im politischen Prozess: Denn es sind eine Reihe politischer Gremien, die sich zuerst über drei nichttriviale Themen einigen müssen:
- die internationale Organisationsstruktur,
- die finanzielle Beteiligung der einzelnen Partner, und vor allem
- den Standort für den Iter-Feat.
Erwartet wird von dem Standortland eine überproportionale Beteiligung an den Gesamtkosten, was dadurch als gerechtfertigt erscheint, dass vor allem die "low-tech" Investitionen (Gebäude, Infrastruktur) zu einem großen Anteil lokal getätigt werden würden.
Die Aufspaltung der Baukosten für High-Tech-Komponenten – supraleitende Magnete, Robotersysteme, hochhitzebelastbare Wandkomponenten, Systeme zur Aufheizung des Plasmas – wird hingegen direkt bestimmen, welche Anteile der industriellen Fertigung und welches Mitspracherecht am Programm die einzelnen Partner haben werden.
Ein Standort in Europa?
In der Diskussion um einen möglichen Standort haben bisher nur Japan und Kanada ein klares Interesse angemeldet. An den kanadischen Standortvorschlägen – die hervorragende technische Voraussetzungen bieten – ist bemerkenswert, dass Kanada selbst aktiv kaum Fusionsforschung betreibt und sich bisher nur "assoziiert" an die europäische Gemeinschaft an dem Iter-Prozess beteiligt hat. Kanadas Bewerbung wird vor allem durch kommerzielle Erwägungen bestimmt: Denn der Geldzufluss während Aufbau und Betrieb des Projektes lässt einen Gewinn für Sitzland und Standortregion erwarten, der den angebotenen Kostenbeitrag zur Errichtung und Betrieb von 20 bis 25 Prozent übersteigen würde.
Daher hoffen Europas Fusionsforscher immer noch, dass sich Europa in der Standortfrage zurückmeldet. Während eine Beteiligung an der Errichtung von Iter in Kanada oder Japan aus dem gegenwärtigen europäischen Fusionsbudget getragen werden könnte, müssten nämlich für einen europäischen Standort zusätzliche Mittel bereitgestellt werden.
Gerade die rein ökonomische Logik des kanadischen Angebotes könnte aber auch in Europa noch einmal Anlass zum Nachdenken über einen eigenen Standortvorschlag geben.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 2000, Seite 86
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